„Die Menschen dieses Landes sind keine Untertanen.“ – Hans-Jürgen Papier

Migration: Das Recht an den Binnen- und Außengrenzen der Europäischen Union

Dr. Manfred Kölsch

Kommentar

Der CDU-angehörige Ministerpräsident von Sachsen, Herr Kretschmer, setzt angesichts der Not der Kommunen bei der Bewältigung der neuen Asylkrise und dem daraus mitverursachten drohenden Wählerverhalten auf einen nationalen Lösungsansatz. Er schlägt eine Grundgesetzänderung vor, ohne konkret zu sagen, was Inhalt dieser Änderung sein könnte. Dem Bürger will er damit vermitteln, keine Anstrengung sei zu groß, um der Masseneinwanderung zu begegnen. Selbst vor einer Grundgesetzänderung schrecke man nicht zurück, wohl wissend, dass es dafür nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit geben wird.

Die Innenminister der EU-Länder haben jetzt einen europäisch geprägten Lösungsversuch der Asylkrise erarbeitet, der die Nationalstaaten entlasten und die Situation an den EU-Außengrenzen verbessern soll.

I. Die deutsche Rechtslage

Das nationale Recht stellt alle Mittel zur Verfügung, um der Migrationskrise Herr zu werden. Der Vorschlag des sächsischen Ministerpräsidenten ist Teil der bewusst betriebenen Verdrängungskunst, auf dem verminten Gelände der Migration die wirklichen Probleme anzugehen. Entgegen der hier maßgeblichen Vorschriften des Grundgesetzes (GG) und des Asylgesetzes (AsylG) ist durch die betriebene Politik ein Einfallstor für ungeregelte Einwanderung geöffnet worden. Es bedarf keiner Grundgesetzänderung, um dieses Einfallstor zu schließen.

Seit der Änderung des Grundgesetzes 1993 heißt es in Art. 16a GG:

Abs. 1:

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“

Sämtliche sog. Wohlstandsflüchtlinge sind danach vom Recht auf Asyl ausgeschlossen.

Abs. 2 Satz 2:

Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“

Deutschland ist ausschließlich von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und sog. sicheren Drittstaaten (Schweiz) umgeben. Sämtliche Personen, die über den Landweg einreisen, haben in Deutschland kein Asylrecht. Sie sind an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Deshalb heißt es in § 18 Abs. 2 AsylG:

Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn

1. er aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) einreist (…).

In der Praxis spielt das Asylgrundrecht aus Art. 16a GG – gerade wegen des strikt formulierten Ausschlusses – kaum noch eine Rolle. Es betrifft Einreisende über den Luft- oder Seeweg. Für diese relativ wenigen Fälle ist die Prüfung von Asylanträgen gemäß § 18a AsylG, Art. 15 der Verordnung (EU) 604/2013 (sog. Dublin-III-VO) in den Transitbereichen der Flug- oder Seehäfen durchzuführen. Von diesen dort Ankommenden werden zur Zeit nur 1 bis 2 % als asylberechtigt anerkannt.

An Stelle der Zurückweisung, wie es deutsches Recht vorschreibt, ist bei den in der Regel gut informierten Migranten bekannt, dass in Deutschland Grenzkontrollen praktisch nicht bestehen und Zurückweisungen vor Betreten Deutschlands nicht erfolgen. Überstellungen in das Ersteinreiseland der EU werden kaum praktiziert. Das Ersteinreiseland Italien hat zusätzlich im Dezember 2022 mitgeteilt, es werde trotz seiner Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren Rückführungen ablehnen. Abschiebungen nach erfolglos durchgeführtem Asylverfahren werden, im Verhältnis zu der Anzahl der nach Deutschland einreisenden Migranten, nur in zu vernachlässigendem Prozentsatz durchgeführt.

Ohne Angleichungen der Sozialleistungen in der EU wird Deutschland mit seinen – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern – Spitzenleistungen im Sozialbereich (auch als „Asylmagnet“ bezeichnet) nicht von Migrationsdruck befreit werden.

1. Die deutsche Migrationspolitik lässt sich nicht unter Berufung auf europäisches Recht begründen

Sämtliche Versuche, juristisch die gesetzwidrig faktisch offenen Grenzen Deutschlands, über die jährlich tausende Personen meist illegal einreisen, zu begründen, tragen nicht.

Die jetzt die Migration gestaltende deutsche Regierungskoalition begründet ihr Befürworten der offenen Grenzen pauschal u. a. mit dem Argument, das Unionsrecht in Gestalt der Dublin-III-VO gehe dem deutschen Recht vor.

Ein unionsrechtlicher Anwendungsvorrang wäre nur dann gegeben, wenn das nationale Recht in Widerspruch zum Unionsrecht stünde. Ein Widerspruch des deutschen Rechts zum Unionsrecht besteht, soweit es um die Zurückweisung an der deutschen Grenze geht (vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG), jedoch nicht. Das deutsche Recht bildet insoweit nur das Unionsrecht ab. Deshalb ist die Diskussion über eine Vorrangstellung des Unionsrechts obsolet.

Die Dublin-III-VO bestimmt in Art. 3 Abs. 1, Art. 13, dass grundsätzlich der Ersteinreisestaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der Ersteinreisestaat hat den eingereisten Migranten bis zur Durchführung des Asylverfahrens im Lande zu halten. Bei Durchführung dieses Verfahrens würde der Andrang an deutschen Grenzen versiegen. Dem nachzukommen ist für die Ersteinreisestaaten jedoch mit Schwierigkeiten verbunden. In der Praxis ist für die Ersteinreisestaaten die große Zahl von Migranten kaum zu bewältigen. Die Migranten zu inhaftieren ist nach Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-VO in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 der EU-Aufnahme-RL (RL. 2013/33/EU) nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, wenn die Ersteinreisestaaten Migranten auch durchwinken, mit der Begründung, sie wollten sowieso nur nach Deutschland. Diese Migranten hinterlassen im sog. Eurodac-System (europäisches Fingerabdruck-Identifizierungssystem) keine Spur. Desto wichtiger wäre es von deutscher Seite, grundgesetz- und gesetzeskonform die unionsrechtlich gewollten Zuständigkeiten für Asylverfahren durchzusetzen, indem die Einreise nach Deutschland an der Grenze verweigert wird. Nach Art. 22 des Schengener Grenzkodex (VO (EU) 2016/399) sind Grenzkontrollen zwar grundsätzlich unzulässig, Deutschland könnte jedoch, wie das auch andere EU-Staaten praktizieren, unter den Voraussetzungen der Art. 25 ff. des Grenzkodex Grenzkontrollen bis zur Dauer von 2 Jahren durchführen. Die Behauptung, EU-Recht ließe Grenzkontrollen nicht zu, zeugt von einer oberflächlichen Betrachtung. „Übersehen“ wird dabei Art. 20 Abs. 4 Dublin-III-VO. Danach sind Personen, die ihren Asylantrag an der Binnengrenze zwischen zwei EU-Staaten stellen, an den Staat zu verweisen, in dem die Person sich befindet. Das Dublin-III-System setzt danach begriffsnotwendig eine Kontrolle an der Grenze des Zielstaates voraus. Nur durch diese Grenzkontrolle kann die nach dem Verordnungsgeber bezweckte Verhinderung illegaler Sekundärmigration gewährleistet werden.

Die deutsche Politik führt solche möglichen Grenzkontrollen nicht nur nicht aus, sondern stiftet Ersteinreiseländer geradezu an, Asylverfahren Deutschland zu überlassen. 2015/16 hat Ungarn versucht, tausende in Ungarn ankommende Migranten im Land zu halten, um entsprechend der Dublin-III-VO dort die Asylverfahren durchzuführen. Ungarn versuchte, die Gegenwehr der Migranten gewaltsam zu brechen. Der öffentliche Druck gegen Ungarn wurde durch Fernsehbilder erhöht. Die Ungarn ließen dann auf österreichisches und deutsches Drängen hin die Migranten ohne Asylverfahren weiterziehen, auch weil ihnen moralisierend Verstöße gegen europäische „Werte“ und „europäische Rechtsgrundsätze“ vorgeworfen worden waren.

Das skandalöse Verhalten der damaligen Bundeskanzlerin Merkel bestand darin, dass sie durch eine telefonisch übermittelte Anweisung an den Bundesminister des Innern Bundesrecht (§ 18 AsylG) suspendierte.

Für ihr Verhalten konnten sich Österreich und Deutschland übrigens nicht auf Art. 17 der Dublin-III-VO berufen. Das dort geregelte sog. Selbsteintrittsrecht von Staaten in fremde Asylverfahren bezieht sich ausschließlich auf Einzelfälle.

Der geschilderte Fall und zahlreiche nachfolgende haben faktisch mit der Zeit zu dem rechtswidrigen Konsens geführt, „nationale Alleingänge“ in der Asylfrage abzulehnen, Grenzkontrollen als „Abschottung“ zu stigmatisieren und den Unwillen erzeugt, Migration an deutschen Interessen auszurichten. Dieser Unwille wird hinter dem Ruf nach einer bisher vergeblich angestrebten „europäischen Lösung“ versteckt.

2. Missbrauch des Schengen-Systems

Gravierender ist die Tatsache, dass seit dem Vorfall in Ungarn Migranten mit Duldung Deutschlands und anderer europäischer Staaten für sich die Vorteile des Schengen-Systems in Anspruch nehmen. Durch den Abbau von europäischen Binnengrenzen wurde ein Raum der Freizügigkeit für Handel, Niederlassung und Reisen eröffnet. Unterstützt durch fehlende oder lückenhafte deutsche Grenzkontrollen – getragen von der Utopie der „einen Welt“, die grenzenlos sei – nutzen Migranten die Freizügigkeiten des Schengen-Raums.

Um diesen Missbrauch des Schengen-System juristisch zu rechtfertigen, wird, entgegen der eindeutigen Drittstaatenregelung in Art. 16 GG, § 18 AsylG (Zurückweisung an der Landesgrenze von aus sicheren Drittstaaten Kommenden) behauptet, die Dublin-III-VO verpflichte Deutschland, Asylbewerber einreisen zu lassen, um den eigentlich zuständigen Ersteinreisestaat zu ermitteln.

Dieses Argument überzeugt nicht, kann dies doch in dem EU-Staat erfolgen, in dem sich der Antragstellende vor der Einreise nach Deutschland befindet.

Diese Ansicht kann sich auch nicht begründet auf Art. 3 Abs. 1 der Dublin-III-VO stützen.

Darin heißt es, dass Anträge auf internationalen Schutz, die „an der Grenze“ gestellt werden, zunächst zu prüfen sind. Mit „Grenze“ sind hier jedoch nicht die Binnengrenzen zwischen den EU-Staaten gemeint, sondern die EU-Außengrenzen. Die Dublin-III-VO regelt die Zuständigkeit zur Ermittlung des zuständigen Einreisestaates eindeutig in Art. 20 Abs. 4 Dublin-III-VO. Zuständig ist danach der Staat, in dem sich der Antragstellende befindet. Eine Einreise nach Deutschland zu dem vorgegebenen Zweck bedarf es demzufolge nicht.

3. Bereich des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs

Würde man dem Antragstellenden die Einreise nach Deutschland gestatten oder würde er auf illegalem Weg (z. B. Sekundärmigration) deutsches Staatsgebiet erreichen, dann muss nach insoweit vorrangigem Unionsrecht ein gestellter Asylantrag von Deutschland angenommen und bearbeitet werden. Zunächst wird das vorgeschaltete Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats eröffnet. Wird dieser ermittelt oder wird festgestellt, dass der Asylbewerber bereits einen Asylantrag in dem Ersteinreisestaat gestellt hatte, dann ist ein in Deutschland gestellter Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG unzulässig.

Vorausgesetzt, die in Art. 21 Abs. 1, Art. 23 Abs. 2 Dublin-II-VO normierte Frist von 3 Monaten für die Ermittlung des Ersteinreisestaates kann eingehalten werden, unterbleibt eine Abschiebung mangels eines dazu erforderlichen politischen Willens. Hinzu kommt, dass z. B. Italien seit Dezember 2022 generell Rücknahmen ablehnt. Einer Rücküberstellung nach Griechenland steht darüber hinaus die OVG-Rechtsprechung in Deutschland entgegen, der sich die Instanzgerichte mehrheitlich angeschlossen haben. Danach stellt eine Abschiebung nach Griechenland einen Verstoß gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dar, weil den Betroffenen dort wegen unzureichender sozialer Unterstützung die Obdachlosigkeit drohe.

Für den Fall, dass die kurze Frist aus tatsächlichen oder ideologischen Gründen nicht eingehalten wird, heißt es in Art. 21 Abs. 3 Dublin-III-VO:

Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.“

Die Asylzuständigkeit geht ebenso vollständig auf Deutschland über, falls die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO von 6 Monaten nicht eingehalten werden kann. Die Frist kann z. B. überschritten werden, weil eine Abschiebung in den Ersteinreisestaat politisch nicht gewollt ist, der Ersteinreisestaat die Aufnahme verweigert oder die deutsche Rechtsprechung die Abschiebung untersagt.

Auch auf dem Landweg nach Deutschland eingereiste Asylantragsteller bekommen nach Fristablauf in Deutschland den Status von Flüchtlingen nach § 3 AsylG oder von subsidiär Schutzberechtigten nach § 4 AsylG. Die mit der Zuerkennung der Flüchtlings- oder Schutzberechtigteneigenschaft in Deutschland erlangte Rechtsposition ist mit derjenigen von Asylsuchenden identisch. Faktisch wird deshalb der Asylsuchende mit dem Betreten deutschen Staatsgebietes zu einem Subjekt deutschen Rechts mit Ansprüchen an den deutschen Sozialstaat. Mit der Prüfung des Asylantrags ist der Rechtsweg zu den deutschen Verwaltungs- und Sozialgerichten umfassend eröffnet. Die Pflicht, Deutschland nach einer Ablehnung eines Asylantrags zu verlassen, wird kaum durchgesetzt. Dass das gewährte Asyl ein zeitlich begrenztes Recht ist, findet keine Beachtung.

Die durchaus mögliche und auch rechtlich – auch nach EU-Recht – zulässige Zurückweisung des die illegale Einreise nach Deutschland versuchenden Migranten bereits an der Grenze ist das nach Art. 16 GG in Verbindung mit § 18 AsylG – auch im deutschen Interesse liegend – zwingend gebotene Verhalten, um die unionsrechtlich vorgesehenen Zuständigkeiten auch durchzusetzen. Dafür erforderliche Grenzkontrollen sind, wie bereits ausgeführt, auch nach EU-Recht möglich (Art. 25 ff. Schengener Grenzkodex) und entsprechend Art. 20 Abs. 4 Dublin-III-VO erforderlich.

II. Der europarechtliche Ansatz

Hat nun die bewusst betriebene Verdrängungskunst durch den Hinweis, nationale Lösungen seien nicht machbar, durch Stigmatisierung von Grenzkontrollen mit dem Begriff „Abschottung“ oder durch die Behauptung, deutsche Interessen dürften nicht entscheidungsleitend sein, ein Ende, nachdem die Innenminister der EU-Länder Anfang Juni 2023 einen europäisch geprägten Lösungsvorschlag erarbeitet haben?

1. Was wurde beschlossen

Soweit bekannt, sollen Neuankömmlinge an den EU-Außengrenzen künftig in zwei Kategorien eingeteilt werden. Wer klar erkennbar gute Aussichten auf Asyl hat, soll schnell von der Grenze weiter in aufnehmende EU-Staaten verteilt werden. Wer aus Staaten kommt, bei denen schon bisher die Anerkennungsquote gering war, soll sich in einem Aufnahmelager einer beschleunigten Vorprüfung unterziehen. Ob ein individueller Asylanspruch besteht, soll in wenigen Wochen (von 3 Monaten ist die Rede) feststehen. Das alles wird wohl nur unter haftähnlichen Bedingungen abgewickelt werden können. Dieser Teil der Migranten würde bei einem negativen Prüfungsergebnis erst gar nicht an den deutschen Grenzen erscheinen. Die geschilderten Belastungen für das deutsche Rechts- und Sozialsystem würden verringert.

2. Zweifel an der Realisierbarkeit

Zweifel an der Realisierbarkeit dieses Vorschlags drängen sich auf, weil offensichtlich eine „Einigung“ nur auf niedrigstem Niveau möglich war.

Wer soll schnell und klar herausfinden, ob ein Ankommender gute Aussichten auf Asyl hat?

Wohl wissend, dass bisher jahrelang die Verteilung der Migranten in Europa auch durch Drohungen mit finanziellen Nachteilen nicht angemessen gelungen ist, lassen die EU-Innenminister nebulös verlauten, die Personengruppe mit hoher Bleibechance soll schnell von der Außengrenze weiter in aufnehmende EU-Staaten weitergeleitet werden.

Die Ministerpräsidenten Ungarns und Polens haben im Europäischen Rat am 29.6.2023 ihr Veto eingelegt. An der Verteilung werden sich diese Länder nicht beteiligen.

Das zukünftig an die EU-Außengrenze zu verlagernde Asylauswahlverfahren soll nach dem Willen der EU-Innenminister fair und effizient sein. Effizient steht auch für zügig, sowohl im Interesse der Staaten als auch im Interesse der Ankommenden. Wie ist die notwendige Schnelligkeit mit der Eröffnung von fairen Beratungsmöglichkeiten (z. B. Zugang von Rechtsanwälten und Nichtregierungsorganisationen) für die Ankommenden zu vereinbaren?

Ungeklärt ist, wo auf den Hauptrouten (über Griechenland, Italien, Spanien, Balkanroute und der deutschen Ostgrenze), auf wessen Kosten die Aufnahmelager gebaut und unterhalten werden, in denen Migranten wochenlang untergebracht bleiben sollen. Ungewiss ist auch, wie die lokale Bevölkerung auf die Aufnahmelager reagieren wird.

Die Grünen sehen schon ihre Utopie, die eine Welt ohne staatliche Grenzen habe die Legitimität staatlicher Herrschaft über Grenzen abgelöst, in Gefahr.

Sie werfen deshalb die Frage auf, ob Minderjährige oder traumatisierte Personen überhaupt inhaftiert werden können, egal ob eine Chance auf Asyl besteht oder nicht. Auf der Parteiversammlung der Grünen in Bad Vilbel am 18.6.2023 wurde moralisiert. Ein Antrag der grünen Jugend verlangte, Kinder und Familien von dem Grenzverfahren für Migranten aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote auszunehmen. Inhaftierungen dürfe es an den Außengrenzen nicht geben. Alle Mitgliedstaaten müssten sich an dem Verteilungsverfahren beteiligen. Garniert mit dem Appell an die Delegierten: „Ich bitte euch um Mut und Konsequenz“. Den Befürwortern der Vereinbarung wurde vorgeworfen, „keinen moralischen Kompass“ zu haben. Frau Baerbock griff ihre bereits früher vertretene Ansicht auf, wonach es möglich sein müsse, in den Booten im Mittelmeer die eigenen Kinder zu sehen. Die Ministerin für Familie und Jugend in Schleswig-Holstein, Frau Aminata Touré, sagte unter großem Beifall der Delegierten, die Regelung schmerze sie und weiter: „Diese Partei steht dafür, Menschenrechte hochzuhalten und zu verteidigen“. Sie wolle „in aller Deutlichkeit sagen“, die Menschen mit einer schlechten Bleibeperspektive, die künftig ins Grenzverfahren sollen, „sind Menschen“ (alle Zitate aus der FAZ, Nr. 139 vom 19.6.2023, Seite 4).

Bleibt noch die Frage zu beantworten, wer die abgelehnten Asylbewerber übernehmen soll.

Eine Lösung ist nicht in Sicht. Monatelang war der tunesische Präsident, Kais Saied, wegen der demokratiefeindlichen Konzentration von Machtbefugnissen in seinen Händen geächtet. Sogenannte europäische Werte ließen ihn als Paria erscheinen. Plötzlich geben sich die höchsten Vertreter der EU-Kommission und mehrerer europäischer Regierungen bei Saied die Klinke in die Hand, europäische Werte ausblendend. Ein gängiges Muster, was bei den Migrationsvereinbarungen mit dem türkischen Präsidenten und bei der Suche nach Energiequellen bei dem saudischen Kronprinzen ebenfalls praktiziert wurde. Trotz der milliardenschweren Angebote von „Hilfsgeldern“ hält der tunesische Präsident bisher seine Meinung aufrecht, Tunesien sei weder bereit, zum Grenzwächter Europas, noch zu einem Aufnahmezentrum für gestrandete oder aus Europa abgewiesene afrikanische Migranten zu werden (zitiert nach FAZ vom 27.6.2023, Nr. 146, Seite 3). Die Löchrigkeit des „Paktes“ der EU-Innenminister wird so für jeden offenkundig.

Eile ist auch nicht geboten, weil noch der sog. Trilog bevorsteht, nachdem auch das Europäische Parlament dem Vorschlag der EU-Innenminister zustimmen muss oder Änderungen verlangen kann. In welcher Zusammensetzung das Parlament entscheiden wird, ist ungewiss, finden doch 2024 Europawahlen statt. Am Ende müssen auch noch die Mitgliedstaaten einverstanden sein.

III. Ergebnis

Der Beschluss der europäischen Innenminister zeigt nach dem augenblicklichen Stand der Dinge keinen Ausweg aus der Migrationskrise auf. Obwohl das Grundgesetz und das Asylgesetz dies fordern, wird die jetzt regierende Koalition weiterhin keine Zurückweisung von Migranten aus sicheren Drittstaaten an der deutschen Grenze zulassen. Die aus dem Ruder gelaufene Einwanderung nach Deutschland wird deshalb maßgebenden Einfluss auf bevorstehende Wahlen haben, ungeachtet der immerwährenden Versuche der maßgebenden Medien, die Benennung der wirklichen, die Migration betreffenden Probleme, zu tabuisieren.

11 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

  1. In unserem Unrechtsstaat sollte man ersteinmal überprüfen, ob das Grundgesetz (trotz Art. 4 Ziff. 2 EinigVtr. – Beseitigung der Rechtsgrundlage für den Beitritt – noch Gültigkeit hat, die DDR-Verfassung – wie beabsichtigt – durch Beitritt aufgehoben wurde resp. der Beitritt durch Ratifizierungsurkunde rechtssicher dokumentiert ist.

    • Steffen Schaumburg auf 24. August 2023 bei 7:08
    • Antworten

    Ich sehe Kritik ist hier nicht willkommen – dafür werden ungewünschte Kommentare einfach kommentarlos gelöscht. Die Kritik des Netzwerks darf sich also wohl nicht gegen die vom Netzwerk vertretenen Positionen richten. Bedauerlich.

    • Steffen Schaumburg auf 24. August 2023 bei 6:48
    • Antworten

    Hallo,
    ich wollte fragen ob es diesen Aufsatz vielleicht auch ohne die billige Polemik gibt? Für einen ehemaligen Richter sollte das ja kein Problem sein. Wäre für einen Link verbunden.
    Dank im Voraus

    • Theodor Danninger auf 16. Juli 2023 bei 14:33
    • Antworten

    Bei der Lektüre dieser Übersicht (inklusive der Kommentare) drängt sich einem, wenn man bis drei zählen kann, der Verdacht auf, dass es hier nicht um Menschen oder Recht und Gesetz an den EU-Außen- oder Binnengrenzen geht.

    Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass korrupte Politiker und bezahlte Schlepper-Banden, in enger Kooperation, alles dran setzen, durch Anwerbung von Migranten und gezielte Lenkung der Flüchtlingsströme, die sozialen Sicherungssysteme der europäischen Staaten zu Fall zu bringen.
    Anschließend könnte man dann einem verarmten ‚europäischen Mittelstand‘ einen so genannten ‚Great Reset‘ als Lösung für alle Probleme verkaufen.

    Clever, ein alter Trick der ‚Snake-Oil‘- Händler: Du willst eine neue Medizin unter die Leute bringen, aber du hast noch keine passende Krankheit dafür …
    Nur so, als Verschwörungs- Hypothese…

      • Theodor Danninger auf 18. Juli 2023 bei 10:06
      • Antworten

      nochmal, etwas genauer:

      Die Situation an den EU-Außen- und Binnengrenzen entspricht dem Zustand, den die Superreichen vom WEF und ihre Handlanger erreichen wollten.
      Wer braucht schon die leeren Versprechungen des „Great Reset“ („du wirst nichts besitzen aber trotzdem glücklich sein“), solange ein soziales Netzwerk, das sich über Generationen entwickelt und (in Grenzen) bewährt hat, weiterhin funktioniert ?

      Der Krieg zwischen den Superreichen der Geld-und Finanz- ‚Elite‘ und den Armen (dazu dürfen sich im Zweifelsfall auch die auf der Abschussliste stehenden Angehörigen des Mittelstandes zählen) wird an den EU-Außen und Binnengrenzen zwischen „armen“ Migranten und den „armen“ Staatsbürgern der EU-Länder ausgetragen. Stellvertretend sozusagen… denn die im Dunkeln sieht man nicht.

      Wie kann man den Europäern ihren Wohlstand nehmen, ohne als Plünderer dabei in in den Focus der Aufmerksamkeit zu geraten ? Wie kann man Völker gezielt in die Armut und damit in die Abhängigkeit treiben, ohne als Verursacher der Misere in Erscheinung zu treten und dadurch eventuell zur Zielscheibe zu werden ?

      Wie kann man den Bürgern der EU-Staaten ihre Sicherheiten nehmen, die ihnen die Möglichkeit geben, NEIN zu sagen und sich gegen die (von wem auch immer) beschlossenen Maßnahmen (welcher Art auch immer) zur Wehr zu setzen ?

      Die sozialen Netzwerke und Sicherungssysteme der jeweiligen Länder sind eine entscheidende Bastion des Widerstands gegen die Pläne des „Great Reset“, bewusst oder unbewusst. Dieses „Bollwerk“ gegen die totale Verarmung und damit die Abhängigkeit von der Willkür, gilt es zu schwächen und letztlich zum Kollaps zu bringen.
      Die ungebremsten, aber sichtlich gelenkten Migrantenströme unterminieren diese letzte Bastion und schaffen ein gemeinsames europäisches Armutsniveau, das in großem Stil, in den einzelnen EU-Ländern die Abhängigkeiten schaffen soll, die für die Ziele des „Great Reset“ notwendig sind.
      Die unsinnige Diskussion, ob EU- oder nationales Recht in Asylfragen Vorrang hat, ist offensichtlich ein Scheingefecht. Ein Spiel auf Zeit, um, während es läuft, vollendete Tatsachen zu schaffen.

      Im Fokus der gezielten Vernichtung der sozialen Sicherungen, finden sich damit naturgemäß die EU-Staaten mit den höchsten Sozialleistungen und den willfährigsten Politikern*. Mit Deutschland, in beiderlei Hinsicht, auf einem der Spitzenplätze.
      Genau diese Länder gilt es durch Migration zu destabilisieren, um den Protagonisten des „Great Reset“ und ihrer Agenda den Weg zu bereiten.

      *Korrektur: Politiker***inne***n

  2. Danke Herr Dr. Kölsch für diesen Beitrag. Mich würde interessieren ob es immer noch Usus ist, in unser Land einzureisen ohne Dokument wie Pass oder Ausweis? Die Szenen habe ich noch im Kopf, als zig oder hunderte Ausweisdokumente herumlagen, um die Herkunft zu verschleiern. Verboten ist es per Gesetz, aber das ist ein anderes Thema. Angeblich macht es ja oft Schwierigkeiten, unberechtigte Antragssteller zurückzuweisen, da kein Dokument aufzufinden ist. Das FreizügG/EU regelt ausweisrechtliche Pflichten unter § 8. Eine klare Personenidentifizierung kann nur mit einem Dokument erfolgen, weshalb es selbstverständlich sein sollte, dass keine Person in dieses Land kommt ohne erfasst zu werden. Das Dokument, mit Foto vor Ort, sofern im Dokument kein brauchbares Bild enthalten ist, kopieren und im PC archivieren. Damit wären wir schon einen guten Schritt weiter und wüssten wohin eine etwaige Abschiebung möglich wäre. Ländern welche die Annahme verweigern sind zu sanktionieren. Jetzt fehlt nur noch die Einsicht in der Regierung. Man muss kein Genie sein, um mit kleiner Mathematik zu kapieren, dass dieses gesamte Alimentierungssystem nur funktioniert, so lange Wertschöpfungen vorhanden sind, Millionen Menschen einer geregelten Arbeit nachgehen und davon noch Steuern bezahlen, im Übermaß mittlerweile, zumindest in den unteren und mittleren Einkommensbereichen. Die Frage ist: Wann bricht der sprichwörtliche Krug, der immer häufiger zum Brunnen gehen muss?

  3. Ich bezweifle, dass es auf rechtlicher Ebene eine Lösung des Problems geben kann. Solange die geopolitischen (und evtl. massenpsychologischen) Ursachen und Zwecke der „Flüchtlingsströme“ nicht in den Blick genommen und angegangen werden, sind alle derartigen juristischen Betrachtungen (leider) „Schall und Rauch“.

    1. Sicher sollten die geopolitischen Ursachen in den Blick genommen und angegangen werden. Die Frage ist doch aber die, was gelten soll, solange diese Ursachen nicht beseitigt sind. Meines Erachtens sollte hierzulande bis dahin nach dem geltenden Recht gehandelt werden. Insoweit halte ich juristische Betrachtungen gerade nicht für überflüssig, sondern für ein geeignetes Mittel, solches politische Handeln zu empfehlen, welches geeignet ist, Konflikte zu vermeiden.

    2. Richtig. Wir sollten viel mehr über Fluchtursachen reden und nicht über Flüchtlinge oder Einwanderer, wenn sie erst an unseren Grenzen oder auf unserem Territorium stehen. Niemand lässt ohne Not seine Familie und seine Freunde und sein Zuhause zurück, dafür braucht es schon einen heftigen Krieg, wie ihn D überall in der Welt mit Waffen und Geld unterstützt.
      Bemerkenswert finde ich, wie viele Deutsche es als selbstverständlich ansehen, dass sie jederzeit überall hin auswandern können, wenn es ihnen hier zu blöd wird und dass sie überall willkommen geheißen werden. Umgekehrt scheint das nicht zu gelten.

      1. @Henning: Es ist letztlich eine quantitative Frage. Es sind ja nicht nur Kriegsflüchtlinge, die Mehrzahl sind junge Burschen, warum sollten die ungerne von zu Hause fort, wenn sie hier gut alimentiert werden und zahlreich anwesend anzutreffen sind. Zumal ich kein Verständnis habe für junge Burschen, die im Kriegsfall die Familie alleine lassen, statt zu kämpfen, hier machen sie es doch auch, leider zumeist gegen Wehrlose und in Überzahl. Wenn ich mir die heutigen Krawalle in Gießen vorstelle, das wäre dort unmöglich. Die Frage ist, wie viele Flüchtlinge und Asylanten kann ein Land wie D verkraften, sowohl finanziell wie räumlich, zumal bei anderer Religion, Mentalität, Rechtsvorstellung etc. Und das muss bezahlt werden, von Menschen die täglich zur Arbeit gehen und davon Steuern zahlen, obwohl noch Millionen andere Alimentierte auf ihr Geld warten. Das kennen Sie sicherlich nicht von Deutschen, welche in Massen einfallen, zumal als Gäste und das Gastrecht mit Füßen treten – oder? Augen verschließen und Kopf in den Sand stecken bringen uns nicht weiter, was fehlt sind offene öffentliche klare Diskussionen ohne Tabus. Ihnen empfehle ich auch mal „Politikversagen“ zu lesen, damit Sie erkennen was täglich geschieht. Vorteil dort ist die Verlinkung zu den Originalfundstellen. Das Dümmste in D sind die ständigen unbelegbaren Diffamierungen wie Rechter, Nazi etc., obwohl die wenigsten den Begriff erläutern und zuordnen können. Man kann immer Toleranz über, sie sollte aber niemals dazu führen, dass die Helfer selbst in Not geraten. So wie es aussieht dürfte das aber schon zu spät sein, dank unserer Politik und dem besten Alimentationssystem Europas. Fluchtursachenbekämpfung wäre Angelegenheit der UN, G7, Weltgemeinschaft, USA, etc., aber da sehe ich keinen Ansatz, bringt auch kein Gold, Öl, seltene Metalle etc., umgekehrt wird ein Schuh daraus. Deutschland hat hier, wie bei CO2, den geringsten Anteil, nimmt sich global aber ungemein wichtig, auf Kosten der eigenen Bevölkerung. Quo vadis Deutschland?
        Was ist geltendes Recht? Wo findet man das und wer setzt das um? Und für wen, für die Alt-Bürger und/oder Neu-Bürger? Mein Vorteil ist das fortgeschrittene Alter, ich kenne dieses Land noch viiieel anders, Gottseidank erst nach 1945 geboren.

        • Hartmut Friedrich auf 10. Juli 2023 bei 19:50
        • Antworten

        Henning, können Sie nicht lesen? Ich wiederhole es:
        Seit der Änderung des Grundgesetzes 1993 heißt es in Art. 16a GG:

        Abs. 1:

        „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“

        Sämtliche sog. Wohlstandsflüchtlinge sind danach vom Recht auf Asyl ausgeschlossen.

        Abs. 2 Satz 2:

        „Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“

        Wen interessieren die Fluchtursachen? Mich nicht!

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.