KRiStA – Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V.

Maskenpflicht an Schulen

Rezension des Beschlusses des BGH vom 03.11.2021, Az. XII ZB 289/21

Mit Beschluss vom 03.11.2021, Az. XII ZB 289/21, hat der BGH die Entscheidung des OLG Jena vom 14.05.2021 (Az. 1 UF 136/21) bestätigt. Das OLG Jena hatte die bundesweit Aufsehen erregende Entscheidung des AG Weimar vom 09.04.2021 (Az. 9 F 148/21) zur Verfassungswidrigkeit der Maskenpflicht und des Abstandsgebots an Schulen aufgehoben.

Diese Rezension setzt sich mit der Entscheidung des BGH vom 03.11.2021 kritisch auseinander und unter­sucht, ob die im Verfahren aufgeworfenen wichtigen Rechtsfragen vom BGH unter Berücksichtigung der wesentlichen bis zur Entscheidung vorhandenen Rechtsprechung und Meinungen in der juristischen Literatur erörtert wurden.

1.     Erfordernis der Durchführung einer Vorabentscheidung nach § 17a III 2 GVG

Der BGH geht in seinem Beschluss vom 03.11.2021 davon aus, dass das AG Weimar gehalten gewesen wäre, vorab nach § 17a III 2 GVG eine Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit zu treffen. Das Unterlassen der Vorabentscheidung führe laut BGH dazu, dass die Frage der Rechtswegzuständigkeit noch im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die Sachentscheidung geprüft werden könne. Daneben könne eine inkorrekte Ent­schei­dung über die Zulässigkeit des Rechtsweges nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung auch mit der so­for­ti­gen Beschwerde angefochten werden (vgl. BAG NJW 1993, 2458, 2459).

Dabei setzt sich der BGH nicht damit auseinander, dass nach der bisherigen herrschenden Meinung § 17a GVG in echten Amtsverfahren in Familiensachen nach § 24 FamFG – wie es das Verfahren nach § 1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung ist – nicht anwendbar ist (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 17a GVG, Rn. 21; OLG Karlsruhe vom 28.04.2021, Az. 20 WF 70/21; OLG Zweibrücken NJW-RR 99, 1682; OLG Nürnberg vom 26.04.2021, Az. 9 WF 342/21, 9 WF 343/21; OLG Bamberg vom 17.05.2021, Az. 7 WF 124/21). So haben OLG Karlsruhe und OLG Bamberg in den oben zitierten Entscheidungen den jeweiligen Beschluss des Fa­mi­li­en­ge­richts, der eine Rechtswegverweisung an das Verwaltungsgericht vorsah, aufgehoben und an das Familien­gericht zurückverwiesen. Die Anwendung des § 17a GVG durch das Familiengericht würde voraussetzen, dass eine Verweisung des Verfahrens nach den Verfahrensregeln überhaupt möglich ist. In den echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in den Antragsverfahren ist dies der Fall, nicht aber in den Amtsverfahren, denn hier obliegt die Einleitung des Verfahrens der eigenständigen Entschließung des zuständigen Gerichtes (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 99, 1682; OLG Karlsruhe Az. 20 WF 70/21; OLG Nürnberg vom 26.04.2021 Az. 9 WF 342/21, 9 WF 343/21). Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/6308, 318): „In Verfahren, die von Amts wegen einzuleiten sind, fehlt es bereits im Ausgangspunkt an der Beschreitung eines Rechtsweges, so dass für die Anwendung der Vorschrift in diesen Fällen von vornherein kein Raum ist.“ Das AG Weimar hätte demnach § 17a GVG entgegen der bis dahin herrschenden Rechtsmeinung anwenden sollen; und dies, obwohl eine Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht – wie der BGH selbst annimmt (vgl. NJW-RR 2022, 217) – wegen unüberwindbarer verschiedener Prozessmaximen beider Verfahrens­ord­nungen (vgl. auch BVerwG vom 16.06.2021 – 6 AV 1/21, 6 AV 2/21 NVwZ-RR 2021, 740) nicht in Betracht kommt. In der zitierten Entscheidung des BVerwG vom 16.06.2021 hat das BVerwG entschieden, dass der Verweisungsbeschluss des Familiengerichts Tecklenburg an das Verwaltungsgericht Münster rechts­wid­rig war: „Über Maßnahmen gemäß § 1666 BGB entscheidet das Amtsgericht/­Familiengericht jedoch selb­ststän­dig von Amts wegen. Es hätte keine Verweisung aussprechen, sondern – da familiengerichtliche Anordnungen gegenüber Behörden rechtlich ausgeschlossen sind – entweder auf die Eröffnung eines Verfahrens verzichten oder ein bereits eröffnetes Verfahren einstellen müssen.

Die Argumentation des BGH ist in sich nicht schlüssig, da sie dem Zweck der Vorschrift von § 17a GVG zuwiderläuft. Mit einer Vorabprüfung der Zuständigkeit geht es gerade darum, das zuständige Gericht zu ermitteln und dann den Rechtsstreit an das zuständige Gericht abzugeben bzw. zu verweisen. Wenn aber bereits von vornherein aufgrund der unterschiedlichen Prozessmaximen beider Verfahrensordnungen keine Verweisung an das Verwaltungsgericht möglich ist, dann ist eine Vorabentscheidung nach § 17a III 2 GVG sinn- und zweckwidrig.

Zudem widerspricht das Erfordernis der Durchführung einer Vorabentscheidung nach § 17a III 2 GVG dem gesetzgeberischen Willen, wonach Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Fa­mi­li­en­sa­chen nach § 57 S. 1 FamFG nicht anfechtbar sind. Der Beschluss über die Vorabentscheidung nach § 17a III 2 GVG ist nach § 17a IV 3 GVG mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Dadurch würde ein Rechtsmittel mög­lich, obwohl die Entscheidung in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen nach § 57 S. 1 FamFG unanfechtbar ist.

2.    Kann die öffentliche Hand „Dritter“ im Sinne von § 1666 IV BGB sein?

Laut dem Beschluss des BGH vom 03.11.2021 können Dritte im Sinne von § 1666 IV BGB keine Behörden oder sonstige Träger der öffentlichen Gewalt sein. Dies begründet der BGH damit, dass die Familiengerichte die Jugendämter nicht zur Unterlassung von Maßnahmen der Jugendhilfe, wie etwa einer Inobhutnahme, verpflichten könnten (vgl. BGH FamRZ 2021, 1402, Rn. 13) und auch nicht befugt seien, andere staatliche Stellen in ihrem Tun oder Unterlassen anzuweisen. Dies würde einen Eingriff in das Gewalten­teilungsprinzip bedeuten. 

Dieses Argument trägt bereits deshalb nicht, weil der BGH den Verwaltungsgerichten diesen Eingriff explizit zubilligt und eine Hierarchie, die den Verwaltungsgerichten herausgehobene Machtbefugnisse zuweisen würde, unter den fünf Gerichtszweigen nicht existiert. 

Dabei verkennt der BGH, dass es bereits in Zeiten vor Corona Entscheidungen der Familiengerichte gab, in denen die Familiengerichte Träger der öffentlichen Hand verpflichteten. So war nach der bisherigen Rechtsprechung anerkannt, dass „Dritter“ im Sinne von § 1666 IV BGB auch eine psychiatrische Klinik mit einer geschlossenen Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie – und damit ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger – sein kann (vgl. Staudinger/Coester (2020) BGB § 1666, Rn. 237; AG Kassel, DAVorm 1996, 411; Johannsen/Henrich/Althammer/Jokisch BGB § 1666, Rn. 124; MüKoBGB/Lugani, 8. Aufl. 2020, BGB § 1666, Rn. 214, 215). Das AG Kassel hatte mit seinem Beschluss vom 19.04.1996 (Az. 741 X H 112/96, vgl. DAVorm 1996, 411) die örtlich zuständige psychiatrische Klinik im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 1666 BGB verpflichtet, ein psychisch schwer gestörtes Kind dort stationär aufzunehmen. Die örtlich zuständige Klinik hatte zuvor wegen Überbelegung eine Aufnahme des Kindes abgelehnt. Laut AG Kassel vom 19.04.1996 sei die betreffende Klinik zur Aufnahme verpflichtet, denn sie habe eine regionale Versorgungsverpflichtung. Es könne nicht Sache der Sorgeberechtigten, des Jugendamtes oder des Gerichts sein, aus eigener Initiative nicht zuständige Kliniken um Aufnahme zu ersuchen. 

Einen weiteren Aspekt lässt der BGH unbeachtet: § 1666 BGB setzt Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention um. Eine Verletzung von Vorschriften der UN-Kinderrechtskonvention wurde von der Mutter der betroffenen Kinder bereits in ihrer Anregung geltend gemacht (vgl. Beschluss des AG Weimar vom 09.04.2021, Az. 9 F 148/21). Nach Art. 3 I der UN-Kinderrechtskonvention ist bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß Art. 3 II der UN-Kinderrechtskonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern, seines Vormundes oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen. Unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 16/6308, 318), wonach allein auf die objektiv bestehende Gefahr für das Kind abgestellt werden soll, und unter Berücksichtigung der völkerrechtskonformen Auslegung von Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention muss § 1666 IV BGB auf Personen anwendbar sein, die in Ausübung einer staatlichen Funktion handeln, denn ein vergleichbarer Schutz kommt einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu. Nur über § 1666 BGB findet auch das Kindeswohl entsprechend Art. 3 I der UN-Kinderrechtskonvention vorrangig Berücksichtigung. Zwar trifft es zu, dass in Verwaltungsverfahren, in denen es um die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach § 42 SGB VIII geht, das Kindeswohl vorrangig auch vor dem Verwaltungsgericht Berücksichtigung findet, jedoch handelt es sich bei den parallel vor den Verwaltungsgerichten geführten Verfahren nicht um Verfahren der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach § 42 SGB VIII. Vor den Verwaltungsgerichten besteht die Möglichkeit, die Maskenpflicht an Schulen im Wege von § 80 V VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegenüber der von der Schule ausgesprochenen Anweisung des Maskentragens (Verwaltungsakt) oder die entsprechende Vorschrift über die Maskenpflicht an Schulen in der Corona-Verordnung des Freistaats Thüringen über den Normenkontrollantrag nach § 47 I VwGO (Eilverfahren nach § 47 VI VwGO) anzugreifen. In beiden Verfahren müssen die Verwaltungsgerichte prüfen, ob die entsprechende Regelung zur Maskenpflicht in Thüringen verfassungsgemäß ist. § 42 SGB VIII spielt bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit keine Rolle, sodass das Kindeswohl vor dem Verwaltungsgericht gerade in diesen Verfahren keine vorrangige Berücksichtigung findet. Dies geschieht nur im Verfahren nach § 1666 BGB vor dem Familiengericht.

Bei einem entsprechenden Verfahren vor dem Familiengericht entstehen auch keine Kosten. Dies liegt daran, dass bei Nichteinleitung des Verfahrens auch keine Gerichtskosten anfallen (Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG Nr. 1313, Rn. 11). Leitet das Familiengericht hingegen ein Verfahren ein, dann fallen mit dem ersten Tätigwerden des Gerichts Verfahrenskosten an, die aber erst mit der Endentscheidung nach § 81 FamFG einem Kostenträger auferlegt werden. Im Regelfall werden die Kosten nach § 81 FamFG nicht der Person auferlegt, die aus echter Sorge um das Kind dem Familiengericht einen Sachverhalt zur Prüfung der Verfahrenseinleitung unterbreitet. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken des Kinderschutzes und der gesetzlichen Ausgestaltung des § 1666er-Verfahrens als Amtsverfahren nach § 24 FamFG. Die Auferlegung von Kosten auf die anregende Person setzt grobes Verschulden voraus und kann daher nur in seltenen Ausnahmefällen zum Tragen kommen. Im Regelfall wird daher bei einer Anregung nach § 24 FamFG das Familiengericht von selbst tätig, ohne dass der Anregende Kosten zu verauslagen hätte. Anders dagegen das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Selbst in Eilverfahren werden Verwaltungsgerichte nur tätig, wenn von dem Kläger oder Antragenden entsprechende Kosten verauslagt wurden. Zwar gibt es vor den Verwaltungsgerichten auch die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO. Um Prozesskostenhilfe zu erhalten, ist jedoch immer ein umfangreiches Formular auszufüllen, das über die Vermögensverhältnisse Auskunft gibt. Dieser doch erhebliche bürokratische Aufwand entfällt im Verfahren nach § 24 FamFG vor dem Familiengericht. Ein weiterer Unterschied zum Familienverfahren besteht darin, dass vor dem Familiengericht kein besonderer Antrag vorausgesetzt wird und das Familiengericht bei jeglicher Anregung – oder sogar ohne Anregung bei lediglich eigener Kenntniserlangung von Amts wegen –, wenn es die Schwelle zur Kindeswohlgefährdung überschritten sieht, tätig werden muss (§ 1666 I BGB: „[…] so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen […]“ – Hervorhebung durch Verf.). Dagegen ist für ein Tätigwerden der Verwaltungsgerichte ein formeller Antrag Voraussetzung. In den meisten Fällen nehmen sich Betroffene daher einen Rechtsbeistand.

Die Tatsache, dass die Verwaltungsgerichte nur nach Einzahlung eines entsprechenden Kostenvorschusses oder bei Prozesskostenhilfe nach Ausfüllen eines umfangreichen Formulars zu den Vermögensverhältnissen tätig werden, während das Familiengericht im § 1666er-Verfahren ohne Kostenvorschuss von Amts wegen oder ohne formellen Antrag schon aufgrund einer Anregung tätig werden muss, zeigt deutlich, dass das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten mit höheren bürokratischen (und finanziellen) Hürden verbunden ist. Dieser zusätzliche Aufwand vor dem Verwaltungsgericht wird Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention nicht gerecht, da dieser ein möglichst unbürokratisches Verfahren bei der Möglichkeit einer Kindeswohlgefährdung fordert.

Die von Gietl (vgl. NZFam 2022, 63) vertretene Ansicht, wonach es dem Gesetzgeber bei § 1666 IV BGB lediglich darum gegangen sei, dass das Familiengericht die Möglichkeit bekomme, gegen Kindeswohl gefährdende Dritte vorzugehen, ohne den Umweg über das Zivilrecht zu machen (vgl. BT-Drs. 8/2788, 59; vgl. OLG Frankfurt a.M. COVuR 2021, 654), lässt ebenfalls außer Betracht, dass § 1666 IV BGB auch Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention umsetzt. Bei den Verwaltungsgerichten herrscht zwar der Amtsermittlungsgrundsatz, jedoch wird dort weder das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt noch handelt es sich um ein gegenüber dem § 1666er-Verfahren vor dem Familiengericht unbürokratisches Verfahren. Denn das Verwaltungsgericht wird auch in Eilverfahren erst nach Einzahlung eines Kostenvorschusses bzw. bei Prozesskostenhilfe nach Ausfüllen eines umfangreichen Formulars zu den Vermögensverhältnissen und nur aufgrund eines formellen Antrags tätig.

Ein weiterer Aspekt, den der BGH außer Betracht lässt, ist die Vorschrift des § 1837 BGB. Dass das Familiengericht Maßnahmen nach § 1666 BGB grundsätzlich auch gegenüber einer Person ergreifen kann, welche eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, ergibt sich auch aus § 1837 BGB. Gemäß § 1837 IV BGB gilt § 1666 BGB im Verhältnis zum Vormund entsprechend. Eine Privilegierung des in öffentlicher Funktion handelnden Vormundes ist in § 1837 III BGB lediglich hinsichtlich der Festsetzung eines Zwangsgeldes vorgesehen, indem es heißt: „Das Familiengericht kann den Vormund und den Gegenvormund zur Befolgung seiner Anordnungen durch Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. Gegen das Jugendamt oder einen Verein wird kein Zwangsgeld festgesetzt.“ Grund für diese Privilegierung ist ausweislich der Gesetzesbegründung, dass die Festsetzung eines Zwangsgeldes „mit der Stellung auch des Behördenbetreuers, der die Betreuung in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe ausübt, nicht zu vereinbaren“ wäre (BT-Drs. 11/4528). Jedenfalls ist von dieser Privilegierung ausdrücklich nur die Vollstreckung einer familiengerichtlichen Maßnahme betroffen und nicht die familiengerichtliche Anordnung an sich.

Hierzu wird auf den Aufsatz von KRiStA „Corona-Maßnahmen vor dem Familiengericht – eine ungewöhnliche Entwicklung“, der diese Thematik eingehender behandelt, verwiesen. Ergebnis jenes Aufsatzes ist, dass – anders als der BGH in seiner Entscheidung meint – aus der fehlenden Kompetenz des Familiengerichts zu Anordnungen gegenüber dem Jugendamt im Rahmen der Verantwortungsgemeinschaft nicht auf eine fehlende Kompetenz des Familiengerichts zur Anordnung gegenüber einem in öffentlicher Funktion tätigen Dritten geschlossen werden kann.

3.    Gefährdung des Kindeswohls durch Maskentragen in der Schule

Der Frage, ob durch das Maskentragen in der Schule das Kindeswohl gefährdet sein kann, hat sich der BGH nicht gewidmet. Dies ist formaljuristisch korrekt, da beim BGH nur die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde bezüglich der Rechtswegzuständigkeit nach § 17a IV 5 GVG anhängig war. Von der sich anbietenden Möglichkeit, im Rahmen eines obiter dictums hierzu Stellung zu nehmen, hat der BGH trotz der für Millionen von Kindern dringenden Relevanz keinen Gebrauch gemacht. Dies ist bedauerlich, zumal der BGH des Öfteren durchaus auch zu relativ unbedeutenden Fragen beiläufig Stellung nimmt.

Für viele, die sich mit der BGH-Entscheidung nicht eingehender befasst haben, entstand aber der Eindruck, dass der BGH mit dieser Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Maskentragens in Schulen befunden hätte. Dies trifft nicht zu.

Die Frage, ob Maskentragen in Schulen gesundheitsschädlich und damit das Kindeswohl gefährdet ist, drängt sich weiterhin aus nachfolgenden Gründen auf: Erstens lagen dem Beschluss des AG Weimar vom 09.04.2021 drei gerichtliche Sachverständigengutachten zugrunde, wovon zwei Gutachten die Nutzlosigkeit und Schädlichkeit des Maskentragens darlegten. Zweitens richtete das AG Weimar einen Fragenkatalog an die im Verfahren beteiligten Ministerien für Bildung und Gesundheit. Die Fragen wurden innerhalb der gesetzten Frist nicht beantwortet (vgl. AG Weimar vom 09.04.2021, Az. 9 F 148/21, juris, Rn. 145 – 151). Gefragt wurde unter anderem, ob die physischen und psychischen Auswirkungen des Maskentragens bei Kindern untersucht wurden bzw. die Unbedenklichkeit des Maskentragens bei Kindern durch Studien oder wissenschaftliche Quellen belegt werden könne. Das Schweigen der Ministerien des Freistaats Thüringen zur Frage einer Unbedenklichkeitsprüfung von Masken sollte gerade hierzulande aufhorchen lassen, da in Deutschland bereits jedes Spielzeug TÜV-geprüft sein muss.

Daher wird hier im Rahmen eines Exkurses auf die Fragen eingegangen, ob das Maskentragen gesundheitsschädlich ist und ob durch das Maskentragen an Schulen das Infektionsgeschehen reduziert werden kann:

Bereits lange vor Corona war bekannt und wissenschaftlich belegt, dass das Maskentragen Gesundheitsschäden hervorrufen kann. So zeigte eine Dissertation von Ulrike Butz aus dem Jahr 2005 zur Rückatmung von CO2 bei Verwendung von OP-Masken als hygienischem Mundschutz an medizinischem Personal eine verstärkte Rückatmung von Kohlenstoffdioxid und einen signifikanten Anstieg von CO2 im Blut. Da Hyperkapnie verschiedene Hirnfunktionen einschränken kann, rief diese Dissertation die Hersteller von chirurgischen Operationsmasken dazu auf, Filtermaterialien mit höherer Permeabilität für Kohlenstoffdioxid zu verwenden.

Eine Studie von Beder et al. aus dem Jahr 2008 ergab, „dass Chirurgen nach Operationen, die sogar nur 30 Minuten dauerten, eine verminderte Sauerstoffsättigung hatten. Auch mit Beginn der Corona-Pandemie hat sich nichts an der Einschätzung geändert, dass das Maskentragen gesundheitsschädlich ist. So zeigte eine im April 2021 veröffentlichte Metastudie nach Auswertung von 65 Studien gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das Maskentragen. Die Auswertung zeigte Veränderungen in der Atmungsphysiologie von Maskenträgern mit einem gehäuften gemeinsamen Auftreten von Atmungsbeeinträchtigungen und einem Abfall der Sauerstoffsättigung (67 %), N95-Maske und CO2-Anstieg (82 %), N95-Maske und Abfall der Sauerstoffsättigung (72 %), N95-Maske und Kopfschmerzen (60 %), Beeinträchtigung der Atmung und Temperaturanstieg (88 %), aber auch Temperaturanstieg und Feuchtigkeit (100 %) unter den Masken. Ein längeres Maskentragen in der Bevölkerung könnte in vielen medizinischen Bereichen zu relevanten Effekten und Folgen führen, so die Wissenschaftler.

Daneben war allgemein bekannt, dass in Schweden auch während der Corona-Pandemie keine Maskenpflicht an Schulen bestand. Die schwedischen Schüler mussten zu keinem Zeitpunkt Masken tragen, ohne dass sich in Schweden die Schulen zu Hotspots entwickelt hätten und ohne dass es dort zu einem erhöhten Sterbegeschehen gekommen wäre. Zwischenzeitlich verzeichnet Schweden sogar weniger Corona-Tote als Deutschland. Auch in einigen US-Bundesstaaten wurde bereits im Frühjahr 2021 die Maskenpflicht an Schulen aufgehoben, ohne dass sich dort die Corona-Lage gegenüber den US-Staaten mit Maskenpflicht in der Schule verschlechtert hätte. Im Gegenteil: Es zeigte sich kein Unterschied zwischen den US-Staaten mit Maskenpflicht und denen ohne Maskenpflicht im Hinblick auf das Corona-Infektionsgeschehen. Das Gleiche gilt für etliche afrikanische Staaten, die in Schulen schon seit Längerem auf Masken verzichten.

Aufgrund der Tatsache, dass es bereits vor Corona wissenschaftliche Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung von Masken gab und der Tatsache, dass andere Länder wie Schweden, einige US-Bundesstaaten und etliche afrikanische Länder ohne eine Maskenpflicht in Schulen durch die Pandemie kommen bzw. kamen, waren die Ergebnisse der gerichtlichen Sachverständigengutachten von Kappstein und Kuhbandner nicht abwegig, sondern deckten sich mit den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Erfahrungen aus der Praxis. Kappstein nimmt in ihrem Gutachten auf 150 wissenschaftliche Quellen Bezug. Kuhbandner wertet in seinem Gutachten 96 wissenschaftliche Quellen aus. Kappstein setzt sich in ihrem Gutachten ausführlich mit der Gegenposition auseinander und berücksichtigt alle vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen, die einen Nutzen von Masken sehen, insbesondere solche des RKI, der WHO, des CDC und des ECDC.

Kappstein kommt zu dem Ergebnis, dass es keine tragfähigen Belege dafür gibt, dass Gesichtsmasken unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko durch SARS-CoV-2 nennenswert oder sogar überhaupt senken können (vgl. Rn. 682).

Kuhbandner kommt zusammenfassend zu einem gleichen Ergebnis wie Kappstein (Rn. 1017), nämlich, dass es bisher keine hochwertige wissenschaftliche Evidenz dafür gibt, dass durch das Tragen von Gesichtsmasken das Infektionsrisiko nennenswert gesenkt werden kann.

Bei seinen Ausführungen zu Gesundheitsschäden durch das Maskentragen (Rn. 1021 – 1142) nimmt Kuhbandner Bezug auf die Empfehlung der WHO vom 01.12.2020, auf eine Publikation in der Fachzeitschrift Medical Hypothesis vom Januar 2021, auf eine Veröffentlichung im British Medical Journal vom August 2020 hinsichtlich der psychischen, biologischen und immunologischen Risiken speziell für Kinder und Schüler und auf die Monatsschrift Kinderheilkunde. In letzterer Publikation wurden verschiedene Beschwerden aufgezählt: Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Unwohlsein, Beeinträchtigung beim Lernen, Benommenheit/Müdigkeit, Schwindel, Augenflimmern, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, trockener Hals, Übelkeit etc. Im Weiteren werden im Gutachten Schäden wie Munderkrankungen und Verformung der Ohrmuschel thematisiert. Das Maskentragen führe in psychischer Hinsicht zu einer Einschränkung der nonverbalen Kommunikation, negativer Verzerrung des emotionalen Erlebens und Beeinträchtigung der Empathie. Darüber hinaus bestehe die Gefahr der Diskriminierung (Rn. 1116) und des Auslösens und Aufrechterhaltens von entwicklungspsychologisch unangemessenen Ängsten (Rn. 1122).

Folglich kann nach den gerichtlichen Sachverständigengutachten von Kuhbandner und Kappstein ein Nutzen von Masken in Schulen zur Reduzierung des Infektionsrisikos nicht bejaht werden. Nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Kuhbandner führt das Maskentragen bei Schülern zu Schäden physischer, psychischer und pädagogischer Art (Rn. 1142). Kuhbandner führt auch aus (Rn. 1144), dass es keine randomisierten Studien zu langanhaltendem Maskentragen bei Kindern gibt.

Eine Kindeswohlgefährdung durch das Maskentragen in Schulen ist nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Kuhbandner zu bejahen. Umso bedauerlicher ist es, dass sich ein Anstieg von psychischen Erkrankungen bei Kindern bereits manifestiert hat. So hat sich die Anzahl der Suizidversuche bei Kindern fast verdreifacht und laut einer Studie der Universität Krems wiesen 62 % der Mädchen und 38 % der Jungen eine mittelgradige depressive Symptomatik auf. Natürlich kann hier nicht gesagt werden, inwieweit speziell das Maskentragen für die psychische Erkrankung der Kinder ursächlich war. Solange aber eine Mitursächlichkeit des Maskentragens an dem Anstieg der psychischen Erkrankungen bei Kindern nicht ausgeschlossen werden kann, ist zum Wohle der Kinder von einer Maskenpflicht abzusehen. Die Nutzlosigkeit und Schädlichkeit von Masken, gerade in Bezug auf Kinder, wird in letzter Zeit vermehrt von Wissenschaftlern angemahnt.

4.    Fazit

Dass in einem § 24 FamFG-Verfahren nach § 1666 BGB eine Vorabentscheidung nach § 17a III 2 GVG durchgeführt werden muss, erscheint unter Berücksichtigung der bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung, des Gesetzeswortlauts von § 57 S. 1 FamFG und der Tatsache, dass sogar laut BGH eine Rechtswegverweisung vom Familiengericht ans Verwaltungsgericht nicht möglich ist, rechtlich zumindest fragwürdig.

Schulen bzw. Schulleiter als „Dritte“ im Sinne von § 1666 IV BGB einzuordnen, erscheint angesichts der Entscheidung des AG Kassel vom 19.04.1996 sowie der Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention in Art. 3 und aufgrund der Vorschrift des § 1837 BGB rechtlich nicht nur gut vertretbar, sondern als die sogar vorzugswürdige Rechtsauffassung. Dass „Dritte“ im Sinne von § 1666 IV BGB auch Akteure der öffentlichen Hand sein können, war bislang – soweit ersichtlich – nahezu unbestrittene Meinung in der Kommentarliteratur.

Der BGH hat sich den Fragen, ob das Maskentragen in Schulen gesundheitsschädlich ist und das Infektionsgeschehen reduziert, nicht gewidmet und musste sich diesen Fragen aus formaljuristischen Gesichtspunkten auch nicht stellen. Allerdings wäre eine Beschäftigung mit diesen Sachfragen angesichts der dringenden Relevanz für Millionen von Kindern wünschenswert gewesen. Denn ausweislich der Gutachten von Kuhbandner und Kappstein, welche beide im vom BGH überprüften Beschluss des AG Weimar vollständig abgedruckt waren, reduziert das Maskentragen in Schulen das Infektionsgeschehen nicht. Kuhbandner hält in seinem Gutachten fest, dass das Maskentragen für Kinder gesundheitsschädlich ist.

Der Beschluss des BGH vom 03.11.2021 (Az. XII ZB 289/21) bleibt damit – auch ungeachtet des vorgenannten Punktes – hinter den an eine höchstrichterliche Entscheidung zu stellenden Erwartungen zurück, weil er sich mit den im Verfahren aufgeworfenen wesentlichen Rechtsfragen in erheblichen Teilen nur oberflächlich oder gar nicht auseinandersetzt.