„Die Menschen dieses Landes sind keine Untertanen.“ – Hans-Jürgen Papier

Symposium 16.11.2024 in Halle (Saale)

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist laut Bundesverfassungsgericht eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt und für die freiheitliche Demokratie „schlechthin konstituierend“. Wenn das stimmt – und wer wollte dem Bundesverfassungsgericht hier widersprechen? – steht es nicht gut um die Demokratie. Denn die Meinungsfreiheit ist von vielen Seiten bedroht. Videos bei YouTube und Posts bei anderen Online-Plattformen mit kritischen Inhalten werden gelöscht. Vorträge von Wissenschaftlern an Universitäten werden von Aktivisten sabotiert oder ganz verhindert. Wissenschaftliche Forschung dazu, wie politisch erwünschte Überzeugungen durch psychologische Manipulation in der Bevölkerung verankert werden können, wird dagegen staatlich gefördert und finanziert. Das Onlinemagazin, das die Veröffentlichung der Protokolle des RKI-Krisenstabes gerichtlich erstritten hat, wird von einer Landesmedienanstalt wegen angeblicher Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht bei Interviews angegriffen. Ein Twitter-Nutzer, der eine Liste mit öffentlichen Äußerungen bekannter Personen aus der Corona-Zeit postet, wird strafrechtlich verfolgt. X wird in Brasilien gesperrt und in Deutschland finden sich Politiker, die das begrüßen und die Möglichkeit einer Sperrung auch hier in den Raum stellen. Faktenchecker, die nie die Regierung, sondern immer nur ihre Kritiker checken, versuchen, alternative Sichtweisen und Meinungen aus dem öffentlichen Diskursraum zu verbannen. Und wer Politiker und politische Institutionen aus Sicht des Verfassungsschutzes überzogen kritisiert, läuft Gefahr, wegen „Delegitimierung des Staates“ zum Beobachtungsfall des Verfassungsschutzes zu werden.

Die Liste der Beispiele könnte beliebig verlängert werden. Wen wundert da noch, dass bei einer Studie des Allensbach Instituts 2023 nur noch 40 Prozent der Befragten angaben, dass sie ihre politische Meinung frei äußern können – der niedrigste Wert seit Beginn der Befragungen zum Meinungsklima. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in dem berühmten Lüth-Urteil von 1958 (Rn. 31), dass „die ständige geistige Auseinandersetzung“ und der „Kampf der Meinungen“ das „Lebenselement“ der Demokratie sei, wirkt inzwischen geradezu aus der Zeit gefallen. Kein Zweifel: Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr. Wem die freiheitliche Demokratie am Herzen liegt, der sollte jetzt für die Meinungsfreiheit streiten.

Das dritte Symposium des Netzwerks Kritische Richter und Staatsanwälte n. e. V., das am Samstag, 16. November 2024, im Volkspark Halle (Saale) stattfindet, will dazu einen Beitrag leisten.


Nachfolgend präsentieren wir Ihnen die Mitschnitte der Vorträge von Prof. Dr. Rupert Scholz, Prof. Dr. Katrin Gierhake und Prof. Dr. Bernd Stegemann auf unserem Symposium am 16.11.2024 in Halle (Saale). Für den Vortrag von Dr. Jonas Tögel haben wir bedauerlicherweise nicht die Zustimmung des Referenten zur Veröffentlichung des Videos erhalten.


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Prof. Dr. Rupert Scholz, Professor emeritus der Universität München (Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften), von 1981 bis 1988 Senator in Berlin, 1988 bis 1989 Bundesverteidigungsminister. Von 1990 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages, 1998 bis 2002 Vorsitzender des Rechtsausschusses. Rupert Scholz ist einer der bekanntesten Staatsrechtler Deutschlands, Mitherausgeber und -autor des führenden Kommentars zum Grundgesetz Dürig/Herzog/Scholz. Er hat sich in jüngster Zeit in der Öffentlichkeit wiederholt zu Fragen der Meinungsfreiheit zu Wort gemeldet, z. B. hier, hier und hier.


Prof. Dr. Rupert Scholz: Meinungsfreiheit – ein Grundrecht in Gefahr?

Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M., Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Regensburg. Prof. Gierhake ist in der Corona-Krise einem breiteren Publikum durch Interviews, z. B. mit Gunnar Kaiser und bei „Alles auf den Tisch“ und durch ihre Beteiligung an der Wissenschaftlergruppe
7argumente bekannt geworden. Daneben hat sie in Fachzeitschriften Artikel zu rechtlichen Fragen der Krise veröffentlicht (z. B. „Ist das Recht suspendiert worden?“, Zeitschrift für Rechtsphilosophie, und gemeinsam mit Carlos A. Gebauer, „Ärztliche Aufklärung bei Behandlungen mit bedingt zugelassenen mRNA-Impfarzneien“, Neue Juristische Wochenschrift).


Prof. Dr. Katrin Gierhake, LL.M.: Mündigkeit, Publizität und das Strafrecht

Prof. Dr. Bernd Stegemann, Professor für Theatergeschichte und Dramaturgie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin, Autor einer Vielzahl von Büchern zu gesellschaftspolitischen Themen und zum Theater. Zuletzt sind von ihm der Essay „Identitätspolitik“ (Matthes & Seitz, Berlin 2023) und „Was vom Glauben bleibt. Wege aus der atheistischen Apokalypse“ (Klett-Cotta, Stuttgart 2024) erschienen. Prof. Stegemann schreibt regelmäßig im Magazin Cicero, z. B. hier und hier.


Prof. Dr. Bernd Stegemann: Identitätspolitik als Treiber autoritärer Entwicklungen

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