Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16. Juli 2025. Entwurf eines Gesetzes zu den Änderungen vom 1. Juni 2024 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV) vom 23. Mai 2005
Dr. jur. Beate Sibylle Pfeil*Die Autorin ist selbständige Wissenschaftlerin und ehemalige Europarat-Sachverständige mit den Forschungsschwerpunkten Menschenrechte, Rechte nationaler Minderheiten in Europa im Kontext von Völkerrecht, Staats- und Verfassungsrecht. Ihre Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss des Bundestages veröffentlichen wir in einer durch die KRiStA-Redaktion lektorierten Fassung.

Inhalt
1. Einleitung
Die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der WHO vom 23.05.2005 sind ein multilateraler Völkerrechtsvertrag, dem durch die Art. 21 und 22 der WHO-Verfassung eine Sonderstellung eingeräumt wurde.
Der Sonderstatus der IGV zeigt sich u. a. daran, dass durch die Weltgesundheitsversammlung beschlossene Änderungen der IGV nach Ablauf einer bestimmten Frist völkerrechtlich automatisch in Kraft treten – es sei denn, die betreffenden Vertragsstaaten erklären innerhalb einer bestimmten Frist ausdrücklich ihre Ablehnung dieser Änderungen (Art. 22 WHO-Verfassung, Art. 59.1 und 59.2 IGV). Demgemäß ist also die Nichtreaktion bzw. das Schweigen der IGV-Vertragsstaaten innerhalb einer bestimmten Frist als Annahme zu werten, diese erzeugt die völkerrechtliche Bindungswirkung. Beide Fristen – jene für das Inkrafttreten und jene für einen Widerspruch – beginnen ab der sog. Notifikation zu laufen, d. h. ab der offiziellen Bekanntgabe der Annahme (Verabschiedung) durch den WHO-Generaldirektor gegenüber den IGV-Vertragsstaaten.1Neben den aktuell 194 WHO-Mitgliedstaaten sind auch Liechtenstein und der Vatikan Vertragsstaaten der IGV.
Im Falle der am 01.06.2024 durch die Weltgesundheitsversammlung verabschiedeten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften ist die Notifikation am 19.09.2024 erfolgt (WHO Notification 2024). Die in Art. 59.1 und Art. 59.2 IGV vorgesehenen Fristen für einen Widerspruch gegen IGV-Änderungen und für deren Inkrafttreten wurden 2022 durch die Weltgesundheitsversammlung von 18 auf 10 bzw. von 24 auf 12 Monate verkürzt. Die IGV-Änderungen vom 01.06.2024 sind somit am 19.09.2025 für alle diejenigen IGV-Vertragsstaaten völkerrechtlich automatisch in Kraft getreten, die diesen Änderungen nicht bis 19.07.2025 ausdrücklich widersprochen haben. Eine Ausnahme gilt für jene vier Staaten, die den IGV-Änderungen und damit den Fristverkürzungen von 2022 widersprochen haben (Niederlande, Slowakei, Iran, Neuseeland), für diese Staaten gelten die längeren Fristen (Widerspruchsmöglichkeit bis 19.03.2026, Inkrafttreten ggf. am 19.09.2026).
2. Die Ausgangslage in Deutschland
Um in Deutschland innerstaatlich wirksam werden zu können, bedürfen die 2024 geänderten IGV der Zustimmung des Bundestages in Form eines Bundesgesetzes:
Die Begründung zu Artikel 1 des o. g. Regierungsentwurfs für ein Vertragsgesetz (Zustimmungsgesetz) zu den IGV-Änderungen führt zutreffend aus, dass hier Art. 59.2 Satz 1 Grundgesetz (GG) anwendbar ist, da sich die Änderungen auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen. Ebenso zutreffend ist in der Begründung angeführt, dass es sich bei den 2024 eingeführten IGV-Neuerungen um grundlegende Änderungen handelt. Es geht also nicht nur um technische Details, für deren innerstaatliche Umsetzung gemäß Art. 4.2 des Gesetzes vom 20.07.2007 (dem Zustimmungsgesetz zu den 2005 neu eingeführten IGV) eine Rechtsverordnung genügt hätte.
Zutreffend ist schließlich auch, dass dieses Gesetz gemäß Art. 84.1 Satz 6 GG der Zustimmung des Bundesrates bedarf, weil die IGV-Änderungen Regelungen des Verwaltungsverfahrens enthalten, die sich auch an die Länder richten.
Der o. g. Regierungsentwurf für ein Zustimmungsgesetz zu den IGV-Änderungen datiert vom 16.07.2025, wurde also erst drei Tage vor Ablauf der Widerspruchsfrist (19.07.2025) durch das Bundeskabinett verabschiedet (Bundesregierung 2025). Damit war klar, dass das entsprechende Gesetzgebungsverfahren nicht mehr vor Ablauf der Widerspruchsfrist hätte abgeschlossen werden können.
Um die Regel, wonach parlamentarische Zustimmungen vor Eintritt der völkerrechtlichen Bindungswirkung einzuholen sind (Stein/von Buttlar/Kotzur 2024, § 5 Rz. 11)2Eine nachträgliche Zustimmung von Bundestag und Bundesrat wäre „nach überwiegender Auffassung der Staatsrechtslehre verfassungsrechtlich nicht möglich“ gewesen, vgl. Wissenschaftlicher Dienst 2024, S. 1., nicht zu verletzen, hat Deutschland am 14.07.2025 dem WHO-Generaldirektor die Ablehnung der IGV-Änderungen von 2024 notifiziert (WHO IHR 2025, S. 85). Als Begründung wurde folgerichtig angeführt, dass „die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzungen der Änderungen nicht vor dem 19.09.2025 geschaffen werden können“, da „der erforderliche Gesetzgebungsprozess noch nicht abgeschlossen“ ist. (WHO IHR 2025, S. 85). Zugleich hat Deutschland bereits angekündigt, dass es gemäß Art. 63.1 IGV „dem Generaldirektor den Widerruf der Ablehnung mitteilen“ wird, „sobald die nationalen Voraussetzungen für die Umsetzung der Änderungen erfüllt sind“ (WHO IHR 2025, S. 85).
Die Bundesregierung geht demnach davon aus, dass Bundestag und Bundesrat den o. g. Entwurf für ein IGV-Zustimmungsgesetz verabschieden werden. Der Gesetzesentwurf sieht in Artikel 1 die Zustimmung zu den IGV-Änderungen von 2024 vor, Artikel 3 regelt das Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes.
Im Folgenden eine Stellungnahme zum o. g. Gesetzesentwurf für ein IGV-Zustimmungsgesetz insbesondere aus der Perspektive des deutschen Verfassungsrechts, dies ganz bewusst unter Heranziehung von Stimmen und Positionen, die nach Überzeugung der Verfasserin bisher zu wenig öffentlich geworden sind.
3. Die WHO – Konzept, Anspruch und Wirklichkeit seit 1948
Deutschland ist der WHO kurz nach ihrer Gründung 1948 beigetreten und ist Vertragspartei der IGV vom 23.05.2005 (zuletzt geändert am 28.05.2022).
Die WHO verfolgt eine im Kern sinnvolle Zielsetzung. Ihrer Verfassung nach geht es darum,
- „allen Völkern zur Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu verhelfen“ (Zweck, Art. 1 WHO-Verfassung) und
- dabei als „leitende und koordinierende Stelle“ zu fungieren, die ihren Mitgliedstaaten in Gesundheitsfragen – einschließlich der „Unterdrückung epidemischer, endemischer und anderer Krankheiten“ – mit Rat und Tat zur Seite steht (Aufgaben, siehe dazu die in Art. 2 WHO-Verfassung aufgeführte Aufgabenliste).
Insbesondere in Bezug auf Krankheiten mit epidemischem und somit auch grenzüberschreitendem Potenzial kann die Existenz einer international – und falls nötig auch weltweit – koordinierenden (Staaten-)Vereinigung sinnvoll sein, soweit dadurch die Gesundheitssysteme der WHO-Mitgliedstaaten unterstützt und unter Wahrung nationaler Zuständigkeiten ergänzt werden.
Eine solche Staatenvereinigung bedarf einer Struktur, durch welche die in Gesundheitsfragen elementar notwendige Objektivität und Unabhängigkeit ihres Handelns gewährleistet wird, was wiederum zwingend ein gehöriges Maß an Transparenz voraussetzt.
Unstreitig dürfte sein, dass die WHO in ihren Anfangsjahrzehnten sinnvolle Aktivitäten zur Stärkung der Gesundheitsversorgung insbesondere in ärmeren Ländern entfaltet hat, u. a. durch die Errichtung oder Verbesserung sanitärer Einrichtungen, und dabei ihrer verfassungsgemäßen Zielsetzung und den damit verbundenen Ansprüchen gerecht geworden ist.
Inzwischen leidet die WHO allerdings an fundamentalen Strukturfehlern. Diese Strukturfehler haben sich nachweislich ab Mitte der 1990er Jahre „eingeschlichen“. Ursprünglich wurde der weit überwiegende Teil des WHO-Budgets aus den Pflichtbeiträgen der WHO-Mitgliedstaaten (Mitgliedsbeiträgen) bestritten. Mit dem Einfrieren dieser Pflichtbeiträge im Jahr 1993 begann die Phase einer immer weiter steigenden Spendenabhängigkeit der WHO (Deutscher Bundestag 2023, S. 2, vgl. auch DGVN 2025). In der Folge haben sich Regularien und Praxis der WHO in eine Richtung verändert, die geeignet ist, sowohl die Objektivität und Unabhängigkeit als auch die Transparenz des WHO-Handelns in Frage zu stellen.
Auch in Bezug auf Deutschland führt dies zunächst zur Frage, ob das aktuell vorherrschende Vertrauen in die (WHO-)verfassungsgemäße Aufgabenerfüllung der WHO immer noch gerechtfertigt ist. Die Beantwortung dieser Frage (siehe dazu die folgenden Kapitel 4-6) liefert erst den Gesamtkontext, der für eine fundierte und umfassende Bewertung der 2024 geänderten IGV und des dazugehörigen deutschen Zustimmungsgesetzes unerlässlich ist.
Im Folgenden ein kurzer Abriss der drei wichtigsten strukturellen Problematiken der WHO, die sämtlich im deutschen Zustimmungsgesetz nicht angesprochen sind.
4. Strukturproblem Nr. 1: Die Abhängigkeit der WHO von meist zweckgebundenen Spenden
4.1 Die Spendenabhängigkeit der WHO
Die aktuelle Spendenabhängigkeit der WHO zeigt sich daran, dass der Anteil der Pflichtbeiträge („Assessed Contributions“) am WHO-Gesamthaushalt in den letzten Jahren auf um die 10% gesunken ist. Für das Haushaltsjahr 2024/2025 ist dieser nur noch mit 9,6 % angesetzt. Die Pflichtbeiträge fallen unter die sog. flexiblen Fonds, deren Anteil sich auf insgesamt 21,7 % beläuft.3Gesamtbudget 2024/25: 9.213.865.000 USD. Zum Vergleich. Im Haushaltsjahr 2020/21 lag der Anteil der Pflichtbeiträge bei 10,2 %, jener der flexiblen Fonds insgesamt bei 16,5 %. Im Haushaltsjahr 2022/23 erreichten die Pflichtbeiträge 9,2 % des Gesamtbudgets, die flexiblen Fonds insgesamt 17,6 %. Zum Ganzen WHO Financing 2025. Aktuell ist die WHO somit zu fast 80 % von freiwilligen Spenden abhängig, die entweder
- von Mitgliedstaaten oder
- von staatlichen Organisationen (z. B. UN-Sonderorganisationen, EU-Kommission) und NGOs, darunter v. a. privaten Stiftungen sowie Banken, Instituten und nicht zuletzt (Pharma-)Firmen entrichtet werden.
4.2 Die Rolle Deutschlands als WHO-Sponsor
Von den Staaten, die nicht nur ihre Pflichtbeiträge bezahlen, sondern zusätzlich freiwillig an die WHO spenden, nimmt Deutschland nach wie vor einen führenden Rang ein. Laut Bundesgesundheitsministerium beläuft sich der aktuelle, den Pflichtbeitrag einschließende Betrag auf 317 Mio. USD. Deutschland trägt somit stattliche 3,4% des Gesamtbudgets 2024/25 der WHO (BMG 2025). Hinzu kommen gelegentlich weitere Beträge. So hat Deutschland z. B. für das 2021 in Berlin errichtete Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence der WHO 30 Mio. Euro (etwa 35,2 Mio. USD) Anschubfinanzierung geleistet (Health Capital 2021).
4.3 Die Abhängigkeit der WHO von zweckgebundenen Spenden. Wer spendet?
Das Problem der allgemeinen Spendenabhängigkeit der WHO vertieft sich dadurch, dass der überwiegende Teil der Spenden, aktuell 64,1 % des Gesamtbudgets, mit einer Zweckbindung verknüpft ist („Voluntary Contributions Specified“, WHO Financing 2025). In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse einer neueren australischen Studie von Interesse (AMPS 2025). Diese hat die Top 100 der auf der WHO-Homepage aufgelisteten „zweckgebundenen Spender“ im Budgetjahr 2022/23 durchleuchtet. Von der Untersuchung ausgenommen waren zweckgebundene Spenden von WHO-Mitgliedstaaten. Das Ergebnis:
„Die Mehrheit der 100 größten WHO-Spender mit Zweckbindung waren Pharmaunternehmen oder standen in Verbindung mit pharmazeutischen Interessen.[…] Spender hatten die Möglichkeit, Einfluss auf die Aktivitäten der WHO zu nehmen, wodurch die Pharmaindustrie einen erheblichen Einfluss auf die globale Gesundheit gewann“ (AMPS 2025, S. 4 und 5).
Vor diesem Hintergrund sind die Spender mit Zweckbindung von besonderem Interesse. Unter diesen befinden sich insgesamt 8 Pharmaunternehmen. Im Übrigen unterteilt die Studie die Spender nach den folgenden Kategorien (AMPS 2025, S. 6):
- 58 „Organisationen“, darunter Stiftungen, Wohltätigkeitsorganisationen, Vereine und andere. Hier finden sich die beiden größten Spender aus den Top 100, die Bill and Melinda Gates-Stiftung und die von der Gates-Stiftung mitfinanzierte Impfallianz GAVI, eine öffentlich-private Partnerschaft (engl. Public-Private Partnership), die neben der WHO und der Gates-Stiftung u. a. UNICEF, die Weltbank sowie Impfstoffhersteller, NGOs und Forschungseinrichtungen unter ihrem Dach vereint.
- 15 UN-Agenturen, darunter auch das Kinderhilfswerk UNICEF,
- 4 Banken: die Weltbank, die Europäische Investitionsbank, die Afrikanische Entwicklungsbankgruppe und die Asiatische Entwicklungsbank,
- 4 Bildungs-/Forschungseinrichtungen, darunter eine deutsche Bundesoberbehörde, das Robert-Koch-Institut,
- 7 Regionalverwaltungen, u. a. jene von Katalonien (Spanien) und Flandern (Belgien),
- 2 nicht-pharmazeutische Unternehmen sowie
- die Europäische Kommission und das u. a. mit Pharmakovigilanz befasste WHO-Kooperationszentrum Uppsala Monitoring Centre.
4.4 Personelle und institutionelle Verflechtungen zwischen der WHO und ihren „Zweck-Sponsoren“
Zwischen der WHO und ihren „Sponsoren mit Zweckbindung“ gibt es personelle und institutionelle Verflechtungen.
- Die australische Studie legt offen, dass einige der Geldgeber sich Personal auf höchster Verwaltungs- oder Führungsebene geteilt haben (AMPS 2025, S. 24). Dies gilt darüber hinaus auch direkt für das WHO-Personal und die WHO-Experten, für welche die unabhängige Informationsplattform „Dialog Globale Gesundheit“ (Dialog Globale Gesundheit 2025) ein „Personenkarussell“ zwischen der WHO, der Gates-Stiftung und der Impfallianz GAVI nachgewiesen hat. Hieraus ergeben sich massive, zunächst persönliche Interessenkonflikte.
- Hinzu kommen quasi institutionalisierte Interessenkonflikte durch die offenkundigen Verflechtungen zwischen „Öffentlich“ (z. B. WHO, Staaten) und „Privat“. Dies gilt vor allem für die sog. öffentlich-privaten Partnerschaften (engl. Public-Private Partnerships, PPPs). Dabei handelt es sich um vertraglich geregelte Zusammenschlüsse von „öffentlichen“ Behörden – z. B. staatlichen und/oder solchen von Regierungsorganisationen wie der WHO – mit privaten Unternehmen zu einem bestimmten Zweck. Die bereits erwähnte Impfallianz GAVI, einer der Hauptsponsoren der WHO, liefert hier ein anschauliches Beispiel. Ein Grundproblem dieser PPP-Strukturen liegt darin, dass Unternehmen von Haus aus zur Gewinnerzielung, Staaten aber zur Förderung von Gemeinwohlinteressen verpflichtet sind. Beide Interessenlagen sind nicht notwendig kompatibel. Im Rahmen von PPPs besteht somit die Gefahr, dass die „öffentliche Seite“ angesichts ihrer Abhängigkeit von der Privatwirtschaft über zu wenig Einfluss verfügt, Gemeinwohlinteressen durchzusetzen. Auch eine demokratisch-parlamentarische Kontrolle ist innerhalb von PPPs schwer zu erreichen, zumal entsprechende Verträge dem Privatsektor zuzuordnen sind und in der Regel auch nicht veröffentlicht werden. Somit besteht die Gefahr, dass sich im Konfliktfall private – hier: pharmazeutische – Interessen zu Lasten öffentlicher – hier Gesundheitsinteressen – durchsetzen, auch eine Anfälligkeit für Korruption ist im Kontext von PPPs nicht auszuschließen.
Die australische Studie verweist auf weitere, speziell auch die „WHO-Sponsoren mit Zweckbindung“ betreffende institutionelle Verflechtungen (AMPS 2025, S. 23):
- Manche dieser Sponsoren (z. B. UNICEF und die Gates-Stiftung) haben andere der Sponsoren (die Impfallianz GAVI) gegründet.
- Manche dieser Sponsoren sind Partnerschaften mit anderen der Sponsoren eingegangen oder haben diese gesponsert.
Auch Punkt 4 wird zusätzlich durch Erkenntnisse des „Dialogs Globale Gesundheit“ bestätigt. Für das Jahr 2020/21 konnte diese Plattform nachvollziehbar ermitteln, dass die Gates-Stiftung zum Teil substantielle Zahlungen an eine Vielzahl von anderen Organisationen geleistet hat, welche dann selbst wieder an die WHO gespendet haben. Somit stellt der „Gates-GAVI-Stiftungskomplex mit Abstand den grössten Spender dar – dessen kombinierte Spenden machten fast 20 % des WHO-Budgets aus“ (Dialog Globale Gesundheit 2025).4Ähnliches gilt laut AMPS für die Rockefeller-Gruppe, die direkt an die WHO, aber auch an andere Organisationen gespendet hat, die wiederum die WHO sponsern, AMPS 2025, 25. Die Plattform kommentiert dies folgendermaßen: „So entsteht ein Netzwerk monetärer Abhängigkeiten, an dessen Quelle wieder die Gates-Foundation sitzt! Wer weiss, wie politische Prozesse und Philanthropie praktisch funktionieren, erkennt, dass dieses Vorgehen der Gates-Foundation und der von ihr dominierten Impflobby GAVI – neben ihren Grossspenden – noch vielfältige zusätzliche informelle Einfluss- und Allianzmöglichkeiten eröffnet.“
Mit anderen Worten: Die Punkte 3 und 4 lassen auf eine Art Rangordnung zwischen einzelnen WHO-Sponsoren schließen, die sich aus entsprechenden Abhängigkeiten ergeben. Diese Ordnung kann am Ende auch eine „Einflusshierarchie“ bedeuten, die einzelnen „Stakeholdern“ wie z. B. der Gates-Stiftung überdimensional große Einflussmöglichkeiten einräumt, dies auch im Verhältnis zu den WHO-Mitgliedstaaten.
4.5 Fremdbeeinflussung der WHO durch rechtswidrige Zweckbindung von Spenden
All diese Faktoren verbinden und potenzieren sich am Ende durch die Tatsache der Zweckbindung der von den genannten Organisationen und Institutionen geleisteten Spenden, durch die sich die Gefahr der Fremdbeeinflussung der WHO weiter konkretisiert.
Die Gründer der WHO haben das Problem der möglichen Fremdbeeinflussung bereits gesehen und in Art. 37 der WHO-Verfassung festgelegt, dass „der Generaldirektor und das Personal“ „in der Ausübung ihrer Pflichten“ „von keiner Regierung oder Behörde außerhalb der Organisation Weisungen einholen oder entgegennehmen“ sollen (Art. 37 Satz 1 WHO-Verfassung). Umgekehrt sind die WHO-Mitgliedstaaten u. a. verpflichtet, „jeden Versuch der Beeinflussung zu unterlassen.“ (Art. 37 Satz 3 WHO-Verfassung). Was für WHO-Mitgliedstaaten gilt, muss umso mehr für Unternehmen und andere Einrichtungen aus dem Privatsektor gelten. Mit der Annahme zweckgebundener Spenden verstößt die WHO somit gegen ihre eigene Verfassung.
4.6 Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Die WHO ist aktuell zu über 80 % von Spenden abhängig, deren überwiegender Teil (64 %) mit vertraglich festgelegten, nicht öffentlich gemachten Zweckbindungen verknüpft ist und von Organisationen und Institutionen bestritten wird, die entweder selbst Pharmaunternehmen sind oder nachweislich mit der Pharmaindustrie und deren Interessen in Verbindung stehen.
1. Allein daraus ergibt sich die Gefahr einer Fremdsteuerung der WHO durch private, pharma-affine Interessenvertreter, die Gefahr, dass Gesundheitsinteressen Profitinteressen zum Opfer fallen.
2. Diese Gefahr verstärkt sich durch persönliche Interessenkonflikte bei WHO-Personal und -Experten sowie durch institutionalisierte Interessenkonflikte, die sich aus der vertraglichen Verbindung der WHO mit einigen ihrer Sponsoren z. B. im Rahmen von PPPs ergeben. Auch hier gehen private Interessen im Zweifel vor.
3. Schließlich verstößt die WHO durch die Annahme zweckgebundener Spenden nicht nur gegen ihre Verfassung, sondern setzt sich endgültig der Fremdbeeinflussung oder gar Fremdsteuerung durch pharma-affine Einrichtungen aus, insbesondere jener, die wie z. B. die Gates-Stiftung einen oberen Platz in der Einflusshierarchie der WHO-Geldgeber einnehmen.
Die Objektivität, Unabhängigkeit und Sachbezogenheit des Handelns der WHO im Sinne der uneingeschränkten Erfüllung ihrer Zielsetzung, des Schutzes der Gesundheit der Weltbevölkerung, ist damit in keiner Weise (mehr) gewährleistet.
5. Strukturproblem Nr. 2: Die Intransparenz bei der WHO
Im Rahmen ihrer „Offenlegungspolitik“ (WHO Information Disclosure Policy 2024) unterstreicht die WHO richtigerweise, dass „der Zugang zu Informationen der WHO […] die Transparenz und Rechenschaftspflicht [fördert] und das Vertrauen in die Aktivitäten der WHO zur Förderung der öffentlichen Gesundheit“ stärkt (WHO Information Disclosure Policy 2024, Introduction, Nr. 1). Hinzu kommt, dass der Zugang zu Informationen durch die Erzeugung von Öffentlichkeit eine gewisse Kontrolle des WHO-Handelns ermöglicht.
Wie aber ist es tatsächlich um den Zugang zu Informationen bestellt? Grundsätzlich unterscheidet die Information Disclosure Policy der WHO zwischen öffentlich zugänglichen (Annex 1), nur auf Anfrage zugänglichen (Annex 2) und vertraulichen Informationen (Annex 3). Ein genauerer Blick auf das betreffende Dokument offenbart, dass deren Handeln an besonders sensiblen Stellen gerade nicht durch Transparenz geprägt ist, wodurch Kontrolle ausgeschlossen und das bei der WHO bereits vorhandene Fremdbeeinflussungs- und Fremdsteuerungspotenzial weiter verschärft wird. Im Folgenden einige Beispiele:
- Zur dritten, in Annex 3 der „Offenlegungspolitik“ beschriebenen vertraulichen Kategorie zählen u. a. persönliche Interessenerklärungen von WHO-Mitarbeitern und anderen für die WHO tätigen Personen einschließlich Experten, sofern diese nicht bereits anderweitig öffentlich gemacht wurden (Annex 3 Nr. 1, 5. Spiegelstrich). Mit anderen Worten: Zwar ist dieser Personenkreis verpflichtet, etwaige Interessenkonflikte der WHO gegenüber offenzulegen (WHO Declarations of Interest 2025), solche Erklärungen bleiben aber in aller Regel unter Verschluss. Infolge dieser an einer besonders sensiblen Stelle vorherrschenden Intransparenz, die eine Kontrolle durch Öffentlichkeit unmöglich macht, besteht die Gefahr, dass auch Bewerber und Experten mit Interessenkonflikten eingestellt bzw. engagiert werden, wodurch die Unabhängigkeit und Objektivität des WHO-Handelns hier ebenfalls in Frage gestellt ist.
- Die oben beschriebene Zweckbindung eines Großteils der WHO-Spenden beruht auf Spenderverträgen, die in aller Regel ebenfalls nicht offenliegen. Nach der Information Disclosure Policy werden „Informationen, die gemeinsam mit Dritten genutzt werden“ – hierzu zählen explizit auch Spenderverträge – nur „nach vorheriger Zustimmung der betroffenen Parteien von Fall zu Fall“ offengelegt (Scope of this Policy, Nr. 8). Hier zeigt sich ein Problem, das sich auch daraus ergibt, dass staatliche, eigentlich dem Gemeinwohl verpflichtete Organisationen wie die WHO Verträge auf privatrechtlicher Basis abschließen: Es entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem privaten evtl. Geheimhaltungs- und dem öffentlichen Interesse an Transparenz. Hier ist das öffentliche Transparenzinteresse besonders groß, da es um die essentielle Frage geht, ob die – ohnehin rechtswidrigen – konkreten Zweckbindungen tatsächlich zu sachfremden, nicht mehr objektiven und unabhängigen, womöglich sogar gesundheitsgefährdenden Entscheidungen der WHO führen können.
- Brisant ist auch, dass die WHO im Rahmen ihrer auf „Bekämpfung von Fehlinformationen“ zielenden „Infodemie“-Politik (Näheres dazu unten, Kapitel 10) etwa 40 Verträge mit digitalen Big-Tech-Firmen abgeschlossen hat (Behrendt 2024), deren Inhalte ebenso wenig offenliegen wie die Finanzquellen für die „Infodemie“-Politik der WHO. Es besteht der Verdacht auf eine Informationspolitik, die u. a. die Löschung von Beiträgen in sozialen Netzwerken fördert. Als Beispiel sei hier ein Auszug aus den Community-Richtlinien von LinkedIn zitiert: „Teilen Sie keine Inhalte, die den Leitlinien führender globaler Gesundheitsorganisationen […] direkt widersprechen, einschließlich Falschinformationen über die Sicherheit oder Wirksamkeit von Impfstoffen oder medizinischen Behandlungen“ (LinkedIn Community-Richtlinie 2025). Solche Informationen werden von LinkedIn in die Kategorie „erheblich irreführend und gefährlich“ und damit im Zweifel als „anderweitig schädlich“ im Sinne des Digital Services Act der EU eingestuft, sie sollen LinkedIn zur Löschung berechtigen. Hier stellt sich die Frage, ob die WHO über die entsprechenden Verträge gezielt Einfluss auf die Informationspolitik genommen und die entsprechenden Richtlinien (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) der jeweiligen sozialen Netzwerke mit beeinflusst und geprägt hat. Diese Frage ist umso relevanter, als die WHO, wie bereits dargelegt wurde, keinerlei Gewähr für die Objektivität und Unabhängigkeit ihres Tuns und insbesondere für die Evidenzbasierung ihrer eigenen Leitlinien in Gesundheitsfragen bieten kann. In solchen Fällen kommt die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten ins Spiel. Diese wirken zwar nicht im Verhältnis zwischen Privaten, dürfen aber als Maßstab für die Auslegung von Privatrechtsnormen herangezogen werden. Konkret ist hier das in Art. 5.1 Satz 1 GG bzw. (als Maßstab für den DSA) Art. 11.1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verankerte Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit sowie der Informationsfreiheit betroffen. Mangels Offenlegung der betreffenden Verträge, die wieder durch die Information Disclosure Policy der WHO formal begründbar ist (als Begründung kommen hier entweder die oben unter 2. für Spenderverträge aufgeführte Passage oder z. B. auch einige Passagen in Annex 3, z. B. Nr. 4, 7 oder 9 in Betracht) kann letztlich nicht überprüft und geklärt werden, ob die WHO auf diesem Weg indirekt und möglicherweise unverhältnismäßig in elementare Grundrechte eingegriffen hat.
- Ein erkennbares, nicht zuletzt durch Intransparenz erzeugtes Sicherheitsrisiko ergibt sich schließlich auch aus dem bei der WHO angesiedelten, zuletzt am 09.08.2022 aktualisierten Verfahren für ein Emergency Use Listing (WHO EUL 2022), das die Erstellung einer Liste von „Gesundheitsprodukten“ für den Notfallgebrauch vorsieht. Konkret geht es um ein „risikobasiertes Verfahren zur Bewertung und Auflistung nicht zugelassener Impfstoffe, Therapeutika und In-vitro-Diagnostika“ (WHO EUL 2022, S. 1). Obwohl die WHO selbst nicht über eine Zuständigkeit für Notfallzulassungen verfügt, übt diese Liste faktisch großen Einfluss auf die Zulassungsbehörden der Welt wie beispielsweise die EU-Zulassungsbehörde European Medicines Agency EMA oder aber die Schweizer Zulassungsbehörde Swiss Medic aus. Das EUL-Verfahren ermöglicht Pharmaunternehmen, sich mit ihren (noch) nicht zugelassenen Notfallprodukten um eine Aufnahme in die WHO-Liste zu bewerben (WHO EUL 2022, S. 1), was letztlich deren Absatzchancen deutlich steigen lässt. Die Bewertung dieser Produkte verläuft in drei Phasen, der „Vor-Notfallphase“, der „Notfallphase“ und der „Nach-Notfallphase“. Von Interesse sind hier besonders die ersten beiden Phasen, für die jeweils Expertengruppen zur Begutachtung eingeschaltet werden. Jedoch: Die entsprechenden Gutachten sind lediglich als Empfehlungen mit beratendem Charakter eingestuft. Und: Die WHO „behält die volle Kontrolle über alle nachfolgenden Entscheidungen und Maßnahmen […]“. Im Falle der Prä-Prüfung betrifft dies die Frage, ob die Ergebnisse und Empfehlungen des betreffenden Gremiums in einem öffentlichen Bericht der WHO zur Notfall-Liste veröffentlicht werden sollen und ob der betreffende Bericht den für den Notstandsfall zuständigen Kollegen vorgelegt werden soll (WHO EUL 2022, S. 25). Auch im Falle der Notfallprüfung behält die WHO „die volle Kontrolle über die Veröffentlichung der Berichte“ des zuständigen Expertengremiums, „einschließlich der Entscheidung, ob sie veröffentlicht und an die Mitgliedstaaten und Beschaffungsstellen der Vereinten Nationen weitergegeben werden“ (WHO EUL 2022, S. 29). Somit ist theoretisch denkbar, dass bestimmte durch die jeweiligen Expertengruppen als nicht wirksam und/oder gar gesundheitsschädlich eingestufte Produkte dennoch einen Platz auf der Notfall-Liste der WHO erhalten und damit die Notfallzulassungsbehörden entsprechend beeinflussen. Auch hier fehlt es also an entscheidender, potentiell Leben und Gesundheit der Weltbevölkerung betreffenden Stelle an der unerlässlichen Transparenz, die erst eine echte und unabhängige Kontrolle ermöglicht.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die bei der WHO vorherrschende Intransparenz zu einem Mangel öffentlicher Kontrolle führt. In der Folge verschärft sich das schon in Kapitel 4 dargelegte Fremdsteuerungspotenzial für die WHO (Stichworte: persönliche Interessenkonflikte, Spenderverträge mit Zweckbindung), hinzu kommen denkbare und nicht kontrollierbare indirekte Gefährdungen elementarer Grundrechte durch WHO-Handeln, allen voran der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Stichwort: Emergency Use Listing) sowie der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit (Stichwort: Verträge mit der digitalen BigTech-Branche).
6. Strukturproblem Nr. 3: „Rechtsstaatsfeindliche“ unkontrollierbare Machtbefugnisse des WHO-Generaldirektors
Auf Grundlage der bereits geltenden IGV (2005, zuletzt geändert 2022) ist der WHO-Generaldirektor befugt, im Gefolge der WHO-Überwachungsmechanismen (Art. 5-11 IGV) für Gesundheitsgefahren biologischer (Infektionskrankheiten), chemischer oder radionuklearer Art
- sog. Gesundheitliche Notlagen Internationaler Tragweite (engl. Public Health Emergencies of International Concern, PHEICs) auszurufen und zu beenden (Art. 12.1 und 12.5 IGV).
- Auf der Basis solcher Notstände kann dieser dann formalrechtlich unverbindliche „(Notstands-)Empfehlungen“ aussprechen (Art. 15, 18 IGV), die auch weitreichende Grundrechtseinschränkungen betreffen können, so z. B. Vorgaben zu Impf- oder Testpflichten, zu Kontaktverfolgung, Isolierung und Quarantäne, zu medizinischen Untersuchungen und Behandlungen oder zu Reise- und Handelsbeschränkungen (Art. 18.1 IGV).
Zwar hat der Generaldirektor bei seinen Entscheidungen formal bestimmte eingrenzende Sachkriterien in seine Erwägungen mit einzubeziehen („shall consider“):
Zu 1: Für die Ausrufung von PHEICs sind diese Sachkriterien in Art. 12.4 IGV aufgelistet. Besonders wichtig, da auch aus rechtsstaatlicher Perspektive relevant, sind dabei „wissenschaftliche Prinzipien und die verfügbare wissenschaftliche Evidenz“ (Art. 12.4 d IGV) sowie „eine Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit, des Risikos einer internationalen Ausbreitung von Krankheiten und des Risikos einer Beeinträchtigung des internationalen Verkehrs“ (Art. 12.4 e IGV), wobei sich hier bereits die Frage stellt, ob die zuletzt genannten Kriterien einer Prüfung nach dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernis standhalten würden. Hinzu kommt schließlich das Entscheidungsinstrumentarium, das die Graphik in Annex 2 IGV für Meldungen der Vertragsstaaten an die WHO vorsieht, da die entsprechenden Ereignisse zu einem PHEIC führen können. Im Kasten links sind Krankheiten aufgeführt, die direkt eine Meldepflicht an die WHO auslösen, im Kasten rechts Krankheiten, für die zwingend ein Prüfalgorithmus vorgesehen ist (ernstes Ereignis – ungewöhnliches oder unerwartetes Ereignis, erhebliches Risiko einer internationalen Ausbreitung – erhebliches Risiko für internationale Reise- oder Handelsbeschränkungen), der je nach Antwort ebenfalls eine Meldepflicht auslösen kann. Der mittlere Kasten betrifft Krankheitsgeschehen, auf die in der Regel ebenfalls der Prüfalgorithmus anzuwenden ist.
Zu 2: Beim Erlass von Empfehlungen im Falle eines PHEIC, sog. vorübergehenden Empfehlungen (Art. 15 IGV), hier Notstandsempfehlungen genannt, sind ebenfalls „wissenschaftliche Prinzipien und die verfügbare wissenschaftliche Evidenz“ (Art. 17 c IGV) zu berücksichtigen. Aus rechtsstaatlicher Sicht ebenso relevant ist die Vorgabe, dass der Generaldirektor Gesundheitsmaßnahmen prüfen soll, „die auf der Grundlage einer den Umständen angemessenen Risikobewertung den internationalen Verkehr und Handel nicht stärker einschränken und für Personen nicht belastender sind als vernünftigerweise verfügbare Alternativen, mit denen das angemessene Gesundheitsschutzniveau erreicht werden könnte“ (Art. 17 d IGV). Hier klingen Maßstäbe an, die an die im Rechtsstaat notwendige Verhältnismäßigkeitsprüfung erinnern und verhindern sollen, dass aus Grundrechtseinschränkungen (unverhältnismäßige) Grundrechtsverletzungen werden.
Gerade diese für Empfehlungen geltende (Verhältnismäßigkeits-)Formel sowie der Verweis auf wissenschaftliche Prinzipien und Evidenz sowohl für PHEIC-Ausrufungen als auch für Empfehlungen lässt zunächst vermuten, dass entsprechende Entscheidungen des WHO-Generaldirektors auf sachlicher, objektiver und sorgfältig abgewogener Grundlage gefällt werden, zumal dem Generaldirektor bei seinen Entscheidungen auch ein Notfallausschuss (Art. 12.4 c IGV, Art. 48-49 IGV), für Empfehlungen zusätzlich ein Prüfungsausschuss (Art. 17 b IGV, Art. 50-53 IGV) zur Verfügung steht.
Allerdings: Beide Ausschüsse können nur beratend tätig werden, ihr „Rat“, wie das Wort schon impliziert, bleibt unverbindlich, die Letztentscheidung verbleibt allein beim Generaldirektor. Überdies sind die Mitglieder der beiden Ausschüsse in keiner Weise unabhängig, zumal der Generaldirektor selbst entscheidet, welche Experten (ggf. nach Nominierung durch die Vertragsstaaten oder relevante internationale Organisationen) auf die Expertenliste gesetzt und im konkreten Fall für welchen Zeitraum (maximal vier Jahre mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit) herangezogen werden (Art. 47 IGV in Verbindung mit den Vorschriften für Expertengremien und Ausschüsse, dort v. a. Art. 1.2, 3.2, 3.3, 4.1).
Es gibt also, anders als im Rechtsstaat, keine unabhängige Kontroll- oder Rechtsmittelinstanz, welche die Einhaltung dieser Kriterien vorab oder zumindest im Nachhinein überprüfen könnte. Ebenso ist durch die für die WHO geltenden Immunitätsregeln (UN Immunities Convention 1947) jede persönliche Rechenschaftspflicht und Verantwortlichkeit des WHO-Generaldirektors für eventuelle Fehlentscheidungen grundsätzlich ausgeschlossen. Somit kann der Generaldirektor seine Entscheidungen letztlich rein willkürlich treffen, z. B. willkürlich PHEICs ausrufen und den IGV-Vertragsstaaten „evidenzfreie“, unverhältnismäßige – nutzlose bzw. schädliche – freiheitseinschränkende „Gesundheitsmaßnahmen“ aufgeben, die sich dann, wenn die IGV-Vertragsstaaten sie mehr oder weniger verfassungsrechtlich ungeprüft und im vollen Vertrauen auf die Objektivität und Sinnhaftigkeit der WHO-Entscheidungen übernehmen, in massenhaften Grundrechtsverletzungen niederschlagen können.
Die Problematik der überbordenden und mangels Kontrollinstanz auch „rechtsstaatsfeindlichen“ Machtbefugnisse des Generaldirektors erhält angesichts der in Kapitel 4 bereits festgestellten Anfälligkeit für Fremdbeeinflussung oder gar Fremdsteuerung insbesondere durch pharma-affine Organisationen eine ganz besondere Brisanz. Mit anderen Worten: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass PHEICs nicht im Interesse öffentlicher Gesundheit, sondern primär im Interesse der inzwischen hinter der WHO stehenden, pharma-affinen Spenderlobby ausgerufen werden. Analoges gilt für entsprechende Notstandsempfehlungen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die WHO bereits in ihrer aktuellen Ausformung keine Gewähr für objektives, sachbezogenes und an entscheidender Stelle transparentes Handeln bietet. Sie ist damit auch nicht mehr ohne Weiteres imstande, ihre in Art. 1 der WHO-Verfassung formulierte Zielsetzung zu erreichen, „allen Völkern zur Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu verhelfen“. Das immer noch in die WHO gesetzte Vertrauen ist somit nicht (mehr) gerechtfertigt.
Im Gegenteil, die WHO ist zu einer durch Intransparenz geprägten, willkür- und korruptionsanfälligen und der „Fremdsteuerung“ durch private (Profit-)Interessen zugänglichen Organisation geworden. Angesichts der genannten unkontrollierbaren Machtbefugnisse des WHO-Generaldirektors kann dies letzten Endes zu massenhaften Grundrechtsverletzungen führen, wenn die IGV-Vertragsstaaten im Vertrauen auf die wissenschaftliche Evidenz und Verhältnismäßigkeit von WHO-Handlungen und -Empfehlungen diese mehr oder weniger automatisch umsetzen und dabei die verfassungsrechtlich gebotenen Grundrechts- (insbesondere Verhältnismäßigkeits-)Prüfungen vernachlässigen.
Im Ergebnis etabliert die WHO so ein Dauer-Spannungsverhältnis zu den freiheitlichen Verfassungen der Welt und insbesondere auch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des deutschen Grundgesetzes, an dessen erster Stelle sich das Bekenntnis zur unantastbaren Würde des Menschen und zu den unverletzlichen unveräußerlichen Menschenrechten findet und deren Schutz durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet werden soll.
Persönlicher Exkurs: Speziell die Praxis der sog. COVID-19-Pandemie hat offenbart, wie sehr die meisten Staaten der Welt geneigt sind, sich gerade im – wirklichen oder vermeintlichen – Notstandsfall auf die WHO zu verlassen und angesichts ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung die verfassungsrechtlich gebotenen Grundrechtsprüfungen außer Acht zu lassen. Die WHO hat sich so als politischer Machtfaktor erwiesen, der in fast allen Staaten der Welt unzählige massive Menschenrechtsverletzungen ausgelöst und/oder zu diesen beigetragen hat. Als besonders fatal hat sich dabei das Fehlen einer unabhängigen Instanz zur Prüfung der wissenschaftlichen Evidenz und Verhältnismäßigkeit der von der WHO vorgegebenen Maßnahmen erwiesen, dies insbesondere in Bezug auf die neu zugelassenen sog. Corona-Impfungen mit mRNA-Substanzen.
Zweifellos bedürfen diese Thesen der weiteren Begründung und Untermauerung, die in diesem Rahmen zu weit führen würden, jedoch bei Bedarf geliefert werden können. Die hier angesprochenen Punkte bedürfen jedenfalls dringend der Diskussion im Rahmen der sog. Corona-Aufarbeitung im Bundestag ebenso wie in den Länderparlamenten.
7. Die IGV-Änderungen von 2024: Einführung
Mit den am 01.06.2024 durch die Weltgesundheitsversammlung verabschiedeten IGV-Änderungen – und umso mehr noch mit einem künftigen Pandemievertrag – würden sich die in den Kapiteln 4-6 beschriebenen und in einer akuten Menschenrechtsgefährdung gipfelnden Problematiken weiter verschärfen.
Vorab bedarf der Erwähnung, dass bereits die Verabschiedung der IGV-Änderungen am 01.06.2024 mit elementaren, völkerrechtswidrigen Verfahrensfehlern verknüpft war, insbesondere ist diese unter Verstoß gegen Art. 55.2 IGV erfolgt. Dort ist geregelt, dass „der Wortlaut jedes Änderungsvorschlags […] allen Vertragsstaaten vom Generaldirektor mindestens vier Monate vor der Gesundheitskonferenz, auf der er zur Beratung vorgelegt werden soll, übermittelt“ wird. Diese Frist wurde nachweislich versäumt, ebenso wurde gegen einige elementare Verfahrensregeln der Weltgesundheitsversammlung verstoßen. Eine sehr gute Übersicht zur Problematik des rechtswidrigen Zustandekommens der neuen IGV findet sich bei ABF Schweiz 2025, S. 3-6, auf die an dieser Stelle vollumfänglich verwiesen wird.
Im Folgenden nun ein Blick auf die wichtigsten IGV-Änderungen, insbesondere jene, die aus Sicht der Verfasserin bzw. aus der Perspektive des Grundgesetzes als problematisch einzustufen sind.
8. Die IGV-Änderungen von 2024: Die „Pandemische Notlage“
Die neuen IGV sehen in Art. 12.1 und Art. 12.4 bis die Möglichkeit vor, eine „pandemische Notlage“ auszurufen (und gemäß Art. 12.5 IGV-neu zu beenden). Diese knüpft auch terminologisch an den am 14.05.2025 verabschiedeten Pandemievertrag (PV) an, der mangels Verabschiedung des für seine Unterzeichnung erforderlichen Anhangs zum sog. Pathogen Access and Benefit-Sharing System (Art. 12.2, Art. 31 PV) noch nicht zur Unterzeichnung aufgelegt werden kann. Diese Anknüpfung dürfte darauf abzielen, künftig einen Synergieeffekt mit den im Pandemievertrag vorgesehenen Regularien zu erzeugen. Ihrer Definition nach (vgl. Art. 1 IGV-neu) beruht die pandemische Notlage auf einem PHEIC, der mit weiteren Tatbestandsvoraussetzungen verknüpft ist. Konkret muss es sich um eine von einer übertragbaren Krankheit verursachte „gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite“ handeln, die
- „eine weitreichende geographische Ausdehnung auf mehrere Staaten und innerhalb dieser Staaten aufweist […],
- die Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen hinsichtlich der Reaktion auf die Notlage in diesen Staaten übersteigt […],
- die schwere soziale und/oder wirtschaftliche Störungen, einschließlich der Störung des internationalen Verkehrs und Handels verursacht […] und
- die ein schnelles, gerechtes und verstärktes koordiniertes Handeln mit ressortübergreifenden und gesamtgesellschaftlichen Ansätzen erfordert.“
Angesichts der vierten Tatbestandsvoraussetzung, die zugleich eine Rechtsfolgenformulierung enthält, ist es nicht nachvollziehbar, dass die „Denkschrift“ zum Gesetzesentwurf in der Kommentierung zu Art. 1 IGV-neu (S. 65, Abschnitt B) darlegt, dass an die Feststellung einer pandemischen Notlage „in den IGV keine spezifischen Rechtsfolgen gebunden“ sind, die „von denen anderer gesundheitlicher Notlagen internationaler Tragweite abweichen.“ Jedenfalls in der Art und Weise der Reaktion („schnelles, gerechtes, verstärktes koordiniertes Handeln […]“) ist hier doch eine Steigerung erkennbar.
Ein Problem der Definition der pandemischen Notlage besteht u. a. darin, dass sie einerseits, schon durch die ersten drei zusätzlichen Tatbestandsmerkmale, als Steigerungsform des PHEIC konzipiert ist, was sich auch in der gegenüber dem PHEIC (der nur „möglicherweise“ eine Reaktion erfordert) gesteigerten Rechtsfolge im hier zitierten Sinne auswirkt. Allerdings sind die ersten drei Tatbestandsmerkmale eher unbestimmt formuliert. Außerdem müssen die betreffenden Voraussetzungen nicht zwingend bereits erfüllt sein, vielmehr genügt laut Definition (Art. 1 IGV-neu) schon das „hohe Risiko“ ihres Eintretens. Diese ganz besonders unbestimmte Formulierung bietet ein besonders großzügiges Einfallstor für willkürliche Notstandsausrufungen und darauf beruhende ebenso willkürliche Grundrechtseinschränkungen. Dabei wurde für den Bereich der Gesundheitsdokumente (v. a. Impfnachweise) nun die Möglichkeit digitaler Versionen (Art. 35.2-4 IGV-neu) neu eingeführt, was nicht nur bürokratische Vorteile bringt, sondern auch mit neuen Möglichkeiten auch missbräuchlicher staatlicher Überwachung der Bürger verbunden ist.
Die aus der Sicht des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots besonders problematische Definition des Begriffs der „pandemischen Notlage“ führt zu einer Verstärkung der mangels unabhängiger Kontrollinstanzen schon bestehenden Gefahr willkürlicher und womöglich fremdgesteuerter Notstandsausrufungen und folglich auch unkontrollierter Grundrechtsverletzungen.
9. Die IGV-Änderungen von 2024: Der neue Schwerpunkt der „relevanten Gesundheitsprodukte“
Die ausdrückliche Einfügung der in Art. 1 IGV-neu definierten sog. „relevanten Gesundheitsprodukte“ in die neuen IGV (Art. 13.7-13.9, Art. 44 IGV-neu) erhält angesichts der in Kapitel 4 beschriebenen Gefahr einer Fremdsteuerung der WHO durch private, pharma-affine Interessenvertreter sowie letztlich der Gefahr, dass Gesundheitsinteressen Profitinteressen zum Opfer fallen, einen besonders problematischen Beigeschmack. Zu den „relevanten Gesundheitsprodukten“ zählen u. a. Medikamente und Impfstoffe, aber auch ggf. besonders gefährliche „zell- und genbasierte Therapien“.
In Zukunft können solche Produkte Gegenstand entsprechender Notstands-Empfehlungen sein (Art. 15.2 und 15.3, Art. 17 d. bis IGV-neu). Konkret sollen die Forschung und Entwicklung, die Produktion, und der gleichberechtigte Zugang zu diesen Produkten (Art. 13.8 und 13.9 IGV-neu) gefördert werden, ebenso deren Finanzierung (Art. 44, 44 bis IGV-neu), wobei hier v. a. die reicheren Staaten zugunsten der Entwicklungsländer auf Grundlage des neu eingeführten „Equity“ (Gleichberechtigungs-)Prinzips (Art. 3.1 IGV-neu) in die Pflicht zu nehmen wären. Speziell in Bezug auf die Punkte Finanzierung und Verteilung wird der Umsetzungsdruck v. a. auf die reicheren Staaten durch einen neuen Implementierungsausschuss (Art. 54-bis IGV-neu) weiter erhöht.
Dieser neue Schwerpunkt trägt nicht nur zur Festigung eines einseitig medizinisch-pharmazeutischen Medizinbildes bei, das darüberhinausgehende, z. B. ganzheitliche Behandlungs- und Präventionsansätze außer Acht lässt, sondern fördert auch die Etablierung eines globalisierten medizinisch-industriellen Komplexes, dessen Details im Pandemievertrag (vgl. Art. 6-14 PV) weiter ausgeführt und vertieft sind. Auch und gerade an dieser Stelle kann es sich als fatal und letztlich gesundheitsgefährdend erweisen, dass die Objektivität, Unabhängigkeit und Sachbezogenheit des Handelns der WHO nicht mehr gewährleistet ist.
Besonders brisant: Die WHO behält sich vor, Krankheitserreger bzw. Krankheiten mit epidemischen Potenzial – einschließlich „Disease X“ als Platzhalter für möglicherweise noch unbekannte Erreger – zu identifizieren, und erstellt auf dieser Grundlage eine Prioritätenliste für die entsprechende Forschung und Entwicklung (WHO Prioritizing Diseases 2025). Diese „präventive“ Forschung soll vorzugsweise die von der WHO besonders geförderten Impfstoffe auf mRNA-Basis betreffen (vgl. WHO mRNA Technology Transfer 2025).
Hierbei besteht nach Ansicht von Experten, allen voran des Arztes und Molekulargenetikers Michael Nehls (Nehls 2024a), das folgende Problem: Da natürliche Veränderungen von Krankheitserregern in der Regel kaum vorhersehbar sind, ergibt die Forschung an mRNA-Impfstoffen nur dann einen gewissen, wenn auch fragwürdigen Sinn, wenn die betreffenden Erreger künstlich funktionserweiternd verändert werden, wenn also sog. Gain-of-Function-Forschung betrieben wird. Nur so können nämlich dazu „passende“ Impfstoffe erschaffen werden. Hier ist im Zweifel die Grenze zur verbotenen Biowaffenforschung überschritten. Dieses Vorgehen birgt enorme Sicherheitsrisiken und kann, z. B. infolge von Laborunfällen, letztlich gerade jene Pandemien auslösen, welche die WHO ihren Zielsetzungen nach verhindern soll.
Die Verbindung des neuen IGV-Schwerpunktes „Gesundheitsprodukte“ mit der höchst problematischen Form der Entwicklung solcher Produkte, v. a. von Impfstoffen, und mit dem intransparenten, auf deren rasche Zulassung abzielenden „Emergency Use Listing“-Verfahren sowie den Interessenkonflikten der Beteiligten erzeugt ein erhebliches Risikopotenzial für Leben und Gesundheit. Die WHO könnte zum Markt- und Umschlagplatz der Pharmabranche, speziell der Impfstoffhersteller, werden. Die Experten Silvia Behrendt und Michael Nehls sprechen daher gut begründet von der „Gelddruckmaschine WHO“ (Nehls 2024b), durch die Gesundheitsinteressen umso mehr aus dem Fokus geraten.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Einführung „relevanter Gesundheitsprodukte“ nicht nur zur Festigung eines einseitig medizinisch-pharmazeutischen Medizinbildes beiträgt, sondern letztlich die Errichtung eines globalisierten medizinisch-industriellen Komplexes fördert, der v. a. den Interessen der WHO-Geldgeber zu dienen vermag und für den keinerlei objektive Mechanismen zur tatsächlichen Sicherung von Gesundheitsinteressen existieren. Speziell auch infolge der nun besonders geförderten Forschung an mRNA-Produkten sowie ihrer völlig intransparent forcierten Notfallzulassung ist das Risikopotenzial für Leben und körperliche Unversehrtheit weiter verstärkt.
10. Die IGV-Änderungen von 2024: Das Konzept „Risikokommunikation einschl. Bekämpfung von Fehl- und Desinformation“
Mit der erstmals expliziten Verankerung dieses Konzepts an nahezu versteckter Stelle (Annex 1A-neu) nehmen die IGV indirekt auf den „Infodemie“-Ansatz der WHO Bezug (WHO Infodemic 2025), der die „Bekämpfung“ von Informationen, die als falsch eingestuft werden, ermöglicht und sogar – völlig willkürlich – ein „Zuviel“ an Information einschließt. Hinzu kommen Konzepte der gezielten Verhaltenslenkung der Bevölkerung (vgl. WHO Behavioural Sciences 2023), auf die im Übrigen auch Art. 16 des künftigen Pandemievertrags abzielt. Konkret sollen die IGV-Vertragsstaaten ihre in Annex 1 IGV-neu beschriebenen Kernkapazitäten auf behördlicher Ebene nunmehr auch auf „Risikokommunikation einschließlich der Bekämpfung von Fehl- und Desinformation“ ausrichten.
Im Gesamtkontext des WHO-Infodemie-Konzepts und des auch in Art. 16.2 PV erkennbaren Schwerpunkts der Verhaltenslenkung fällt auf, dass sich die WHO in nahezu autoritärer Weise anmaßt, entscheiden zu können, welche Informationen ein „Zuviel“ für den einzelnen Menschen bedeuten oder welche Informationen als falsch oder irreführend einzustufen sind. Der im freiheitlichen Rechtsstaat und auch für die Fortentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnis zwingend notwendige freie Diskurs der Meinungen, insbesondere auch der Wissenschaftsmeinungen, wird schlicht übersprungen. Nur auf dem zugegeben mühsamen, von einem Streben nach Objektivität getragenen Weg des freien Diskurses lässt sich aber letzten Endes das „Vertrauen [der Bevölkerung] in Wissenschaft und öffentliche Gesundheitseinrichtungen, Behörden und Ämter“ (Art. 16.2 PV) erzeugen, nicht aber, wie es die WHO vorsieht, durch die bloße Erforschung der „Faktoren, die die Einhaltung von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit […] während einer Pandemie verhindern oder stärken“ (Art. 16.2 PV) sowie durch gezielte, psychologisch basierte Verhaltenslenkung auf dieser Grundlage. Insbesondere die „Wirksamkeit und Sicherheit von Gesundheitsprodukten im Zusammenhang mit Pandemien“, über welche die Bevölkerung nach Art. 16.1 PV u. a. zu informieren ist, wird demnach als selbstverständlich vorausgesetzt und ist folglich nicht mehr im Sinne eines freien Wissenschaftsdiskurses zu hinterfragen. All diese autoritär anmutenden Ansätze sind mit dem Wertesystem und Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar.
Vor diesem Hintergrund und aus der Perspektive des Art. 5 GG ist der konkret in den neuen IGV verankerte Ansatz der Bekämpfung von „Fehl- und Desinformation“ schon deshalb problematisch, weil „Fehl- und Desinformation“ nicht illegal sind, soweit sie sich innerhalb bestimmter, z. B. durch Strafrecht und Jugendschutzgesetze gezogener Schranken bewegen (vgl. Art. 5.2 GG). Der Begriff „Information“ ist außerdem auffällig unbestimmt und daher einem weiten Verständnis zugänglich, das über Tatsachenbehauptungen hinausgeht und alle möglichen Formen von Wissen, belegtes wie unbelegtes, wissenschaftliche Argumentationen sowie bloße Meinungen umfassen kann. All diese Arten von „Informationen“ können somit unter Berufung auf „Fehl- oder Desinformation“ potentiell auch zur Löschung gebracht werden. Hier besteht schon im Kern ein Widerspruch zur in Art. 5.1 GG verankerten Freiheit der Meinungsäußerung und insbesondere der in Art. 5.3 GG verankerten Wissenschaftsfreiheit.
Jede Löschung legaler Inhalte wirkt wiederum dem freien Diskurs und somit auch wissenschaftlicher Evidenz entgegen, sie rührt somit auch an den Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Gerade dem Aspekt wissenschaftliche Evidenz kommt im Kontext der hier im Raum stehenden Grundrechtseingriffe elementare Bedeutung zu, weil nur auf dieser Grundlage die Verhältnismäßigkeit solcher Eingriffe im Sinne einer Risiko-Nutzen- Abwägung seriös geprüft werden kann.
Die WHO maßt sich dagegen an, gemeinsam mit den IGV-Vertragsstaaten über Qualität und Evidenz wissenschaftlicher Studien entscheiden und eine Selektion von Positionen sowie Studien vornehmen zu können, sodass der Diskurs ihrer Auffassung entsprechend gelenkt werden kann. Dabei ist nicht auszuschließen, dass Entscheidungen der WHO über wissenschaftliche Güte durch Interessen der Geldgeber und Profiteure am Verkauf der Gesundheitsprodukte fremdbestimmt werden. Die WHO etabliert so ein diskursfeindliches Wahrheits-, Informations- und Definitionsmonopol, das umso bedenklicher ist, als inzwischen auch deutsche Gerichte offenbar entsprechende WHO-Richtlinien nicht mehr hinterfragen (Causa LinkedIn, siehe dazu oben Kapitel 5 Nr. 3 sowie Kölsch 2025).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die nun explizit in die IGV eingeführte Verpflichtung der Vertragsstaaten zu „Risikokommunikation einschließlich der Bekämpfung von Fehl- und Desinformation“ schon im Kern im Widerspruch zu Art. 5 GG steht. Auf diese Weise ist die Freiheit der Meinung, der Information, der Medien und v. a. auch der Wissenschaft akut bedroht.
11. Die IGV-Änderungen von 2024: Der erhöhte Umsetzungsdruck auf die IGV-Vertragsstaaten
Mit den neuen IGV wird der Umsetzungsdruck auf die Vertragsstaaten weiter erhöht, konkret durch die Einführung einer „nationalen IGV-Behörde“ (Art. 1, 4 IGV-neu) zur Koordinierung der Umsetzung der IGV-Verpflichtungen sowie durch die Verpflichtung zur Erweiterung der diesbezüglichen staatlichen Kernkapazitäten (Annex 1 IGV-neu) auf den drei Ebenen der Staatsverwaltung. Diese Kapazitätserweiterungen nationaler (Gesundheits-)Behörden betreffen nicht nur die bereits erwähnte „Risikokommunikation einschließlich der Bekämpfung von Fehl- und Desinformation“, sondern z. B. auch den „Zugang zu […] Gesundheitsprodukten.“ Zu erwähnen ist hier auch die Einführung des bereits genannten Implementierungsausschusses für die neuen Finanzierungsverpflichtungen der (reicheren) Vertragsstaaten, die „relevanten Gesundheitsprodukte“ betreffend (Art. 54 bis in Verbindung mit Art. 44, 44 bis IGV-neu).
Auch diese institutionellen Neuerungen auf der Ebene der staatlichen Behörden (nationale IGV-Behörde, Erweiterung behördlicher Kernkapazitäten) sowie auf WHO-Ebene (neuer Implementierungsausschuss), die mit einem erhöhten Umsetzungsdruck auf die Staaten verbunden sind, bedingen eine Verschärfung der in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen, nicht selten grundrechtsrelevanten Problematiken. Zudem können sie faktisch zu einer Gefährdung nationaler Souveränität führen, indem sie eine Art Umsetzungs-Automatismus befördern.
12. Die IGV-Änderungen von 2024 und das deutsche Zustimmungsgesetz: Zusammenfassung und abschließende Bewertung
12.1 Die IGV-Änderungen von 2024
Die Bedeutung der IGV-Änderungen von 2024 erschließt sich nur im Gesamtkontext der bei der WHO vorherrschenden Strukturmängel.
Wie dargelegt ist die WHO zu einer durch Intransparenz geprägten, willkür- und korruptionsanfälligen und der „Fremdsteuerung“ durch private (Profit-)Interessen zugänglichen Organisation geworden, durch welche die ursprüngliche WHO-Zielsetzung des Schutzes öffentlicher Gesundheit, insbesondere auch im Pandemiefall, in Frage gestellt ist. Angesichts der genannten unkontrollierbaren Machtbefugnisse des WHO-Generaldirektors kann dies letzten Endes zu massenhaften Grundrechtsverletzungen führen, wenn die IGV-Vertragsstaaten im Vertrauen auf die wissenschaftliche Evidenz und Verhältnismäßigkeit von WHO-Handlungen und -Empfehlungen diese mehr oder weniger automatisch umsetzen und dabei die verfassungsrechtlich gebotenen Grundrechtsprüfungen vernachlässigen.
Schon jetzt etabliert die WHO ein Dauer-Spannungsverhältnis zu den freiheitlichen Verfassungen der Welt und insbesondere auch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des deutschen Grundgesetzes, an dessen erster Stelle sich das Bekenntnis zur unantastbaren Würde des Menschen und zu den unverletzlichen unveräußerlichen Menschenrechten findet und deren Schutz durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet werden soll.
Durch die neuen IGV wird die Problematik des von der WHO ausgehenden Dauer-Spannungsverhältnisses zur freiheitlichen Ordnung des GG verschärft und vertieft.
- Die neu eingeführte „pandemische Notlage“ lässt noch raschere, umfassendere und womöglich fremdgesteuerte willkürliche Grundrechtseingriffe bzw. Grundrechtsverletzungen befürchten, auch hier unter der Voraussetzung, dass die IGV-Vertragsstaaten künftige Notstandsempfehlungen des WHO-Generaldirektors einfach weitgehend ungeprüft und ohne die umfassende Heranziehung alternativer Wissenschaftsmeinungen umsetzen.
- Der neue Schwerpunkt „relevante Gesundheitsprodukte“ ist mangels objektiver und transparenter Sicherheitsmechanismen mit einem zusätzlichen Gefahrenpotenzial für Leib und Leben verbunden. In Kombination mit der gesteigerten Förderung der Forschung an mRNA-Substanzen im Kontext der „Disease X“-Priorisierung von Krankheiten und dem zweifelhaften „Emergency Use Listing“-Verfahren („Schnelligkeit vor Sicherheit“) kann sich hier eine potentiell explosive Mischung entwickeln.
- Die neu eingeführte Verpflichtung der Staaten zur „Risikokommunikation einschließlich der Bekämpfung von Fehl- und Desinformation“ gefährdet letztlich die Grundlagen der in Art. 5 GG verankerten Meinungsäußerungs-, Informations- und Wissenschaftsfreiheit. Dahinter steht die Beanspruchung eines im Kern menschenrechts- und insbesondere diskursfeindlichen Informationsmonopols von staatlicher bzw. WHO-Seite in Gesundheitsfragen.
Es ist nicht auszuschließen, dass auf diesem Weg die im Zweifel fremdbestimmten, profitgeleiteten WHO-Ansätze und -Entscheidungen ideologisch weiter untermauert werden, zumal sich diese jeglicher objektiven und unabhängigen Kontrolle entziehen. Dies steht auch der gesundheitlichen Selbstbestimmung der Menschen (in Deutschland Art. 2.1 GG) und der umfassenden medizinischen Aufklärung als Voraussetzung für die informierte Einwilligung in medizinische Eingriffe diametral entgegen. In diesem Kontext sei auch an Art. 7.1 Satz des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) erinnert, der auch in Notstandszeiten nicht abdingbar ist (Art. 4.2 IPBPR): „Insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden.“
- Vor diesem Hintergrund und angesichts der bereits existierenden erheblichen Strukturmängel der heutigen WHO sind auch die administrativen Neuerungen auf der Ebene der nationalen Behörden und der WHO kritisch zu betrachten: Zwar sind solche zusätzlichen Mechanismen, die auf eine verstärkte Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen abzielen, grundsätzlich legitim, sofern und soweit sie nicht in nationale Zuständigkeiten eingreifen. In diesem Fall erhöhen sie aber den Umsetzungsdruck in eine Richtung, die zu einer Verstärkung der bereits beschriebenen Strukturmängel der WHO führt, dies nicht zuletzt und ganz besonders auch in grundrechtssensiblen Bereichen.
12.2 Das deutsche Zustimmungsgesetz zu den IGV-Änderungen von 2024
Die Einleitung zum Regierungsentwurf für ein Zustimmungsgesetz lässt erkennen, dass es den Verfassern angesichts der Erfahrungen insbesondere während der COVID-19-Pandemie darum geht, die „internationale Koordinierung der Reaktion auf eine Pandemie“ zu verbessern.
Angesichts der in dieser Stellungnahme beschriebenen und durch die neuen IGV erwartbar noch verstärkten WHO-Strukturproblematiken dürfte diese im Kern nachvollziehbare Zielsetzung nach dem aktuellen Stand kaum zu erreichen sein. Auch stellt sich die Frage, ob die in der Einleitung zum Gesetzesentwurf enthaltene Angabe, wonach die neuen IGV keinen „Erfüllungssaufwand“ für Bürgerinnen und Bürger bedeuten, ebenso keinen Erfüllungsaufwand der Verwaltung, tatsächlich richtig ist.
Vor allem aber ist der Blick letztlich auf die Gefahren zu lenken, die von der WHO, den aktuellen und insbesondere den künftigen IGV im Hinblick auf die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ausgehen.
- Zwar kann und darf die WHO nicht, wie vielfach richtig dargelegt wurde, in staatliche Souveränitäten, insbesondere auch nicht in die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland eingreifen, dies ergibt sich allein schon daraus, dass die IGV und ihre Änderungen im Rang unter dem Grundgesetz stehen (Art. 59.2 GG).
- Insbesondere kann und darf die WHO nicht, wie vielfach richtig dargelegt wurde, in die Grundrechte der Bürger eingreifen, auch dies ergibt sich allein schon aus Art. 59.2 GG.
- ABER: Das immer noch vorherrschende und im Ergebnis nicht (mehr) begründete Vertrauen in die Unabhängigkeit und fachliche Fundierung der WHO-Entscheidungen, WHO-Empfehlungen und -Handlungen kann letztlich dazu führen, dass die IGV-Vertragsstaaten und insbesondere auch Deutschland im Notstandsfall (wieder) eine Art Automatismus etablieren. In der Folge würden durch die WHO inspirierte „Gesundheitsmaßnahmen“ (einschließlich Impfungen bzw. Impfnachweispflichten) nahezu ungeprüft und somit weitgehend unter Verstoß gegen die für Grundrechtseingriffe geltenden Regeln der Verhältnismäßigkeit umgesetzt. Nach der (im Einzelnen begründbaren und zur Diskussion gestellten) Überzeugung der Verfasserin war genau dieses Phänomen bereits während der COVID-Pandemie in vielen Fällen zu beobachten.
- Im Ergebnis wirkt ein solcher Automatismus wie ein rechtswidriger faktischer Souveränitätsverzicht und vermag massenhafte Grundrechtsverletzungen zu erzeugen. Bereits im Jahr 2007, im Zuge der innerstaatlichen Umsetzung der neuen IGV 2005 durch das erste IGV-Zustimmungsgesetz vom 20.07.2007, war dem Gesetzgeber immerhin die potentielle Grundrechtsrelevanz der IGV bewusst. Auch dort findet sich bereits der dem Zitiergebot des Art. 19.1 Satz 2 GG entsprechende Hinweis, wonach die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2.2 Satz 1 GG), der Freiheit der Person (Art. 2.2 Satz 2 GG), das Brief- und Postgeheimnis (Art. 10 GG) und die Freizügigkeit (Art. 11.2 GG) eingeschränkt werden (Art. 5 Satz 1 des IGV-Zustimmungsgesetzes vom 20.07.2007).
Tatsächlich haben die in der „Ära Corona“ ergriffenen staatlichen Eindämmungsmaßnahmen die hier zitierten Grundrechte bereits eingeschränkt, wenn nicht gar verletzt. So z. B. das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit durch Testpflichten und die einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht, die Freiheit der Person durch entsprechende Quarantäneregelungen, das Brief- und Postgeheimnis im Rahmen der Kontaktverfolgung und die Freizügigkeit durch Reise- und Handelsbeschränkungen. In Frage stehen außerdem Einschränkungen oder gar Verletzungen des Rechts auf Leben (Art. 2.2 Satz 1 GG), des Rechts auf schulische Bildung (Art. 7.1 GG), der Berufs- und Gewerbefreiheit (Art. 12.1 GG), der Eigentumsfreiheit (Art. 14.1 GG), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), des Rechts auf Religionsausübung (Art. 4.2 GG) und schließlich der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2.1 GG).
- Die IGV-Änderungen von 2024 verstärken die bereits gegebene faktische Bedrohung der staatlichen Souveränität durch die darin vorgesehenen weiteren Umsetzungsmechanismen. Zugleich verstärken sie die bereits gegebene faktische Bedrohung elementarer Grundrechte, insbesondere auch der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Dies u. a. durch die Neueinführung der pandemischen Notlage und durch die Errichtung eines globalen medizinisch-industrielle Komplexes auf der Grundlage eines einseitig pharmazeutisch orientierten Medizinbildes und unter weitgehender Vernachlässigung von Sicherheitsaspekten.
Der Gesetzgeber bzw. die Regierung ist sich auch hier einer gewissen Grundrechtsrelevanz der IGV-Änderungen bewusst, daher wurde die oben (unter Nr. 4) zitierte Klausel des ersten Zustimmungsgesetzes wortgleich in Art. 2 des neuen Gesetzesentwurfs übernommen. Allerdings stehen hier auch die anderen unter Nr. 4 genannten Grundrechte zur Debatte, hinzu kommen die Meinungs- und Informationsfreiheit, die Freiheit der Medien und die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5.1 und Art. 5.3 GG). Dabei wäre noch zu prüfen, ob das eine oder andere potentiell betroffene Grundrecht ebenfalls dem Zitiergebot nach Art. 19.1 Satz 2 GG unterliegt.
- Zu erwähnen ist abschließend ein Bereich, der nicht nur Art. 5.1 und Art. 5.3 GG, sondern auch elementare Aspekte des hinter dem Grundgesetz stehenden Wertesystems betrifft. Die bereits kritisch erläuterte „Bekämpfung von Fehl- und Desinformation“, ggf. sogar eines „Zuviel“ an Information, verbunden mit gezielter Verhaltenslenkung z. B. im Wege der sog. „Risikokommunikation“, die mit Propaganda und Manipulation verbunden sein kann, tragen in ihrer Summe eindeutig autoritäre Züge und stehen im diametralen Widerspruch zum Wertesystem, auf dessen Fundament das Grundgesetz gebaut ist. Dies gilt für die in den neuen IGV u. a. neben Menschenwürde und Menschenrechten und damit quasi auf derselben Ebene verankerten Prinzipien der Gleichberechtigung („Equity“) und Solidarität (Art. 3.1 IGV-neu), zumindest dann, wenn v. a. die „Solidarität“ missbräuchlich, d. h. unter Vernachlässigung der Freiheit des Individuums verwendet wird. An dieser Stelle sei der bekannte Staatsrechtslehrer Josef Isensee zitiert:
„Den Menschenrechten in ihrer klassisch-liberalen Gestalt (‚Menschenrechte der ersten Generation‘) entspricht der Menschentypus der Aufklärung: das seines Selbst bewusste, auf Selbstbestimmung und Selbstverantwortung bedachte Individuum, das sein Glück in die eigene Hand nimmt […]; das gewillt ist, kraft autonomer Vernunft den eigenen Lebensentwurf und die Verfassung des Gemeinwesens zu bestimmen; das Wahrheit und Gemeinwohl nicht als vorgegebene, sondern als aufgegebene Größen sieht und sich einlässt auf Diskussion und Wettbewerb als Lebensform.“ (Isensee 1992, § 115, Rz. 39, Hervorhebungen d. Verf.).
Genau die so beschriebene Werteordnung, eine unschätzbar wertvolle historische Errungenschaft, die hinter der grundgesetzlich garantierten Würde und Freiheit des Menschen steht, gilt es zu wahren.
- In diesem Sinne und nach all den hier angestellten Erwägungen ergeht die Aufforderung an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und insbesondere des Gesundheitsausschusses, dem Regierungsentwurf für ein Zustimmungsgesetz zu den 2024 geänderten Internationalen Gesundheitsvorschriften eine Absage zu erteilen.
ANHANG
Die Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO
WHO – Die aktuell geltende Fassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften 2005, zuletzt geändert 2022.
WHO – Die am 1. Juni 2024 verabschiedeten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (Änderungen sind fett hervorgehoben): Working Group on Amendments to the International Health Regulations (2005)
Quellenverzeichnis
(sämtliche angegebenen Links wurden zuletzt am 10.10.2025 abgerufen)
ABF Schweiz (2025): Aktionsbündnis freie Schweiz: Vernehmlassung und dringender Appell zur Ablehnung der am 1. Juni 2024 von der 77. Weltgesundheitsversammlung verabschiedeten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), 26.02.2025 [Text liegt der Verfasserin vor und kann auf Wunsch vorgelegt werden]
AMPS (2025): Australian Medical Professionals’ Society (AMPS): Follow the Money. WHO’s directing global health policy?, Bowen Hills, June 2025
Behrendt (2024): Briefe von Dr. Silvia Behrendt/Agentur für Globale Gesundheitsverantwortung, an die Vorsitzende des WHO-Exekutivrats vom 28.03.2023 und 14.02.2024 zum Thema Partnerschaftsverträge der WHO mit digitalen BigTech-Firmen zwecks „Kampf gegen Fehlinformationen im digitalen Raum“ [Briefe liegen der Verfasserin vor und können auf Wunsch vorgelegt werden]
BMG (2025): Bundesgesundheitsministerium: Deutschland unterstützt Weltgesundheitsorganisation, Pressemitteilung vom 02.04.2025
Bundesregierung (2025): Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zu den Änderungen vom 1. Juni 2024 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV) vom 23. Mai 2005, 16.07.2025
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DGVN (2025): Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.: Die Gesundheit der Weltbevölkerung
Dialog Globale Gesundheit (2024): Wer finanziert die WHO?, Pfäffikon
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Nehls (2024a): Nehls, Michael: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO): eine lebensgefährliche Gelddruckmaschine?, 16.08.2024
Nehls (2024b): Nehls, Michael: Die WHO ist eine Gelddruckmaschine! Dr. Michael Nehls im Gespräch mit Dr. Silvia Behrendt, YouTube
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Endnoten
- *Die Autorin ist selbständige Wissenschaftlerin und ehemalige Europarat-Sachverständige mit den Forschungsschwerpunkten Menschenrechte, Rechte nationaler Minderheiten in Europa im Kontext von Völkerrecht, Staats- und Verfassungsrecht. Ihre Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss des Bundestages veröffentlichen wir in einer durch die KRiStA-Redaktion lektorierten Fassung.
- 1Neben den aktuell 194 WHO-Mitgliedstaaten sind auch Liechtenstein und der Vatikan Vertragsstaaten der IGV.
- 2Eine nachträgliche Zustimmung von Bundestag und Bundesrat wäre „nach überwiegender Auffassung der Staatsrechtslehre verfassungsrechtlich nicht möglich“ gewesen, vgl. Wissenschaftlicher Dienst 2024, S. 1.
- 3Gesamtbudget 2024/25: 9.213.865.000 USD. Zum Vergleich. Im Haushaltsjahr 2020/21 lag der Anteil der Pflichtbeiträge bei 10,2 %, jener der flexiblen Fonds insgesamt bei 16,5 %. Im Haushaltsjahr 2022/23 erreichten die Pflichtbeiträge 9,2 % des Gesamtbudgets, die flexiblen Fonds insgesamt 17,6 %. Zum Ganzen WHO Financing 2025.
- 4Ähnliches gilt laut AMPS für die Rockefeller-Gruppe, die direkt an die WHO, aber auch an andere Organisationen gespendet hat, die wiederum die WHO sponsern, AMPS 2025, 25.
1 Kommentar
Die USA und Russland lehnen (neben einigen weiteren Staaten) die Umsetzung der IGV Änderungen von 2024 ab, da sie befürchten, das . Abkommen könnte ihre staatliche Souveränität bei der Pandemiebekämpfung unterminieren.