Thomas-Michael Seibert

Von Corona-Aufarbeitung ist viel die Rede. Inzwischen wollen sogar die Täter des Corona-Unrechts Aufarbeitung, nicht zuletzt, um sich anschließend gegenseitig zu bescheinigen, dass sie doch eigentlich alles ziemlich richtig gemacht haben – mit dem Wissen von damals. Aber auch wenn man davon absieht und sich auf ernsthafte Bemühungen konzentriert, bleibt nicht viel Ermutigendes.
Man kann sich zwar damit trösten, dass eine Tätergeneration historisch noch nie in der Lage war, irgendetwas aufzuarbeiten. Aufarbeitungen, die das Wort verdienen, beginnen 30 Jahre später. Allerdings kann man in der Zwischenzeit etwas anderes Nützliches tun, nämlich wenigstens davon absehen, das Unrecht zu vertiefen. Dazu aber lässt sich im Augenblick nur Trauriges berichten.
Am 11. August 2025 hat der Arzt Dr. Heinrich Habig eine Haftstrafe von drei Jahren im Gefängnis antreten müssen. Sie beruht auf zwei Verurteilungen durch Teilurteile des Landgerichts Bochum. Teilurteile waren in Strafsachen früher unbekannt. Im Fall sind sie trotzdem ergangen, und zwar wegen Ausstellens falscher Gesundheitszeugnisse in ca. 200 Fällen. Die ausgeurteilte Freiheitsstrafe beträgt jeweils über zwei Jahre, aus denen eine Gesamtstrafe gebildet werden musste. Habig hat Impfbescheinungen ausgestellt, die nach dem Wissen von damals nicht hätten ausgestellt werden sollen.
Erinnert sich jemand?
Da gab es 3G-, 2G- oder 2G Plus-Regeln oder Tests und Nachweisanordnungen für die Teilnahme am öffentlichen Leben. Weiß man noch, wozu sie dienten? Hat man ermittelt, was sie bewirkt haben, überdacht, welche Grundlage sie hatten und vor allem: wie lange sie wo jeweils galten? Das konnte nicht einmal das BVerfG, das anstelle eigener Begründungen auf die formale Reputation angeblicher Sachverständiger und Sachverständigenräte verwiesen hat. Alle diese merkwürdigen, aus heutiger Sicht ohne sachliche Grundlage beschlossenen und verordneten Normen galten nur zeitweise. Sie wurden jeweils für begrenzte Dauer beschlossen und dann außer Kraft gesetzt.
Für die Strafverfolgung der Unbotmäßigen gilt das aber nicht. Über das Verfahren, die Hauptverhandlungen und das wesentliche erste Teilurteil gegen Heinrich Habig hat der Kontrafunk bereits vor zwei Jahren ausführlich berichtet. Ich selbst habe das Urteil als Skandal bezeichnet und dessen Aufhebung in der Revision vorhergesehen. Ich lag falsch. Allerdings haben wir nicht erfahren, in welchen Punkten. Denn von den vielen skandalösen Umständen des Verfahrens und der Verurteilung berichtet die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs nichts. Es handelt sich um einen sog. OU-Beschluss – „offensichtlich unbegründet“ soll das heißen, als „offensichtlich ungelesen“ übersetzen das seit ehedem die Spötter. Es ist selbst ein Skandal, mit der Behauptung, eine Sache sei „offensichtlich unbegründet“ und man müsse eine eigene Begründung trotz sichtbarer Merkwürdigkeiten nicht abgeben, zu operieren.
Aber Skandalisierung hat im Rechtsstaat natürlich nichts zu suchen. Wir erleben nur dessen andere Seite. Normalerweise dominiert im Begriff „Rechtsstaat“ die bürgerfreundliche Vorstellung. Das Recht sollte den Staat bestimmen – so dachten es sich die Aufklärer. Es kann aber auch umgekehrt sein, und dann bekommt der Begriff eine autoritäre, bürgerfeindliche Bedeutung. Will sagen: Im Rechtsstaat bestimmt allein der Staat, was Recht ist. Durch den Prozess der Gesetzgebung verliert das Recht jede Eigenständigkeit, es ist staatsabhängig und das Volk hat dazu nichts mehr zu sagen. Man nennt das juristisch „Positivismus“, und solcher Positivismus führt in Fällen wie dem Habigs dazu, dass der Staat im Irrtum feststeckt.
Es werden zwei Teilurteile einer einheitlichen Hauptverhandlung begründungslos bestätigt und vollstreckt. Aus zwei Urteilen von jeweils über zwei Jahren wird eine Gesamtstrafe von drei Jahren. Habig saß bereits 16 Monate in Untersuchungshaft, und was das heißt, hat er selbst in einem Interview geschildert. Untersuchungshaft ist schlimmer als Strafhaft und das sollte Folgen haben. Nach § 57 StGB kann die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit zu verantworten ist. Die Zeit läuft also, in der die Justiz – wenn sie schon Unrecht nicht aufarbeiten will – darauf hinwirken kann, dass die weitere Vollstreckung von Freiheitsstrafen unterbleibt. Wenn jemandem wie Heinrich Habig Übles widerfährt, gibt es im Alltag zwar Zeitgenossen, denen das gefällt, und man darf spekulieren, was dahinter steckt: Schadenfreude, Sadismus, Rache oder was das Repertoire der Laster sonst noch zu bieten hat. Aber Richter halten sich von solchen Gefühlen ja wohl fern. Jedenfalls lehrt das die strafrechtliche Ausbildung. Vielleicht wirkt diese Ausbildung wenigstens in die Strafvollstreckung hinein. Heinrich Habig ist eine racheunabhängige Strafvollstreckungskammer zu wünschen, die in allernächster Zeit die vorzeitige Strafaussetzung zur Bewährung beschließt. Das wäre zwar keine Aufarbeitung, aber ein kleines Zeichen der Menschlichkeit in einem unverstandenen Aufarbeitungsbetrieb.
Dieser Text ist die schriftliche Fassung eines am 21.08.2025 im Kontrafunk gesendeten Kommentars.
11 Kommentare
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„Für die Professoren ergeben sich aus dieser Antwort „weitere, zum Teil fundamentale, die Wissenschaftsfreiheit betreffende Fragen“. Wenn das RKI nicht die Freiheit habe, „die Öffentlichkeit über wissenschaftliche Erkenntnisse unabhängig und vollumfänglich zu informieren“, „könnte es doch sein, dass Veröffentlichungen des RKI aus wissenschaftlicher Sicht unvollständig, missverständlich oder gar falsch sind“. Im Kontext der Covid-Pandemie hätten sich sowohl das BMG als auch die Gerichte zur Begründung von Maßnahmen immer wieder auf das in Veröffentlichungen dargelegte „wissenschaftliche Urteil“ des RKI berufen, welches aber laut Schaades Antwort „nicht notwendigerweise den unverfälschten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis wiedergibt“. Diese Problematik sei „vor allem für Gerichtsentscheide bedeutend, bei denen stets auf die Ausführungen des RKI als wissenschaftlichem Goldstandard verwiesen wurde“. Das RKI könne diesem Anspruch aufgrund der von Schaade eingeräumten Weisungsgebundenheit nicht gerecht werden.“
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/professoren-decken-auf-im-rki-schlaegt-die-politik-die-wissenschaft-li.2357637
Teilurteile waren in Strafsachen früher unbekannt, schreiben Sie.
Ich würde wirklich gern die Rechtsgrundlage dafür erfahren.
Wissen Sie oder jemand anderes etwas dazu?
Möglichkeit und Zulässigkeit von Teilurteilen ist nur in der Zivilprozessordnung geregelt (dort § 301), also bei Streit zwischen Bürgern, etwa auf Zahlungen. Dort erfährt man, dass ein Teilurteil zulässig ist, wenn der Streitgegenstand teilbar, nur ein Teil entscheidungsreif und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist, wie BGH, Urt. v. 13.7.2011 – VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 entschieden hat. Das trifft im Falle Habig alles nicht zu. Überhaupt gibt es in der Strafprozessordnung nur einen allgemeinen Verweis auf die Zivilprozessordnung, von Teilurteilen steht da nichts. Es ist nämlich fast nie grundsätzlich unmöglich, sich nicht widersprechende Einzelentscheidungen zu erlassen. So auch hier. Normalerweise wird deshalb in einem solchen Fall der nicht entschiedene Rest aus prozessualen Gründen eingestellt. Die Möglichkeit des Teilurteils ist für Strafrichter (ich war einer) völlig neu, man hätte gerne etwas vom BGH dazu gelesen, aber dem Senat ist auch nichts eingefallen als „offensichtlich unbegründet“. Das ist eine offensichtliche Fehlleistung.
3/4 der Deutschen sind 2020-22 fanatisch oder feige mitmarschiert, in der Bildungselite und Führungsschicht noch deutlich mehr. Zwar hat sich der Anlass, die COVID-Massenhysterie, komplett in Luft aufgelöst, aber nicht die generelle Bereitschaft zu Fanatismus und Kriecherei. Im Gegenteil haben sich die Selbstgewißheit und Schamlosigkeit der 75% weiter gefestigt und der Respekt vor Rechtsstaat, Opposition und Demokratie ist gering wie nie zuvor. Mein Gefühl und mein Verstand sagen mir, dass die eigentliche Katastrophe uns noch bevorsteht, und ich rechne mit 10-20 sehr finsteren Jahren, bis die Allianz von Fanatismus (Linksgrün) und feigem Opportunismus (Schwarzgelb) hinreichend Tod und Zerstörung hinterlassen haben und die Vernunft wieder eine Chance bekommen wird.
…. müsste es nicht Habeck heißen, weil er …
Vieles hat mich in der C-Zeit erschreckt. Und als dann hier und dort die Wahrheit hervorlugen durfte, hoffte ich auf Gerechtigkeit und Rehabilitation. Ich bedauere jeden, der wg fehlender Rechtsstaatlichkeit das Land verlassen hat. Und ich verstehe, dass man nicht wiederkommt, falls es woanders einen persönlichen Neustart geben kann. Aber diese anhaltende Signalwirkung, besser das Maul zu halten, überhaupt keine Meinung mehr zu äußern, weil man sonst so abgestraft wird, finde ich fatal. Sie begegnet mir tagtäglich. Bzw. dieses Verdrehte, dass an C doch was Wahres dran war und Maßnahmen jeglicher Couleur gerechtfertigt waren. Ich komme aus dem fassungslosen Staunen seit 2020 gar nicht mehr heraus. Beste Grüße
Bei auf 1 gibt es ein interview mit dem Rechtsanwalt von Herrn Dr.Habig was ich sehr empfehlen kann. Er sagte Dr. Habicht würde sich sehr über Post freuen.
Wie heißt der Beitrag und von wann ist er?
Menschen sind durch diese Injektionen gestorben oder für ihr Leben gezeichnet. Der Staat und damit auch unsere Rechtsprechung ist bemüht, einen Zusammenhang von Nebenwirkungen und Ursache unsichtbar zu machen. Eigene Studien, um eine Kausalität auszuschließen oder zu belegen, werden verweigert.
Der Proband (und seine Angehörigen), der sich – im Vertrauen zu seinen Institutionen – hat spritzen lassen, wird mit seinem Leid zurückgelassen. Ohne Anerkennung, ohne Anteilnahme, ohne Entschädigung.
Ich schäme mich für jeden, der an diesen Verbrechen maßgeblich beteiligt war und dieses Unrecht weiterhin zulässt.
Ich sitze in meiner Wohnung und verstehe die Welt nicht mehr. Eine Katastrophe folgt der anderen. Ich bin schon ziemlich alt, hatte das Privileg, in einer Zeit aufzuwachsen, die ohne Kriege ausgekommen ist.. Wenn ich nicht ein paar Freunde hätte, kennengelernt in der Corona-Zeit, wüsste ich nicht, was ich tun würde. Ohnmächtig muss man diese Ungerechtigkeiten schlucken? Was soll man dagegen tun? Was kann man tun? Hat jemand eine Idee?……
Alles Liebe und Gute für Hr. Habig.
Man verliert jegliches Vertrauen in die Justiz und in die Politik und sowas ist schwerlich wieder her zu stellen. Anscheinend kapieren die Verantwortlichen nicht was im Endeffekt dabei heraus kommt.Jeglicher schwarzer Vorhersagen ist Vorschub geleistet.