„Die Menschen dieses Landes sind keine Untertanen.“ – Hans-Jürgen Papier

Warum Juristen bei der Aufarbeitung der Corona-Politik versagen

Jörg Benedict

Nicht die Corona-Maßnahmen als solche, sondern das mit diesen verbundene Unrecht hat sich tief in die Seelen der betroffenen Menschen gebrannt. Eine Aufarbeitung der Corona-Zeit braucht daher eine ehrliche Betrachtung auch der juristischen Zustände und Zumutungen.

Die Geschichte ist die Lehrmeisterin des Lebens (Historia Magistra Vitae), meinte der alte Cicero. Und wenn nun allenthalben eine „Aufarbeitung“ der Corona-Zeit gefordert wird, dann geht das sicher nur durch eine ehrliche Betrachtung der politischen, gesellschaftlichen und juristischen Zustände und Zumutungen, deren Beginn mittlerweile fünf Jahre zurückliegt, ohne dass bereits einvernehmlich Lehren aus dieser Zeit gezogen worden wären.

Aus der Geschichte nichts zu lernen, hat im Regelfall zwei Gründe. Der eine Grund liegt im eingeschränkten Erinnerungsvermögen bzw. der strategischen Weigerung, sich mit der Mühsal einer ehrlichen Analyse der Vergangenheit überhaupt zu befassen. Der zweite und wenigstens ebenso häufig anzutreffende Grund liegt in der Hybris, ohnehin schon alles zu wissen: Die Geschichte belehrt nicht, sondern bestätigt, was man ohnehin schon zu wissen vermeint. Alles, was sie nicht bestätigt, hat auch nicht stattgefunden.

Lehren der Pandemie

Mit dieser eher eingeschränkten zweiten Perspektive hatte es vor einiger Zeit Hendrik Streeck zu tun, als er in einem ausführlichen Interview mit dem Focus den Fehler beging, „Corona-Ungeimpfte mit Juden“ zu vergleichen. Tatsächlich wollte er auf ein sehr wesentliches Problem der Corona-Politik aufmerksam machen.  Wörtlich sagte er:

„Da ist man mit einem Anteil der Bevölkerung, rund 20 Prozent, nicht gut umgegangen. Es wurden Schuldige gesucht, wie es bei der Pest mit den Juden gemacht wurde und bei HIV mit den Homosexuellen. Wir haben aus unserer Geschichte nicht gelernt. Der wahre Feind ist doch das Virus, nicht der Mensch.“ 

Der mediale Aufschrei war erwartbar. Schnell sprach man von einer „antisemitischen Entgleisung“, von „Verharmlosung des Antisemitismus“ und einem „Medienskandal“. Ein Vergleich ist zwar keine Gleichsetzung, aber es gilt ein ungeschriebenes Tabu in Deutschland, das Schicksal der Juden überhaupt zu relativieren (d.h. in irgendeine historische Relation zu setzen). Der Virologe hat sich entschuldigt und dennoch klargestellt:

„Mein Punkt ist: Gerade wir Deutsche müssen uns an unserer Geschichte messen lassen. Wir dürfen nie wieder Gruppen oder Identitäten zu Schuldigen von Pandemien oder Krankheiten stilisieren und ausgrenzen. Die historischen Beispiele des Hasses auf Homosexuelle während der HIV-Epidemie sind Mahnungen, an die wir denken müssen. Grausam und perfide war auch die antisemitische Schuldprojektion auf Juden in Zeiten der Pest. Mein Punkt vergleicht nicht das Leid der Ausgrenzung, sondern den Mechanismus, mit welchem Menschen zu Feindbildern gemacht werden (…) Wir müssen als Gesellschaft auf solche Mechanismen aufmerksam machen, bevor sie vergleichbar werden – nicht erst in der traurigen Rückschau!“

Wenn sich die Lehren der Pandemie nur in dieser Erkenntnis zusammenfassen ließen, wir hätten schon viel gelernt. Freilich bliebe die Ernüchterung, dass wieder nur eine „traurige Rückschau“ erfolgt, weil diese Lehren nicht präsent gewesen sind und mithin die Gefahr besteht, dass die Mechanismen der Ausgrenzung sich immer aufs Neue wiederholen werden. Geschichte selbst wiederholt sich bekanntlich nicht, aber die Struktur dessen, was sie im speziellen Fall antreibt. Und um diese Struktur auf einen allgemeinen Begriff zu bringen, bietet sich der Topos „Epistemisches Unrecht“ an, der im Folgenden genauer erläutert und für die Aufarbeitung der Corona-Politik generell empfohlen werden soll. 

Nero, die Lüge und das Recht

Das Verhältnis des Kaisers zu seiner Mutter hatte sich seit seinem Amtsantritt drastisch verschlechtert. Nur fünf Jahre nachdem sie ihrem Sohn den Weg auf den Thron geebnet hatte, sann dieser nun auf Mord. Unter dem Vorwand, sich mit ihr zu versöhnen, lud Nero die verhasste Frau auf seinen Sommersitz nach Baiae. Für ihre Rückreise aber ließ er ein Schiff derart präparieren, dass es sicher untergehen und – so jedenfalls der Plan – auch die Kaiserin Mutter sicher ertrinken sollte.

Doch der Anschlag schlug fehl. Agrippina vermochte sich an Land und sodann in ihre Villa in Bauli zu retten. Um nun nicht bei Nero den Verdacht aufkommen zu lassen, sie würde ihm den Schiffbruch als Mordversuch zur Last legen und ihrerseits auf Rache sinnen, sandte sie ihren treuesten Diener, Lucius Agerinus, mit der Nachricht zu ihrem Sohn, dass sie das Unglück unverletzt überstanden habe, gesund und wohlauf sei und sich auf ein baldiges Wiedersehen freue. Arglos überbrachte Agerinus die Botschaft. Nero jedoch war alles andere als erfreut: Er warf dem Boten seinen Dolch vor die Füße und ließ ihn als einen auf frischer Tat ergriffenen Meuchelmörder sofort in Fesseln legen und hinrichten.

Arroganz der Macht

Die Geschichte des Rechts ist voll von Ungerechtigkeiten wie diesen. So wie Agerinus wurden über die Jahrhunderte Unzählige gerichtet, ohne dass ihre Handlungen je eine Verurteilung verdient hätten. Und doch fehlt den Juristen ein Begriff, derartiges Unrecht zu fassen. Es geht um eine besondere Form des Unrechts: Es geht um Willkür und Arroganz der Macht. Es geht um Unrecht, das auf einer konstruierten Lüge basiert. Es geht um epistemisches Unrecht.

Das Unrecht ist epistemisch, weil das Recht auf (ἐπι-, epi-) einer Wahrheit zu stehen (ἵστημι, hístēmi) vorgibt, die tatsächlich eine Lüge ist. Das altgriechische Wort Istor für Richter und die römische historia verweisen nicht zufällig auf diesen Begriff (ἐπιστήμη, epistḗmē), weil alles Wissen nur nach einer gründlichen Erforschung der Wahrheit Bestand haben kann. Und dieses Wissen ist kein anderes als historisches Wissen, es ist cognitio ex datis: Wissen aus Fakten.

Dass es Recht ist, Mörder zu bestrafen, wird selten ernsthaft bezweifelt. Die dahinterstehende normative Wertung ist allgemein bekannt und anerkannt. Es handelt sich um ein Wissen aus normativen Prinzipien: cognitio ex principii. Dass darüber hinaus gelegentlich Menschen zu Unrecht als Mörder oder wegen anderer Taten, die sie nicht begangen haben, verurteilt werden, wird als zwar bedauerliche, aber doch nur gelegentliche Tatsache zur Kenntnis genommen.

Die Sprache hält für diese Unvollkommenheit der Justiz den Begriff „Fehlurteil“ bereit. Wie aber nennen wir Urteile, die, wie im Fall des Agerinus, von vornherein auf manipulierten Annahmen zur Wirklichkeit basieren? Vielleicht „schreiendes Unrecht“, um die ohrenbetäubende Lautstärke des Unrechts hervorzuheben? Doch sehr häufig „schreit“ dieses Unrecht eben nicht. Es wird verschwiegen, bleibt als Unrecht verborgen, gerade weil es als Recht ausgegeben wird.

Propaganda des Herrschens

Wenn etwas offiziell verkündetes Recht ist, dann kann es nicht zugleich auch Unrecht sein. Oder doch? Dass Kaiser Nero als Muttermörder und Tyrann in die Geschichte eingegangen ist, ist eine Erkenntnis post mortem. Wir verdanken sie erst der späteren Geschichtsschreibung, den Berichten eines Sueton, eines Cassius Dio oder Tacitus. Zu seinen Lebzeiten hingegen wurde nicht Nero, sondern seine Mutter Agrippina vom Volk gehasst. Und wer gehasst wird, ist in den Augen der Hassenden immer im Unrecht.

Es gehört zur Propaganda des Herrschens, den politischen Feind vor dem Forum der Öffentlichkeit verhasst zu machen. Nicht das Recht wird dabei verdreht, sondern die Wahrheit. Dass demnach Agrippina das gleiche Schicksal ereilen musste wie den von ihr vermeintlich beauftragten Mörder, wurde während der Regentschaft Neros selbstverständlich als Recht angesehen. Nicht, weil es tatsächlich recht war, sondern, weil es als Recht dem Volk verkündet wurde. Die Lüge vom gescheiterten Anschlagsversuch und vom Tod der konspirativen Agrippina eilte dem Kaiser in einem Brief an den Senat nach Rom voraus. Die Verleumdung war gespickt mit weiteren unbelegten Beschuldigungen, deren einziges Ziel es war, die letzten Zweifel an der Nichtswürdigkeit seiner Mutter, die einst von Claudius zur Augusta erhoben worden war, endgültig zu diskreditieren.

Tacitus berichtet, dass die Kunde vom „glücklich vereitelten Mord“ den jungen Kaiser nur noch beliebter gemacht habe:

„Das Volk zieht dem Kaiser entgegen, im Festschmuck der Senat, Scharen von Frauen und Kindern, nach Geschlecht und Alter geordnet. Wo er einziehen soll, sind Tribünen aufgebaut, wie man bei Triumphzügen zusieht. Stolz aufgerichtet, begeistert und frohlockend über den öffentlich bekundeten Sklavensinn, fuhr er dann aufs Kapitol hinauf, verrichtete ein Dankgebet – und stürzte sich in alle Ausschweifungen, die er zwar auch früher nicht ganz zurückgehalten, nun aber ohne Scheu vor der Mutter beging.“

Die Propaganda verkündet die Lüge als Wahrheit. Und die Menge trägt sie weiter durch die Straßen und von Haus zu Haus. Die irre Begeisterung feiert die Gräuel als Taten der Gerechtigkeit. So eingepflanzt wachsen die Episteme im manipulierten Glauben der Zeit. Der Grad der Unterdrückung von Zweifeln und die Verfolgung der Nicht- oder Andersgläubigen kennzeichnen dann den Grad der mit der Lüge einhergehenden Tyrannei. Kurz: Die Episteme der Unwahrheit machen das, was als Recht verkündet und exekutiert wird, zu epistemischem Unrecht.

Von den Schmelztiegeln der Vernunft

Im Gedächtnis der Welt ist Nero nicht wegen des Justizmords an einem unschuldigen Boten geblieben. Kaum jemand erinnert sich heute an den inszenierten Schiffbruch seiner Mutter und ihre brutale Hinrichtung im Auftrag des Kaisers. In Erinnerung geblieben ist Nero als der Brandstifter Roms, der diese Tat einer neuen, ganz unheimlichen Sekte zuschrieb, deren Angehörige einen gekreuzigten Gott anbeteten, dessen Körper verspeisten und sein Blut tranken: Gruselgeschichten, die allemal reichten, dieser Gruppe von Menschen auch jede andere Untat anzudichten und ihre grausamen Hinrichtungen in der Arena oder bei Lustgelagen vor dem Volk zu rechtfertigen.

Die Christenverfolgungen und Pogrome unter Nero – und in konsequenter Radikalität bis hin zu Kaiser Diokletian – entsprangen den verbreiteten Epistemen der Zeit. Sie fanden ein Ende erst unter dem Toleranzedikt Konstantins und der Erhebung des christlichen Glaubens zur Staatsreligion. Von nun an waren es Häretiker und andere Glaubensgemeinschaften, die für allfälliges Unglück oder aus Staatsräson zur Verantwortung gezogen wurden. Die Beschränktheit des menschlichen Verstandes jenseits rationaler Aufklärung ist seit jeher der fruchtbare Boden gewesen für epistemisches Unrecht.

Wie rational und präsent die vermeintliche Irrationalität menschlicher Handlungen und juristischer Urteile ist, konnte und kann jeder etwa an den Hexenprozessen des Mittelalters und der Neuzeit bis heute studieren. In einer Welt, in der natürlich erklärbare Ereignisse mit übernatürlichen Kausalitäten assoziiert werden, in der Hexerei und das Wirken des Satans als dem Beweis zugängliche Realität angesehen werden, in so einer Welt sind die aus diesen Glaubenssätzen (Episteme) folgenden Urteile offiziell verkündetes Recht, tatsächlich aber epistemisches Unrecht.

Arthur Miller hat sein Stück „Hexenjagd“ auf der Basis realer Ereignisse in Salem 1692 und vor dem Hintergrund der Kommunistenjagd der McCarthy-Ära 1953 geschrieben. Vorgetäuschte Krankheiten bildeten den Ausgangspunkt eines Gerichtsverfahrens, in dessen Verlauf ein paar überdrehte Mädchen als Hauptbelastungszeugen bald die halbe Gemeinde als Hexen denunzierten. Der Originaltitel Millers, „The Crucible“ (Der Schmelztiegel), macht mehr noch als die deutsche Übersetzung deutlich, was es heißt, wenn eine Lüge immer weiter um sich greift und von der Autorität der Staatsmacht als unleugbare Wahrheit ergriffen wird: Die bis eben noch bestehende zivile Ordnung nimmt einen anderen Aggregatzustand an.

Nichts ist mehr sicher, was in die Nähe einer eifernden Jurisdiktion gerät: Das epistemische Unrecht schmilzt jedes Bewusstsein für Rationalität gemeinsam mit der bis eben noch bestehenden zivilen Normalität vollständig ein. Hunderte werden beschuldigt, inhaftiert und zu aberwitzigen Falschaussagen getrieben. Ernten werden nicht mehr eingebracht, das Vieh verendet, der Handel erliegt. Am Ende sind Dutzende gerichtet, dauernde seelische Wunden gerissen, Familien und Gemeinden zerstört. Die Selbstgerechten der Justiz meinen gleichwohl, sie hätten das Böse ausgetrieben und ihr gerechtes Werk getan. Fiat Iustitia, et pereat mundus!

Von Experten, Lockdowns und Kindern als Ratten

Die Zeiten ändern sich über die Jahrhunderte, die Grundstruktur epistemischen Unrechts bleibt: Recht, das auf Lügen gebaut ist, wird verkündet und gnadenlos exekutiert. Wir dünken uns heute aufgeklärt und rational, und doch erlebt der irrationale Umgang mit Wahrheit und Lüge vielleicht gerade deshalb eine bis vor Kurzem kaum geahnte Konjunktur. Jede Generation erhebt sich im Dünkel über die Irrtümer der Vergangenheit. Dabei wird Wahrheit heute mehr denn je medial konstruiert und die überdrehten „Experten“ von heute übernehmen die Rollen der eifernden Priester von gestern.

Es gab in der sog. „Corona-Zeit“ viele Episteme, die einen gigantischen Schmelztiegel für immer neue Stufen des Ausnahmezustandes angeheizt und die Welt, wie wir sie kannten zum Schmelzen gebracht haben: „Flatten the Curve!“, „Follow the Science!“, „Pandemie der Ungeimpften!“  (…), die Zeit war ein Eldorado für Sozialingenieure, PR-Agenten und alle, die schon immer mal im „Maschinenraum der Macht“ an den Knöpfen spielen und Hebel in Richtung sozialer Erhitzung umlegen wollten: „Wir bewegen uns in eine neue Normalität“, verkündete mit der ihm eigenen Nüchternheit Olaf Scholz am 15. April 2020 (damals als Vizekanzler). Seit einem Monat galt da bereits ein nie dagewesener „Lockdown“, der nach dem Vorbild im chinesischen Wuhan auch in Deutschland und nahezu allen anderen europäischen Ländern von den Hütern der Weltgesundheit empfohlen worden war.

Der „Lockdown“ (originär ein Begriff aus der Gefängnisverwaltung: das Einschließen von Gefangenen in ihren Zellen) war die erste drastische Maßnahme, die von Seiten der Politik aus hygienischen Gründen zur Bekämpfung einer als hochgefährlich angesehenen Infektionsgefahr eingesetzt wurde: ein zermürbender zäher Zustand, der sich in das kulturelle Gedächtnis des Landes als eine dystopische Grenzerfahrung tief eingegraben hat. Spätestens im Herbst 2020 konnten alle, die es wissen wollten, gleichwohl erkennen: Alle diese Maßnahmen, Ausgangssperren, Versammlungsverbote, Schul- und Geschäftsschließungen, vor allem aber auch die kategorische Isolation von gesunden und vor allem alten und einsamen Menschen, all das war nicht einfach nur unverhältnismäßig, es war epistemisches Unrecht.

Nicht die Maßnahmen als solche, sondern das mit diesen verbundene Unrecht hat sich tief in die Seelen der betroffenen Menschen gebrannt. Das Unrecht entsprang aus der Unterdrückung der Wahrheit, der Unterdrückung einer ehrlichen Debatte über die epistemischen Annahmen, die zur Rechtfertigung immer neuer Stufen der gesellschaftlichen Erhitzung herangezogen wurden. Ernstzunehmende kritische Stimmen wurden schon früh rigoros unterdrückt.

Unerbittlicher Kurs der Regierung

Die Kanzlerin hatte sich bereits im Frühjahr 2020 alle „Öffnungsdiskussionsorgien“ kategorisch verbeten und damit ihren und den unerbittlichen Kurs der Regierung klargestellt: „Wir hören auf die Wissenschaft.“ Heute wissen wir, dass es sich bei dieser vermeintlichen Positionierung auf „die“ Wissenschaft um eine politische Entscheidung gehandelt hat, wonach von vornherein nur die Wissenschaftler als „Experten“ ausgesucht wurden, die die Episteme der Lockdowns mit fantastischen Horrorszenarien vorbereiteten und in unzähligen Talk-Shows medienwirksam propagierten.

Die Medien verkündeten nun (fast) unisono, dass es keine Rückkehr zur Normalität mehr geben werde: „All diesen Spinnern und Corona-Kritikern sei gesagt: Es wird keine Normalität mehr geben“, erklärte etwa bereits am 6. Mai 2020 Rainald Becker in den „Tagesthemen“. Der „Status quo ante“ wurde eingeschmolzen im eifernden Rigorismus einer „neuen Normalität“, die sich vor allem in einer zunehmenden Gereiztheit, Ausgrenzung und Spaltung der Gesellschaft manifestierte. Tausende Einzelfälle epistemischen Unrechts.

Täglich und stündlich wurde Gericht gehalten, in den offiziellen Foren der Medien-Öffentlichkeit. Die Angeklagten waren schnell ausgemacht: die „Schwurbler“, „Querdenker“, „Coronaleugner“, „Covidioten“ oder welche Begriffe zur Etikettierung der Ungehorsamen sonst noch gefunden wurden. „Mehr Diktatur wagen!“, forderten dementsprechend Protagonisten der „neuen Normalität“, und die repressive Exekutive entdeckte die „Delegitimierung des Staates“ als neue Kategorie zur Überwachung und Reinhaltung des Diskursraumes. Verfolgt wurden nun alle, die die offiziell verkündeten und rechtlich sanktionierten Episteme anzweifelten: die Maßnahmenkritiker, die Maskenverweigerer und natürlich die „Ungeimpften“.

Todernst gemeinte Impfpropaganda

Unendlich viel Unsinn wurde als Wahrheit vorgetragen. Aber kaum eine Lüge war so perfide wie die Gleichsetzung von Kindern mit Ratten und die stete Assoziation von Corona mit der Pest. In dieser Richtung konnte gar nicht genug übertrieben werden:

„Was die Ratten in der Zeit der Pest waren, sind Kinder zurzeit für Covid-19: Wirtstiere. Ständig infizieren sie sich mit irgendwelchen Viren, und was machen die unverantwortlichen kleinen Halbmenschen dagegen? Nix!“

So lautete die todernst gemeinte Impfpropaganda eines reichweitenstarken Agitprop-Satirikers; denn „geimpft, geboostert sind die wenigsten, die kleinen Querdenker“. Kinder: „schlimmer als Aluhutträger“ und natürlich „unverantwortlich“. Die Angst erzeugenden Erzählungen von der tödlichsten Pandemie seit der „Spanischen Grippe“ und dem völligen Ausgeliefertsein aufgrund der kaum vermeidbaren „asymptomatischen Ansteckung“ verdichteten sich zu dem perfiden Epistem, wonach neben den „Ungeimpften“ die Kinder als besondere „Treiber der Pandemie“ ausgemacht wurden. Schulschließungen, durchgängiges Maskentragen und strenges Testregime setzten Eltern und Kinder ebenso unter Druck wie die Zumutungen von Schuldzuschreibungen, wenn die in den Heimen eingesperrten Omas und Opas nicht an Einsamkeit, sondern mit einem positiven PCR-Test starben.

Immanuel Kant und das fehlende Gehirn der Jurisprudenz

„Was ist Recht? Diese Frage möchte wohl den Rechtsgelehrten, wenn er nicht in Tautologien verfallen, oder statt einer allgemeinen Auflösung auf das, was in irgend einem Lande die Gesetze zu irgend einer Zeit wollen, verweisen will, eben so in Verlegenheit setzen, als die berufene Aufforderung: ‚Was ist Wahrheit?‘ den Logiker“,  schrieb Immanuel Kant. Juristen kennen kein epistemisches Unrecht. Nach Auffassung des großen Königsberger Philosophen können Juristen weder die Frage nach dem, was Recht oder Wahrheit ist, beantworten, noch könnten sie überhaupt zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Die Rechtslehre der Juristen sei, so Kant, wie der hölzerne Kopf in Phädrus‘ Fabel, „ein Kopf, der schön sein mag, nur schade! daß er kein Gehirn hat“.

Wenn Kant mit „Gehirn“ das Bewusstsein für die epistemischen Bedingtheiten allen Rechts im Sinn gehabt haben sollte (wofür m.E. gute Gründe sprechen), dann würde er diese seine kritische Aussage für die Rechtsprechung der Corona-Zeit in jeder Hinsicht bestätigt finden: Die Voraussetzungen für alle Maßnahmen entsprangen einer allgemein verbreiteten diffusen Selbstevidenz der „Bilder von Bergamo“ und dem steten Rekurs auf die Autorität der von der Bundesregierung zu solchen ernannten „Experten“, allen voran den Stellungnahmen des RKI, unter dem Leitsatz: „Diese Regeln dürfen überhaupt nie hinterfragt werden“ (Lothar Wieler). Kritiker wurden weder in den Medien noch erst recht nicht in den Gerichtssälen gehört. Und 1000 Wiederholungen machen bekanntlich eine Wahrheit. Kurz: Die öffentlich verbreitete war auch die gerichtsbekannte Wahrheit. Darüber musste kein neuerlicher Beweis erhoben werden. Auch Juristen sind nur Menschen, und sie verinnerlichen die offiziell verkündeten Episteme der Zeit.

Darüber hinaus folgen Juristen der „reinen Rechtslehre“, wonach jeder beliebige Inhalt Recht sein kann und es gerade das Kennzeichen einer echten juristischen Qualifikation ist, sich nicht mit fachfremden Fragen, etwa der Mikrobiologie, Virologie oder Epidemiologie, befassen zu müssen. Wenn demnach Juristen gar nicht in Erwägung ziehen, dass die Episteme des Rechts falsch sein könnten, und es ihnen demnach egal ist, ob es vielleicht auch ernstzunehmende Wissenschaftler gab, die eine ganz andere Auffassung zur Gefährlichkeit des Virus oder zur epidemiologischen und medizinischen Nützlichkeit von Lockdowns, PCR-Tests, Isolationen, Masken, 2G-Regeln und mRNA-Impfungen vertreten, dann muss es nicht verwundern, dass die Episteme der Pandemie an den deutschen Gerichten tatsächlich „nie hinterfragt“ wurden.

Das Vertrauen in den Rechtsstaat schmolz in der „neuen Normalität“ zu einem blinden Vertrauen in die Expertise des Maßnahmenstaats. Das gemeinsame Abendessen im Kanzleramt zwischen ausgewählten Vertretern der Bundesregierung und des Bundesverfassungsgerichts angesichts von über 400 Verfassungsbeschwerden gegen die sog. „Bundesnotbremse“ machte den Zusammenhang für jeden, der sehen wollte, mehr als sichtbar: Es gab keine Gewaltenteilung, keine gerichtliche Kontrolle der Exekutive. Der Gleichschritt der drei Gewalten gehörte zur neuen Normalität. Und das bedeutete vor allem eines: Es gab keine rechtliche Überprüfung der den Maßnahmen zugrundeliegenden Episteme.

Schwerwiegendste Eingriffe ins Grundrecht

Damit ist in der gerichtlichen Praxis etwas ganz Erstaunliches geschehen: Die sonst für jeden Gerichtsprozess ganz selbstverständliche Aufklärung der Wahrheit hat während der „Corona-Pandemie“ nicht stattgefunden. Man stelle sich vor, in einem Zivilprozess würde das Gericht unbesehen den Ausführungen der Beklagten folgen und die Einwendungen des Klägers als pure „Schwurbelei“ bezeichnen. Und wenn nun dieser den Vorwurf der Befangenheit des Richters erhebt, weil er mit seinem Vortrag gar nicht gehört werde und sich Richter und Beklagte regelmäßig in deren Penthouse miteinander besprechen, würde er zu hören bekommen, dass die Elite des Ortes sich nun halt gelegentlich über die Wahrheit und das Recht verständigen müssten, mit (epistemischer) Voreingenommenheit habe das gar nichts zu tun. Was würden wir von so einem Verfahren halten? Würden wir nicht den Richter und, wenn das der Standard an allen Zivilgerichten wäre, das Justizsystem als Ganzes für korrupt erklären?

Oder wenn in einem Strafprozess der Vortrag des Angeklagten mit der Begründung nicht gehört würde, das Gericht vertraue ganz auf den Inhalt der Anklageschrift, man habe sich bei einem gemeinsamen Abendessen bereits mit der Staatsanwaltschaft ausgiebig über den Sachverhalt ausgetauscht, es bedürfe keiner weiteren Beweisaufnahme über den Hergang der Dinge, die Anklage sei substantiiert und verfüge über ausreichend sachverständige Expertise. Ohnehin sei die Wahrheit des Falles gerichtsbekannt und eine mündliche Verhandlung nach dem Stand der Dinge auch ganz überflüssig. Die Beweisanträge verdeutlichten zur Genüge, dass der Angeklagte nicht gerade, sondern querdenke, er überführe sich quasi selbst. Würden wir ein solches Verfahren und sein Ergebnis als „Recht“ anerkennen? Nein? Aber bei den schwerwiegendsten Eingriffen in Grundrechte seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist das völlig in Ordnung?

So standen die Dinge im Jahr 2021, in dessen Verlauf die nächste gesellschaftliche Heizstufe mit der Lüge von einer „Pandemie der Ungeimpften“ gezündet wurde. Doch im Frühjahr des Jahres gab es noch vereinzelt naive Hoffnung, die kühle Rationalität des Rechtsstaats könnte sich zähmend auf den erhitzten gesellschaftlichen Diskurs auswirken, wenn nur die herrschenden Episteme endlich einmal kritisch hinterfragt würden. Aber wer würde es wagen  …? Es wäre der John Proctor aus Millers „Hexenjagd“, der sich mitten in den Kessel der erhitzten Gemüter stellt und hofft, mit Vernunft und Wahrheit den Flächenbrand der Lüge auszutreten. Er würde am Ende selber angeklagt und als mit dem Satan im Bunde gerichtet werden.

Das Amtsgericht Weimar und das Kindeswohl

Es war vermutlich der am gründlichsten vorbereitete und am ausführlichsten begründete Beschluss, der von einem Familiengericht in einem Verfahren zum Schutz des Kindeswohls gem. § 1666 BGB jemals erlassen wurde. 192 Seiten, inklusive dreier Gutachten von Sachverständigen, die klarstellten, dass Kinder „durch die Pflicht, während der Schulzeit Gesichtsmasken zu tragen und Abstände untereinander und zu weiteren Personen einzuhalten, in ihrem geistigen, körperlichen und seelischen Wohl gefährdet“ werden. Am 8. April 2021 erließ der Richter Christian Dettmar eine einstweilige Anordnung, die es zwei Schulen in Weimar untersagte, den Schülern vorzuschreiben 1. „Gesichtsmasken aller Art“ zu tragen, 2. Mindestabstände untereinander einzuhalten, „die über das vor dem Jahr 2020 Gekannte“ hinausgehen, und 3. „an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 teilzunehmen“.

Die Entscheidung schlug ein wie eine Bombe. Ein Amtsrichter wagte es, den Widerstand gegen die Grundannahmen der Corona-Politik in einer klaren juristischen Form zu artikulieren. Nein, es ging nicht um ein bisschen juristische Kosmetik, etwa mittels Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeit die Schließung von Friseuren gegenüber der Öffnung von Baumärkten o.ä. zu beanstanden. Nein, in Weimar wurde Fundamentalkritik an der epistemischen Hysterie im Ganzen formuliert: Die Maßnahmen sind nicht nur ein bisschen unverhältnismäßig, sie sind nicht nur vielleicht ungeeignet, nein, sie sind im Gegenteil sogar schädlich; schädlich für das „geistige, körperliche und seelische Wohl“ von Kindern.

Worin bestünde heute mehr Konsens als in diesem Punkt? Es waren die Kinder, die besonders unter den Maßnahmen litten. Aber in einer Zeit, die Kinder als „Ratten“, „Halbmenschen“ und „Superspreader“ enthumanisierte, in so einer Zeit bleibt wenig Platz für eine detaillierte 192-seitige evidenzbasierte Betrachtung des Kindeswohls. Darüber hinaus konnte jeder, dem das Gehirn, das Kant den Juristen abgesprochen hatte, nicht fehlt, erkennen, dass es bei dieser Entscheidung aus Weimar um das geistige, körperliche und vor allem das seelische Wohl nicht nur der Kinder, sondern der Gesellschaft als Ganzes ging.

Vertrauen in die politischen Institutionen

Neben den Kindern hat in der Zeit des Corona-Maßnahmenstaats nichts so sehr gelitten wie das Vertrauen in eine wahrhaftige und vertrauenswürdige Funktion der politischen Institutionen. Misstrauen und Spaltung sind die neue „Normalität“, die mit der rigorosen Unterdrückung anderer Meinungen in einer „Delegitimierung des Staates“ und einem gnadenlosen Kampf gegen vermeintliche „Desinformation“ seit der Corona-Zeit institutionell festgezurrt wurden. Wer die Episteme der Staatsmacht hinterfragte, wurde als „Querdenker“ oder „Verschwörungstheoretiker“ aus dem gesellschaftlichen Debattenraum ausgeschlossen, markiert, überwacht, verfolgt.

Die Staatsgewalt richtete sich gegen Richter Dettmar, weil er die Episteme, die den beanstandeten Maßnahmen zugrunde lagen, erschütterte. Für einen Moment hatte die Möglichkeit bestanden, innezuhalten und über die Grundannahmen der politischen Maßnahmen auf der Grundlage der fundierten Gutachten der Sachverständigen nachzudenken. Doch der Jurisprudenz fehlt nach Kant das Gehirn, Recht von Unrecht zu unterscheiden, und für die Politik läuft es speziell im Ausnahmezustand nur noch auf den einfachen Dualismus von Freund und Feind hinaus.

Und so wurde der Richter vom Amtsgericht Weimar als „Querdenker-Richter“ erkannt und in den Schmelztiegel der Hexenjagd gestoßen: Hausdurchsuchungen, Disziplinarverfahren, Suspendierung und endlich ein zermürbender Strafprozess, an dessen Ende Christian Dettmar zu zwei Jahren Gefängnis (auf Bewährung) und in dieser Folge mit dem Verlust seines Berufes als Richter und der damit verbundenen Pensionsansprüche verurteilt wurde. Die Zerstörung einer Existenz. Welcher Richter wollte jetzt noch wagen, staatlich verkündete Wahrheiten juristisch zu hinterfragen?

Das Strafverfahren gegen Christian Dettmar bestätigt in einem weiteren Punkt die Berechtigung der von Kant an der Jurisprudenz vorgebrachten Kritik: Denn bereits die Strafnorm, aufgrund derer der Familienrichter angeklagt und schließlich verurteilt wurde (§ 339 StGB), ist geradezu der Prototyp einer Tautologie: „Rechtsbeugung begeht … wer das Recht beugt.“ Ein derart offener Straftatbestand gibt Anlass zu ernsten rechtsstaatlichen Bedenken. Entweder die Norm geht davon aus, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte schon wissen werden, was Rechtsbeugung sei, oder man kann darunter jede juristische Unbotmäßigkeit subsumieren. Letzteres ist im Fall Dettmar geschehen.

Die vorsitzende Richterin des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof hat am 20. November 2024 die mündliche Urteilsbegründung in dem Revisionsverfahren medienwirksam vorgelesen. Sie hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und im Kern klargestellt, dass es nicht darauf ankomme, ob Richter Dettmar in der Sache Recht hatte, weil eine wissenschaftliche Basis für Schulschließungen, Test- und Maskenpflichten tatsächlich nicht bestehe. Die „materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung“ – so die juristisch präzise Formulierung – spiele für die Frage der Strafbarkeit keine Rolle (sic!). Wegen einer Beugung des Rechts kann demnach verurteilt werden, wer eigentlich das Recht wieder aufrichtet, während es gebeugt am Boden liegt. Und dass Bundesrichter, die selbst tief in den Epistemen der Zeit befangen sind, stattdessen ernsthaft den Vorwurf der Befangenheit zum maßgeblichen Tatbestand einer Rechtsbeugung erheben, verdeutlicht, auf welchem intellektuellen Stand die höchste deutsche Justiz ihre Urteile spricht.

Richter Dettmar habe gegen die „richterliche Unabhängigkeit“ und „Unparteilichkeit“ verstoßen – so lautet der in § 339 StGB hineingelesene Vorwurf seines Verbrechens. Doch welcher Richter hätte mehr „Unabhängigkeit“ bewiesen als er? Auf der sog. „Babelsberger Konferenz“ im April 1958 an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften sprach der damalige Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht deutlich aus, welche Aufgabe der Justiz in der DDR zukomme: „Unsere Richter müssen begreifen, dass der Staat und das von ihm geschaffene Recht dazu dienen, die Politik von Partei und Regierung durchzusetzen.“ Die „Richterliche Unabhängigkeit“ des deutschen Grundgesetzes meinte originär das blanke Gegenteil hiervon.

„Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.“ Art. 97 Abs. 1 GG reklamiert die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Richter von politischen Opportunitäten und beinhaltet ganz sicher keine Verpflichtung zum Vollzug von Regierungsnarrativen. Allein das Gesetz bestimmt dann auch die Frage der „Unparteilichkeit“. Und hier ist die Perspektive in § 1666 BGB sehr deutlich: Der Richter wird zum Anwalt des Kindeswohls. Das Familiengericht ist explizit auf der Seite der Kinder gegenüber übergriffigen oder nachlässigen Eltern oder „Dritter“. Allein die Frage, ob unter „Dritter“ auch ein übergriffiger Staat adressiert sein kann, war bisher juristisch umstritten. Eine Rechtsbeugung trägt das alles nicht. Das Urteil ist ebenso konstruiert wie die Episteme der Pandemie.

Aufarbeitung und die Rehabilitation des Rechts

Nur zwei Wochen nach diesem offensichtlich politischen Urteil des höchsten deutschen Strafgerichts hat der Corona-Ausschuss im US-Repräsentantenhaus die Ergebnisse seiner zweijährigen Aufarbeitung der Corona-Pandemie mit einem 520-seitigen Abschlussbericht vorgelegt. Der Ausschuss bestätigt darin, dass Maßnahmen wie Social Distancing und Masken keinerlei wissenschaftliche Grundlagen hatten, er spricht gar von Betrug und Missbrauch. Insbesondere der Maskenzwang für Kinder habe mehr Schaden als Nutzen bewirkt („Forcibly masking young children, ages two and older, caused more harm than good“). Die zukünftigen Konsequenzen dieser Art drakonischer Maßnahmen (wörtlich: draconian policies) gegenüber Kindern seien noch gänzlich unabsehbar.

Es ist derzeit unklar, ob es irgendwann auch in Deutschland eine solide sachliche und juristische Aufarbeitung der Corona-Zeit geben wird. Aber eines wird deutlich: Es ging bei der Bestrafung von Christian Dettmar nicht um Recht, es ging um die Bestrafung von Ungehorsam. Und der Familienrichter von Weimar steht hier nur stellvertretend für die Vielen, die gegen die ohne solide Evidenz verhängten totalitären Maßnahmen der Politik aufgestanden sind.

Die zentralen Episteme der Corona-Politik sind mittlerweile als falsch oder gar als blanke Lüge entlarvt. Von der „Fledermaus in Wuhan“ und der „Laborthese“ als der Mutter aller „Verschwörungstheorien“ über das „Flatten the Curve“, „Follow the Science“, die „Pandemie der Ungeimpften“ bis zum „Impfdogma“ und den „nebenwirkungsfreien Impfstoffen“ – konstruierte Episteme! Wenn gleichwohl immer noch Prozesse gegen Ärzte, Krankenhaus- und Pflegepersonal, Soldaten, Polizisten oder andere Maßnahmen-Kritiker geführt werden, dann ist das für einen liberalen Rechtsstaat schlichtweg ein Skandal.

Die einschneidenden freiheitsbeschränkenden und gesundheitsgefährdenden Maßnahmen waren zu keiner Zeit hinreichend evidenzbasiert. Sie waren epistemisches Unrecht. Es ist dringend Zeit für eine ehrliche Aufarbeitung, die die Episteme der Pandemie anhand seriöser Daten dekonstruiert! Es ist Zeit für eine ernsthafte Rehabilitation des Rechts, die das Unrecht adressiert! Es ist Zeit für eine Amnestie, die die Verfolgung der Kritiker beendet und die gesellschaftliche Spaltung überwinden hilft! Eine Aufarbeitung muss die Grundfragen der gesellschaftlichen Verwerfungen in den Blick nehmen, sonst bleibt in ein paar Jahren wieder nur die „traurige Rückschau“ (Streeck) und die nüchterne Erkenntnis, dass die Geschichte lehrt, dass sie die Menschen nichts lehrt (Gandhi).

Dieser Artikel erschien zuerst im Cicero.

12 Kommentare

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  1. Vielen Dank für den Artikel! Die Kommentare zeigen, dass sich die beiden alten Lager nahezu unversönlich gegenüberstehen.

    Da hat die Politclownsbande einem den Utilitarismus in die Gesetzgebung eines liberalen Gesetzgebungsstaates hineingelogen, worauf ich auch zunächst reingefallen bin. Hiernach hat sie den Maßnahmenstaat mit dem Verweis auf die sog. „vulnerablen Gruppen“ ausgerollt und ein nicht legitimiertes Verfassungsorgan, die „Ministerpräsidentenrunde“, geschaffen. Vulgo „Seuchenkabinett“.

    Das Recht war schon immer da. Nur hat sich insbesondere das BVerfG zur Bundesnotbremse geweigert, es auszuurteilen. Kein politischer Ermessensspielraum bei Gleichwertigkeit der Rechtsgüter! Zum Luftsicherheitsgesetz erkannt, zur Bundesveräppelungs- und Ausplünderungsseuche politisch vorsätzlich verkannt!

    Im Grunde ein Grundsatz, den jeder Student in Semester 1 Allgemeines Strafrecht gelehrt bekommt: Der Weichenstellerfall. Nur diesmal hatte der Weichensteller Legitimität und konnte damit Legalität während des Ausfalls aller Kontrollmechanismen schaffen. Argument für die Clownsbande warum sie das haben dürfen können: Die Einschätzungsprärogative … 🤷‍♀️😁😂

    Alle leider mit Immunität und Indemnität ausgestattet. Selbst dann, wenn man vorsätzlich die vorhandenen Schwachstellen der Gewaltenverschränkung ausnutzt.

    So, und jetzt gehe ich wieder meine Wiese mähen und demnächst die Kirschen ernten. „Krönchenveräppelung“ ist für mich durch! Legislativen, Exekutiven und der Souverän haben versagt. Mit sowas kann man nicht arbeiten. Ende der Veranstaltung ….

  2. Mich beschäftigt nach wie vor die Frage der Umsetzung einer Magna Charta (große Urkunde der Freiheiten), Grundstein für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ hat während Corona bewiesen, dass sie Makulatur ist und Papier geduldig, wie so manches Gesetz, schriftliche Verträge und Beteuerungen. Die Magna Charta von 1215 (König Johann Ohneland) wurde in die amerikanische Verfassung übernommen und gilt als die Mutter der Menschenrechte. Der gesunde Menschenverstand würde nun annehmen, dass es kein Gesetz geben kann, das über diesem stehen darf, da der Mensch als solches und in seiner Individualität, primär das Recht auf Gesundheit und Unversehrheit, das schützenswerteste Wesen sein müsste. Soweit zur Theorie und vermeintlich in Stein gemeißelter Vertrauenszusage. Wären da nicht die zunehmenden globalen Syndikate, bei denen die Größe der Geldsäcke im reziproken Verhältnis zum Charakter stehen, zudem mit übermäßiger Macht und Korruptionspotential ausgestattet. Da Geld und Macht sukzessive und zunehmend weit über dem Menschen angesiedelt wurden, haben für meine Wahrnehmung weder Gesetze noch Positionsbesetzungen in staatlichen Institutionen eine korrektive Funktion, es kommt mir vor wie ein Pseudotheater und Augenwischerei, allerdings mit gravierenden nachteiligen Folgen für die Menschen, Bürger und Wähler. Demokratie, Gerechtigkeit und Rechtsstaat? Als Nichtjurist bezweifle ich, dass es das jemals gab in diesem Land, wenn ich mir so manche Gegebenheit über Jahrzehnte vor Augen führe: Nur vor Gott und auf hoher See sind alle Menschen gleich!

    • Klaus Siebert auf 8. Mai 2025 bei 14:42
    • Antworten

    Der geschichtliche Bezug zu Nero und seiner Mutter, die ihm zunächst nützte, anschließend aber als lästige Frau auf unsanfte Art zu eliminieren war, zeigt die krankhafte Selbstsucht des Menschen.

    Es ist vieles so krank und völlig verbogen. Können hier die Juristen einiges wieder richten? Der sehr verehrte Richter Dettmar hat in der „Corona-Zeit“ hierzu einen nicht hoch genug zu schätzenden Beitrag geleistet. Seine zutreffende Beurteilung gibt vielen Menschen bis heute Hoffnung.

    Zur Schärfung des Urteilsvermögens (nicht nur von Jurastudenten) empfehle ich die Lektüre des Briefes des Paulus an die Römer und ein Studium des wohl wichtigsten Strafprozesses aller Zeiten: die staatlich angeordnete Folterung und Tötung des Jesus Christus. Dort hat sich alles Böse selbst das Urteil gesprochen. Und Gott: Er schenkt jedem Menschen wahres Leben, der seinem Wort vertraut.

    • M. Reitzner auf 8. Mai 2025 bei 14:14
    • Antworten

    Zu den juristischen Seiten der Corona-Aufarbeitung und verschiedenster Verfahren, z.B. gegen Richter Christian Dettmar, wurde hier ja schon an mehreren Stellen ausführlich berichtet und Stellung genommen. Vielen Dank für diesen Artikel, der nun schwerpunktmäßig beleuchtet, wieso involvierte Richter sich aus soziologischen und psychologischen Gesichtspunkten schwer tun, an einer Aufarbeitung mitzuwirken und die getroffenen Maßnahmen grundsätzlich wissenschaftlich, und nicht nur formal-juristisch, zu hinterfragen. Hervorragender Artikel!

  3. Es geht scheinbar nur ums recht haben: Was sich in über 30 Seiten als intellektuell tiefschürfende Abrechnung mit der Corona-Politik und der Justiz geriert, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als rhetorisch aufgeblasene Polemik, durchsetzt von Analogien aus Tyrannei, Hexenwahn und römischer Kaiserzeit – und genau darin liegt das Problem.

    Zum Argumentationsstil: Benedict arbeitet mit einem Stilmittel, das in juristischen und historischen Kontexten gefährlich ist: der hypertrophe Vergleich. Wenn ein demokratischer Staat, der unter erheblichem Zeitdruck Maßnahmen zum Schutz von Menschenleben ergriff, mit Neros Tyrannei, mittelalterlichen Hexenprozessen oder der Shoah verglichen wird, wird nicht analysiert – es wird dämonisiert. Diesem Stil mangelt es an intellektueller Redlichkeit. Was als „epistemisches Unrecht“ etikettiert wird, ist in Wirklichkeit ein narrativer Trick, der jede gegenteilige Position als von vornherein illegitim entwerten soll.

    Zur Faktenlage: Die zentralen Behauptungen des Autors – etwa, dass Lockdowns, Masken oder Impfungen „keinerlei wissenschaftliche Grundlage“ gehabt hätten – sind grob irreführend. Selbst wenn sich in der Nachbetrachtung herausstellt, dass manche Maßnahmen überzogen oder schlecht kommuniziert waren, so existierte doch eine breite wissenschaftliche Basis, auf die sich Politik und Gerichte stützten – inklusive vielfältiger Debatten, Evaluationen und Anpassungen. Auch war die Effektivität vieler Maßnahmen – insbesondere von Masken in bestimmten Kontexten, Impfung zur Verhinderung schwerer Verläufe, etc. – durch Studien belegt. Diese komplexe Evidenzlage durch das Wort „Lüge“ zu ersetzen, ist nicht nur unsachlich, sondern unredlich.

    […]

    Was fehlt? Eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Dilemma-Situation während der Pandemie. Die meisten Entscheidungen wurden unter Unsicherheit getroffen, mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu schützen. Der Vorwurf systematischer Rechtsbeugung entbehrt nicht nur einer sachlichen Grundlage – er unterstellt böswillige Intentionen, wo es in Wirklichkeit um schwierige Abwägungsprozesse ging.

    Was bleibt? Eine lesenswerte Erinnerung daran, wie gefährlich es ist, im Nachhinein komplexe Krisen mit dem Maßstab ideologisch zugespitzter Schwarz-Weiß-Kategorien zu bewerten. Die Forderung nach Aufarbeitung ist berechtigt – aber sie braucht differenzierte Debatte, nicht historische Verzerrung und intellektuelle Selbstüberhöhung. Hier scheint ein Jurist, den Bezug zur Objektivität verloren zu haben.

    • Ein Jurastudent auf 7. Mai 2025 bei 9:19
    • Antworten

    Der Beitrag lässt mich ratlos. „Epistemisches Unrecht“ bezeichnet das soziale Unrecht, wenn Menschen in ihrer Möglichkeit, Wissen auszutauschen, systematisch benachteiligt werden (Fricker, Power and the Ethics of Knowing, Oxford, 2007). Angesichts den damals allpräsenten Nachrichten über die Proteste der Impfgegner und den Diskussionen, denen man kaum ausweichen konnte, kann ich dieses nicht erkennen. Dr. Benedict geht darauf auch gar nicht ein. Warum breitet der Autor lang und breit diesen Begriff aus, wenn er dann nicht einmal versucht, die damaligen Geschehnisse darunter zu subsumieren? Man befasste sich lang und breit und oben bis unten mit Impfgegnern. Dass ihr Standpunkt in vielen Punkten nur von einer Minderheit geteilt wurde, gehört zu den Notwendigkeiten im demokratischen Diskurs: Es ist Kennzeichen der Meinungsfreiheit, dass viele Meinungen kaum Berücksichtigung finden.

    Der Zusammenhang zu Dettmar erschließt sich mir nicht. Bemerkenswert erscheint mir vor allem, dass Dr. Benedict ein Urteil kritisiert, immerhin in einem juristischen Fachpublikum, ohne ein einziges Mal auf konkrete Teile der Urteilsbegründung einzugehen.

    Die gesellschaftliche Diskussion über die Coronamaßnahmen wird dieser Beitrag nicht voran bringen. Er geht nicht auf die Probleme und die zur Verfügung stehenden Informationen zu der jeweiligen Zeit ein, nicht auf den Handlungsdruck der Exekutive, während die Wissenschaft immer nur vorläufige Ergebnisse liefern kann. Er geht auch nicht auf die Argumente der Gegenseite ein, wie es in einer ernsthaft geführten Debatte notwendig ist. Es bleibt unklar, um welche Maßnahmen es ihm eigentlich geht, er nennt nur eine nicht abschließende Folge von Beispielen. Zudem wirkt er voreingenommen.

    Schade.

  4. Man sollte sich davon endlich lösen, dass es eine Pandemie in der Menschheitsgeschichte gab, jemals gab, geben kann und wird. Man sollte sich mit dem PREP-Act auseindersetzen, mit dem US- Militär, der NATO usw. Man würde der Wahrheit einen Schritt näher kommen.

    1. In selbiger Sache:

      https://norberthaering.de/gastbeitrag/a-mueller-pandemievertrag/

  5. Vielen Dank für diesen hervorragenden Artikel, der zur Pflichtlektüre im Geschichtsunterricht werden sollte. „1984“ von Orwell könnte man stattdessen streichen. Es ist bereits traurige Realität.

    • Auf der richtigen Seite der Geschichte? auf 4. Mai 2025 bei 12:12
    • Antworten

    Sehr wichtiges, aktuelles Zeitdokument zum Wirken der Wissenschaftler (und indirekt der Juristen) in der Corona-Pandemie:

    Wissenschaftler, aber auch Juristen, konnten schon zu Beginn der Corona-Pandemie auf zahlreiche fachliche Ungewißheiten und sachlicher Widersprüchlichkeiten aufmerksam werden.
    Warum sind es in Wissenschaft und Rechtspflege so wenige Menschen gewesen, die den notwendigermaßen systematischen und systeminhärenten Skeptizismus weiterbetrieben?
    Warum gelingt es den Meisten weiterhin nicht, ihre unkritische Haltung und damit sich selbst zeitweise in Frage zu stellen?

    „Aktuell vermeldet die Website des Weißen Hauses, dem Amtssitz des US-Präsidenten: „Der Ursprung von COVID-19 ist höchstwahrscheinlich ein Zwischenfall in einem Labor, bei dem es um Gain-of-Function-Forschung ging.“ Auch der deutsche Bundesnachrichtendienst ging, wie kürzlich bekannt wurde, bereits seit 2020 von einem Laborunfall aus. Und amerikanische Geheimdienste kamen ebenfalls schon im Juni 2020 zu dieser Einschätzung. Am Anfang des Corona-Geschehens galten solche Behauptungen allerdings als Verschwörungstheorie und abwegige “Schwurbelei“.

    Im April 2025 traf ich in Hamburg zwei ausgewiesene Experten, die sehr früh Zweifel an der weitverbreiteten Zoonose-Theorie äußerten, derzufolge das neue Coronavirus von Fledermäusen auf den Menschen übergesprungen sei. Der Physikprofessor Roland Wiesendanger und die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. Johanna Deinert sind sich seit langem sehr sicher, dass Sars-CoV2 aus einem Labor in Wuhan (China) stammt, wo Viren im Rahmen der sogenannten Gain-of-Function Forschung verändert wurden. Sowohl die USA als auch China und Deutschland sind direkt oder indirekt an dieser höchst riskanten Forschung beteiligt, die weltweit an verschiedenen Orten stattfindet. In unserem ausführlichen Gespräch geht es um die Indizien, die darauf hindeuten, dass das Coronavirus eben keinen natürlichen Ursprung hat, um die Art und Weise, wie die wissenschaftliche Debatte zu diesem Thema unterbunden wurde, und um die Frage, ob Gain-of-Function-Forschung nicht generell verboten werden oder zumindest einer starken staatlichen Kontrolle unterliegen sollte.“

    https://blog.bastian-barucker.de/corona-labortheorie-wiesendanger-deinert/

    • Dr. med. Alexander Fein auf 3. Mai 2025 bei 13:01
    • Antworten

    Leider bemerke ich wieder ein Durcheinander von Begrifflichkeiten und Satzergänzungen, die einer Abgrenzung gegeneinander bedurft hätten: „Lüge“, „Episteme“, „irre“, „Propaganda“ und „fehlendes Gehirn“.

    Wenn ich auch dem Tenor des Artikels grundsätzlich zustimme – wie den meisten Artikeln hier – würde ich mir wünschen, dass mit der Kritik an der Erkenntnisfähigkeit der Beteiligten des Coronastaates – ebenfalls eine unsaubere und gerade deshalb Neugier erweckende Benennung wie „Coronaleugner“, „Schweinstiege“, „Luderbach“ oder auch „Femeiche“ (häufiger Straßenname in meiner Gegend) -epistemologisch sauber umgegangen wird.

    Der Vergleich mit der Geschichte aus dem alten Rom hinkt, weil Nero sich hochgradig rational verhalten hat. Die Richter:innen, die Urteile wie das gegen den bedauernswerten Richter Dettmar gefällt haben, waren aber mit hoher Wahrscheinlichkeit alle selbst geimpft, hatten sich selbst alle im Lockdown einsperren lassen und haben selbst alle mit Überzeugung „Maske“ geragen, obwohl ihnen allen hätte nur zu bewußt sein müssen, wie sehr das Tragen einer „Maske“ außerhalb bestimmter beruflicher Bereiche gegen tradierte moralische Vorstellungen, die ihrerseits normgebend wurden, verstoßen haben.

    Nero hätte also vorher das Messer in den eigenen Bauch rammen müssen, um dadurch noch überzeugender wirken zu wollen. Überhaupt stört an der ganzen Geschichte, dass mit ihr ausschliesslich ein planvolles Handeln hinter dem, was als „Coronalüge“ bezeichnet wird, nahegelegt wird.

    Wenn ich also von Epistemologie rede, muss ich anerkennen, dass Ursache-Wirkungs-Beziehungen eben nur in menschlichen Handlungen vorkommen, und die gab es hinsichtlich Corona natürlich. Wenn ich von „fehlendem Gehirn“, „irre“ und „Propaganda“ rede, bin ich anders als bei „Lüge“ im Bereich der Beschreibung, denn „Lüge“ impliziert gleichzeitg ein Verdikt.

    Geschichten aus dem ollen Rom sind deshalb kritisch zu sehen, da damals ein naturalistischer Pantheismus herrschte, der mit der Überzeugung einherging, Gut und Böse anhand natürlicher Phänomene herleiten zu können. Sie ist die geistige Grundlage des „naturalistischen Fehlschlusses“. Die Kritik daran verbietet es, „gut“ als natürliche Eigenschaft zu sehen und gegen die Sein-Sollen-Differenz (Gesetz des Hume) zu verstoßen.

    Die drei Prinzipien sollten sich diejenigen zu eigen machen, die den derzeitigen Gesellschaftszustand überwinden wollen: Den naturalistischen Fehlschluss zu kritisieren, Verstöße gegen die Sein-Sollen-Differenz nicht zuzulassen und Ursache-Wirkungsbeziehungen als wissenschaftlich obsolet anzusehen: Der Massnahmenstaat ist nicht aufgrund von Lügen absichtlich zum Machtmißbrauch geschaffen worden, sondern Machtmißbrauch und Massnahmenstaat stehen in Wechselwirkung; weder eine genetische Veränderung noch ein absichtliches Freisetzen von Viren können jemals in der Lage sein, das auszulösen, was als Konsequenz von Handlungen Pandemie genannt wird; die Justiz tut, was sie leider tut, nicht absichtlich, sondern aufgrund schambesetzter und unbewußter Motivationen. Nein, das ist keine Täter-Opfer-Umkehr, die Fehlurteile müssen zu Konsequenzen führen. Es handelt sich bei ihnen um Handlungen.

    Ich habe demnächst selbst wieder eine Verhandlung – OVG Münster auf Antrag der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Ich werde versuchen, die Richter:innen mit der Kritik am Naturalistischen Fehlschluss aus der Massenformation zu erwecken. Man kann nur experimentieren in seinem Bemühen, Überzeugungen auszusprechen und damit Menschen zu erreichen. Konkret: Auch wenn ich bei den Richter:innen Ekel auslöse – selbst berechtigten Ekel als Coronaleugner – rechtfertigt das keine Verurteilung als natürlich gegeben, da diese dem Guten diene. Auf diesem Niveau wird aber operiert.

    Es ist kein Zufall, dass es „links“-orientierte Geisteswissenschafter wie u.a. Giorgio Agamben und Christopher Lasch waren, die beide schon um 1995 eine Aushebelung der Demokratie über eine Analyse gesellschaftlicher Strömungen hinsichtlich Gesundheitsüberzeugungen sehr genau bestimmen konnten. Die Linke beschäftigt sich seit jeher mit „Bewußtsein“ und komplementär auch mit dem Unbewußten, während der Liberalismus diese Diskussion aufgrund von Statusängsten tabuisiert hat. Daher darf die jüngere Vergangenheit auch nicht angesprochen werden – im Gegensatz zum ollen Rom, dessen Erwähnung Status signalisiert. Die Beziehungen zwischen Rassismus, Medizin und ihren wissenschaftlichen Grundlagen und Totalitarismus sind psychodynamisch zu bedrohlich. Das Tabu schlägt jetzt allerdings erwartbar auf die Gesellschaft zurück.

    • Dorfrichter Adam aka İ auf 2. Mai 2025 bei 17:49
    • Antworten

    Wieder haben wir einen Autor, der Falschinformationen zur Verurteilung von Dettmar verbreitet. Dettmar wurde NICHT deswegen verurteilt, weil er § 1666 BGB so auslegte, dass Dritter auch „der Staat“ sein könne. Dass diese Auslegung also eine Rechtsbeugung trage, hat nie jemand ernsthaft behauptet, schon gar nicht die mit dem Fall befassten Gerichte in ihren Entscheidungen. Dass im Übrigen ein evidenter Verstoß gegen Verfahrensrecht Rechtsbeugung sein kann, war schon vor Dettmar (zutreffende) BGH-Rechtsprechung.

    Auch im Übrigen ist – trotz der inflationären Verwendung des Wortes „Episteme“ – der Beitrag unterkomplex. § 339 StGB wird falsch zitiert und der Tautologie bezichtigt. Dass ein Richter größtmöglich unabhängig sei, wenn er gegen staatliche Maßnahmen entscheide, ist erschreckend dürftig und manipulativ. Und dass es um die Bestrafung von Ungehorsam gegangen sei, trifft nur insoweit zu, als der Ungehorsam gegenüber dem Gesetz und zwingenden Verfahrensvorschriften bestand (das nennt man dann Rechtsbeugung).

    Der Autor ist Juraprofessor. Ich unterstelle ihm deshalb, dass er dies alles erkennt. Somit bleibt die Frage, welche Absicht er mit dem Beitrag verfolgt.

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