Vortrag von Dr. Manfred Kölsch, gehalten auf dem 7. KRiStA-Treffen vom 14. – 17.09.2023

1. Teil: Der nationale Aspekt
Am 01.09.1948 – vor 75 Jahren – treten 65 Bürger in Bonn als Parlamentarischer Rat zusammen und beraten ein Grundgesetz (GG), das am 23.05.1949 unterzeichnet und verkündet wird.
Zur obligaten Jubiläumsfeier meint der ehemalige Bundespräsident Gauck, das GG sei eine „Daseinsgewissheit“. Die Bundestagspräsidentin Frau Bas meint: Es sei mit dem GG „… eine moderne und für künftige Entwicklungen offene Verfassung geschaffen worden.“ Bundeskanzler Scholz zur Feier des Tages: „Diese beste Demokratie (Verfassung), die wir in Deutschland jemals hatten ist die, die wir verteidigen müssen.“
Sehen wir uns an, was die Regierenden zur Verteidigung des GG getan haben und tun.
Aus Art. 5 GG wird das staatliche Distanzgebot von Presse, Rundfunk und Fernsehen abgeleitet. Rundfunk und Fernsehen haben spezifische Probleme, die in der Rechtsprechung viel breiteren Raum einnehmen als diejenigen der Druckpresse. Die Druckpresse soll jedoch im Mittelpunkt der nachfolgenden Erörterungen stehen. Festzuhalten ist, dass zur Druckpresse auch die digitalen Formate zählen, wenn sie maßgeblich aus Texten, Interviews, Reportagen und Kommentaren bestehen, in einem regelmäßigen Zeitabstand erscheinen. Dann sind auch sie durch Art. 5 GG (Pressefreiheit) geschützt. Dabei bezieht sich der Begriff „Presse“ nicht nur auf solche Medien, die sich an die gesamte Öffentlichkeit richten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass auch Werkszeitungen dem Begriff der Presse unterfallen.
Mit der so definierten Presse wird ein Handlungsfeld bezeichnet, das vor dem Zugriff des Staates geschützt sein soll. Das BVerfG spricht hier von „institutioneller Eigenständigkeit der Presse.“
Die Staatsferne ist nach Ansicht des BVerfG konstitutiv für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung, weil nur unter dieser Voraussetzung eine umfassende Informationsgrundlage hergestellt werden kann. Nur ohne Staatseinfluss kann gesellschaftliche Meinungsvielfalt entstehen, in der unvoreingenommen staatliches Handeln kritisch reflektiert werden kann.
In der Rechtsprechung des BVerfG ist anerkannt, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht nur die private Presse vor staatlichen Eingriffen schützt, also ein subjektives Abwehrrecht definiert, sondern auch den Staat daran hindert, selbst als Presse tätig zu werden.
So wurde Konrad Adenauer vom BVerfG der Betrieb eines „Deutschlandfernsehens“ verboten. Neuestens wurde der juris GmbH der Weiterbetrieb des kostenlosen juristischen Informationsdienstes „Libra – das Rechtsbriefing“ gerichtlich verboten.
Diese GmbH wird mehrheitlich staatsbestimmt (50,01 % der Bund, 2,99 % das Saarland neben Privatbeteiligten).
Bei der gerichtlichen Überprüfung kam zutage, dass in der juris-Zentrale in Saarbrücken mit 209 Mitarbeitern das Ehepaar Oostrom bestimmend wirkt. Das Gehalt von Herrn Oostrom hat sich seit 2012 von 84.000 € bis 2022 vervielfacht auf 324.645 €. Dafür braucht der Geschäftsführer nicht seine ganze Arbeitskraft juris zu widmen. Er hält Managementfunktionen in anderen Unternehmen. Seine Ehefrau ist seit 2009 Prokuristin. Deren Gehaltshöhe ist unbekannt. Ein Bewusstsein für mögliche Interessenkonflikte ist offensichtlich nicht vorhanden. Der zweite Geschäftsführer, Herr Weichert, residiert mit 12 Mitarbeitern auf fürstlichen 500 m am Kurfürstendamm in Berlin. Sein Gehalt beträgt 182.000 €. Er trägt die Verantwortung für die Beziehungen zwischen dem Bund und juris. Diese Beziehungenscheinen jedoch nicht mit der erforderlichen Intensität gepflegt zu werden, behauptete doch Bundesjustizminister Buschmann, nichts von „Libra – das Rechtsbriefing“ gewusst zu haben. Bisher bekannte Kosten der „Pleite“: ca. 100.000 € Sach- und ca. 250.000 € Personalkosten.
In unserer demokratischen Ordnung ist es unvermeidlich, dass staatliche Organe mit der Öffentlichkeit kommunizieren und über staatliches Handeln informieren. Staatliches Handeln soll transparent sein bezüglich der staatlichen Aufgabenwahrnehmung. Klassische unverfängliche Beispiele sind die Veröffentlichung von Gesetzes- und Verordnungstexten, Protokolle von Parlamentsdebatten, Gerichtsentscheidungen etc.
Das Spannungsfeld zwischen Information über staatliche Aufgabenwahrnehmung und wertender Beeinflussung der individuellen und der öffentlichen Meinungsbildung tritt z. B. bei Veröffentlichungen der Bundeszentrale und der Landeszentralen für politische Bildung zu Tage. In den Jahren 2020 bis 2023 hat die Bundesregierung über diese Institutionen zahlreiche Projekte gegen Hassrede, Fake-News, Propaganda oder allgemein „Desinformation“ gefördert.
Wann hier unzulässig wertend, den Meinungsbildungsprozess verzerrend, Einfluss genommen wird, war schon Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Ob wertend, den Meinungsbildungsprozess verzerrend eingegriffen wird, ist nach der einschlägigen Rechtsprechung nicht an den tatsächlichen Konsequenzen, sondern nach den möglichen Wirkungen zu entscheiden.
Bei oberflächlicher Betrachtung ergibt sich ein lebendiges Bemühen, die Pressefreiheit zu stärken und zu fördern. Libra wurde, da verfassungswidrig, abgeschaltet, Konrad Adenauer wurde der Betrieb eines Deutschlandfernsehens untersagt. Wir haben die Intendantendebatte, die Entscheidung des BVerfG über die Besetzung der Rundfunkräte, Rundfunk- und Fernsehgebühren dürfen aus Respekt vor Art. 5 GG nicht direkt aus Steuergeldern gezahlt werden, sondern sind durch Gebühren der Nutzer aufzubringen. Die „Anzeigenkorruption“ ist vielen ein Dorn im Auge. Es wird eine staatliche Presseförderung diskutiert, weil die Presse wegen wachsendem Mindestlohn (Zusteller) explosionsartiger Kostensteigerungen bei Papier, Energie, im Druck und in der Zustellung (Postgebühren) mancherorts in ihrer Existenz bedroht ist. Hat der Medienverband der freien Presse (MVFP) begründeten Anlass zu fordern, die geplante Förderung solle diskriminierungsfrei, ohne Unterschied der Meinungsausrichtung und Wahrung der freien Entscheidung des Verlegers über Art und Weise der Publikation, gewährt werden?
Die Mahnung des MVFP ist angebracht, wenn man betrachtet, was z. B. auf eine Anfrage der AfD die Bundesregierung (BReg) geantwortet hat. Die BReg hat in den Jahren 2020 bis 2022 für Werbe- und Informationsmaßnahmen 513 Millionen € ausgegeben. Sie will damit einen verfassungsmäßigen Informationsauftrag erfüllt haben. Diese Gelder flossen an Medien- und Marketingagenturen sowie im Internet populäre Influencer. Der größte Teil, ca. 299 Millionen, ging an das Gesundheitsministerium. Für die sog. „Corona-Aufbruchskampagne“ erhielt die Medienagentur Carat Deutschland knapp 700.000 €. Die Medienagentur Mediaplus erhielt bis Mai 2023 bereits über 5 Millionen € für die Kampagne „Energiewechsel“. Für diese Kampagne hat das Wirtschaftsministerium 2022 35 Millionen € gezahlt. 1,5 Millionen € haben Journalisten kassiert, indem sie Aufträge der BReg angenommen haben. Zwei Drittel davon gingen an in öffentlich-rechtlichen Medien tätige Journalisten. Bundeskanzler Scholz machte zur Bedingung seines Auftritts bei der Berliner Digitalkonferenz „re:publica“ im Juni 2022, dass ihn die Journalistin Linda Zervakis interviewt. Um den prominenten Gast nicht zu „vergraulen“, stimmten die Ausrichtenden zu. So konnte der Bundeskanzler seine nebulösen Gemeinplätze zur Digitalisierung Deutschlands unbehelligt loswerden. Nach Recherchen der taz soll Frau Zervakis für den Auftritt vom Kanzleramt 12.000 € erhalten haben. Frau Zervakis dazu befragt, gab bekannt, auf diesem Weg weiter voranzugehen.
Warum gibt der Staat solch immense Summen an Steuergeld aus, hat doch die Presse in weiten Teilen ohnehin ihre ureigenste Aufgabe, die Kontrolle der drei Staatsgewalten, in erschütterndem Umfang vernachlässigt?
Bei der Migrationswelle 2015/16 kamen Gegenstimmen nicht zu Wort, es sei denn, um sie verächtlich zu machen. Andersdenkende wurden mit Codewörtern wie umstritten, rechts, rassistisch, antisemitisch etc. markiert. Vieles, was im Gewand der Kritik daherkommt, ist schlicht Repression. Es wurde und wird überbrüllt, blockiert, ausgegrenzt und bedroht. Diese Art des Journalismus erreichte in ihrer Kompromisslosigkeit und Aggressivität bei den Corona-Grundrechtseinschränkungen einen weiteren Höhepunkt.
Wie kann die Presse in weiten Teilen zum Sprachrohr der Exekutive, der Parlamentsentscheidungen und der Rechtsprechung werden, fragen aufmerksame Beobachter? Mahnungen, die eigene Urteilsfähigkeit der Menschen zu respektieren, ihnen die Ausübung von Freiheit zuzutrauen, gingen ins Leere.
Ob hier Geldzahlungen tatsächlich Einfluss auf die Meinungsbildung haben, braucht nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht untersucht zu werden. Allein wenn dadurch eine Beeinflussung möglich ist, sind diese Zahlungen nach Art. 5 GG einzustellen. Ich frage Sie, wozu neigen Sie? Nur so viel meinerseits: Wenn sich die Geldempfänger tatsächlich von der Meinung des Zuwenders freihalten könnten, wäre das eine bemerkenswerte Leistung.
Die journalistischen Akteure rechtfertigen ihre Kompromisslosigkeit und Aggressivität durch eingebildete absolute moralische Überlegenheit (oft gepaart mit Dummheit). Eine Neigung, der man in einer Demokratie nie nachgeben sollte. Denn das läuft auf die Negierung dessen hinaus, was doch gerade ihre Geschäftsgrundlage ist: Die Konkurrenz unterschiedlicher, doch gleichermaßen legitimer Meinungen. Wo sind die Feinde der Demokratie frage ich?
Neben Geldzahlungen und eingebildeter moralischer Überlegenheit sollte eine gemeinsame Sozialisierung zahlreicher aktueller Akteure nicht außer Acht gelassen werden. Die Einseitigkeit weiter Teile der Presse beruht auch auf einem Zusammengehörigkeitsgefühl der Mächtigen. Es braucht morgens keine Parolen aus dem Kanzleramt dazu, wie oder was zu berichten ist. Nach gemeinsamen Studiengängen – oft auch abgebrochen – engagiert sich der eine in der Politik, der andere in den Medien. Was bleibt? Verbundenheit im Geiste. Ein Ergebnis des schon 1968 angekündigten Marsch durch die Institutionen.
Überrascht es, wenn bei dieser Kompromisslosigkeit und Aggressivität von Politikern und der Presse ca. 70 % der Deutschen aus Angst vor Nachteilen Bedenken haben, ihre wirkliche Meinung frei auszusprechen? Der Meinungskorridor des Sagbaren wurde erfolgreich eingeschränkt.
2. Teil: Auf dem Weg zur EU-geführten Dominanz
Das Vorspiel
Als 2015 Hunderttausende gesetzwidrig die deutschen Grenzen überschritten, empfanden viele das als Kontrollverlust. Proteste schwollen an, wie das auch anlässlich der gleichwertigen aktuellen Migrationsbewegungen geschieht.
Das erregte den Unmut über den verbleibenden Eigensinn des „großen Lümmel“ Volk, der sich partout noch immer nicht geschlossen genug hinter den Zielen der Exekutive sammeln wollte. Der Meinungskorridor sollte weiter verengt werden, um ihn noch besser kontrollieren zu können. Typisch für alle Doktrinäre auf dem Weg zum Totalitären.
Diese Aufgabe ging unser damaliger Innenminister Heiko Maas an. Er berief im Oktober 2015 eine Task-Force ein, die darüber beraten sollte, Wege zum „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ zu finden. Eingeladen waren neben Vertretern der BReg und Vertretern „zivilgesellschaftlicher“ Gruppen auch Meta, Google und X. Die Amadeu-Antonio-Stiftung mit der ehemaligen inoffiziellen Mitarbeiterin der Stasi, Anetta Kahane als Chefin, war dabei; ein Big Player im Melde- und Zensurgeschäft mit einem Jahresbudget von 6 Millionen €.
Die großen Internetplattformen verpflichteten sich „freiwillig“ Hassbotschaften zu löschen und intern Kriterien aufzustellen, nach denen sie entdeckte Hassbotschaften melden würden.
Um den Konformitätsdruck zu erhöhen, förderte die BReg seit 2017 verstärkt soziale Organisationen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Hassrede, Fake-News, Propaganda oder allgemein „Desinformation“ bzw. „Delegitimation“ zu bekämpfen.
Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich schon aus den inhaltsleeren jedoch mit beliebigem Inhalt befüllbaren Allgemeinbegriffen. Die Erfordernisse der „Bestimmtheit und Klarheit“ und der Grundsatz der Rechtssicherheit werden missachtet, nicht zuletzt auch aus Machtkalkül.
Zu diesem Zeitpunkt gab es nur „freiwillige“ Verpflichtungen der Plattformen, Hassreden in der Presse zu identifizieren, zu bekämpfen und zu melden. Nach Art. 5 Abs. 2 GG darf in das Handlungsfeld Presse nur eingegriffen werden durch „allgemeine Gesetze“. Auch indirekte Eingriffe in die Meinungsbildung der Presse, wie es die Plattformen „freiwillig“ versprochen hatten, lösen begründet das „subjektive Abwehrrecht“ aus. Es bleibt auch dann verfassungswidrig, wenn der Staat durch Dritte machen lässt, was bei eigenem Handeln verfassungswidrig wäre.
Die Auswerter der Twitter-Files – haben bei einer am 22.06.2023 in London abgehaltenen Konferenz gezeigt, dass die Eingriffe in die Bildung privater und öffentlicher Meinung „über die Bande“ ein weltweites Phänomen darstellt.
Im wesentlichen durch die von Elon Musk überlassenen Unterlagen, aus denen sich ergibt, wie Twitter (jetzt X) vorgegangen ist, konnten sie 460 Organisationen benennen, die als „Faktenchecker“, „Hasstracker“ und „Desinformations-NGOs“ arbeiten. Allesamt großzügig finanziert von einschlägig bekannten Stiftungen wie „Open Society Foundation“ oder „Bill and Melinda Gates Foundation“. Sie weisen nach, dass diese Organisationen zusätzlich vielfach mit staatlichen Mitteln unterstützt werden und enge Verbindungen zu Regierungsstellen haben. Oft arbeiten in entscheidenden Positionen ehemalige Regierungs- oder Geheimdienstmitarbeiter. Es wird so weitergehen. Alexander Soros, der nun die Geschäfte statt seines Vaters führt, vertraute dem Wall Street Journal an: „So sehr ich es lieben würde, Geld aus der Politik herauszuhalten: Solange die andere Seite das macht, müssen wir es auch tun“.
Zwischenspiel
Die Konferenz in London fand statt vor dem Hintergrund zwischenzeitlich schon beschlossener Gesetze gegen „Hassrede“ und „Desinformation“. Ich nehme damit Bezug auf den „Digital Services Act“ (DSA), eine EU-Verordnung, die nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU als Ganzes im Februar 2024 in Deutschland in Kraft treten wird.
Dieser DSA ist eine „verbesserte“ – besser verschärfte – Variante des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Das deutsche NetzDG wird mit dem Inkrafttreten des DSA außer Kraft treten. Dennoch lohnt es sich, kurz zurückzublicken auf das NetzDG.
Mit dem am 01.01.2018 in Kraft getretenen NetzDG hat man formal Art. 5 Abs. 2 GG entsprochen, wonach in die Bildung der privaten und öffentlichen Meinung nur durch ein allgemeines Gesetz eingegriffen werden darf. Die Verwendung von gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und die Rechtssicherheit verstoßenden Generalklauseln wurde ausgedehnt. Dritte, im wesentlichen die Digital-Plattformen, verpflichtete man etwas zu tun, was, falls der Staat es selbst machen würde, verfassungswidrig wäre.
Sinn und Zweck des NetzDG ist: Strafrechtlich relevante Aussagen in den sozialen Medien herauszufiltern. Ein universelles Werkzeug gegen Antisemitismus, Volksverhetzung, Rassismus, Rechtsextremismus, Desinformation und Delegitimierung.
Seit dem Inkrafttreten des NetzDG stiegen die Meldungen bei Meta, X und YouTube. Die von Dritten gemeldeten angeblich strafrechtswürdigen Inhalte stiegen von 521.000 (2018) auf das Dreifache (1,5 Millionen 2021). Das sind nur die offiziellen Zahlen von X. 2020 gab es bei X 3.000 Beschwerden Dritter zum Thema Volksverhetzung; 2021 waren es bereits 56.000 Meldungen. Behördliche Anfragen nach IP-Adressen in Ermittlungsverfahren in Strafsachen erhöhten sich von 3.500 in 2013 auf 32.000 in 2022 (Zahlen von YouTube hier: 2013 = 500; 2021 = 45.000. Zwischen Januar und März 2023 hat Meta weltweit 21,7 Millionen Beiträge wegen angeblicher Hassrede gelöscht. Hinzu kommen Reichweitenunterdrückung, Sperrung von Kanälen und Nutzerkonten.
Auf Deutschland und ein ganzes Jahr bezogen dürften die Löschungen pp. aller drei großen Internet-Plattformen einen enormen Einfluss auf die freie Bildung der privaten und öffentlichen Meinung ausgeübt haben und noch ausüben.
Ich erlaube mir noch eine kurze nach meiner Meinung interessante Anmerkung:
Die Studie des Medienrechtlers Prof. Liesching legt nahe, dass das NetzDG, wie er sich ausdrückt, „nicht funktioniert hat.“
Nach seinen Untersuchungen sind die Löschungen pp. nur zu einem geringen Umfang durch Meldungen Dritter verursacht. Als die Meldungen Dritter eingingen, war die Löschungen durch die Plattformen in großem Umfang bereits erfolgt. Nach seinen Untersuchungen liegt das daran, dass sich die Plattformen intern weitaus schärfere, von dem NetzDG gar nicht geforderte, innere Regeln gegeben hatten. Ob die Nachrichten diesen schärferen internen Regeln widersprechen, wird proaktiv mit Hilfe künstlicher Intelligenz geprüft und evtl. wird dann gelöscht. Dieses Verfahren führt in nicht unerheblichem Umfang zu Löschungen von Nachrichten, die nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen. Dieses sog. „Overblocking“ ist gesetzwidrig. Es hat keine gesetzliche Grundlage und verstößt schon deshalb gegen Art. 5 Abs. 2 GG.
Dieses Overblocking auf Kosten der Meinungsfreiheit der Bürger und der Presse ist auch wirtschaftlich motiviert. Die Plattformen wollen gesetzlich angedrohten Strafzahlungen entgehen.
Endspiel
Wie bereits ausgeführt „spielt die Musik“ in Brüssel bei der EU-Kommission.
Die EU will mit der DSA mittels privatrechtlich organisierten Dritten etwas schaffen, das – wie bei dem NetzDG schon vorgemacht – aus verfassungsrechtlichen Gründen (Verstoß gegen Art. 5 GG ) weder die Bundesrepublik noch die Bundesländer regeln dürften.
Offiziell segelt der DSA unter dem euphemistischen Slogan, die Macht der Digitalkonzerne zu begrenzen. Die VO sorge für fairen Wettbewerb und sie stärke die Rechte der Nutzer. Hinter dieser Fassade geht es jedoch um Des- und Falschinformation, Hetze, Hassreden, Diskriminierung, Delegitimierung.
Es handelt sich um eine ungeheuer komplexe Verordnung. Allein durch über 150 Erwägungsgründe muss sich der Interessierte durcharbeiten ehe er zu dem VO-Werk selbst mit über 100 Seiten gelangt. Diese rechtliche Komplexität stellt aus dem Blickwinkel demokratischer Standards ein Problem dar. Es ist geradezu undebattierbar. Aus Gesichtspunkten der Machterhaltung bleibt so die Deutungshoheit bei der Exekutive – hier die nicht demokratisch legitimierte EU-Kommission. Diese Methode zum Machterhalt ist nichts Neues. Die katholische Kirche wandte sich u. a. deswegen gegen Luther, musste sie doch befürchten, durch dessen Übersetzung der Bibel vom Lateinischen ins Deutsche die Deutungshoheit über das „heilige Buch“ zu verlieren.
Die EU will mit dem DSA erklärtermaßen „Desinformation“ beseitigen.
Nirgends in der VO selbst wird der Begriff „Desinformation“ definiert. Der Begriff wird lediglich über 10 mal in der VO erwähnt. Beispielhaft werden „Bots“, „Scheinkonten“, „gesellschaftliche Risiken“ erwähnt, aus den sich „Desinformationen“ ergeben könnten. „Desinformationen“ könnten sich auch bei Gefahren für die „Gesundheit“ oder der „Jugend“ ergeben.
Was sich die Kommission unter „Desinformation“ vorstellt, ergibt sich jedoch aus deren „Mitteilungen“. Es muss sich danach um nachweislich „falsche“ oder „irreführende“ Informationen handeln. (Es ist anzumerken: In diesem Sinne können wahre Informationen auch „irreführend“ sein, weil sie „vom rechten Weg“ abführen.) Die „Desinformationen“ müssen mit einem bestimmten Ziel produziert und verbreitet werden, etwa wirtschaftlicher Gewinn oder vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit. Schließlich muss „Desinformation“ „öffentlichen Schaden“ verursachen. Darunter versteht die Kommission Bedrohungen für den „demokratisch politischen Prozess und die politische Entscheidungsfindung“ sowie für öffentliche Güter wie den Schutz der Gesundheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger, der Umwelt und der Sicherheit.
Alles und jedes kann auf diesem Weg als nicht dem offiziellen Meinungskanal entsprechend sanktioniert werden.
Beschwichtigend wird vorgebracht, diese Mitteilungen der Kommission seien doch nicht verbindlich. Das ist irreführend. Gerade, weil in der VO selbst der Begriff der „Desinformation“ nicht definiert ist, werden unsere Kolleginnen und Kollegen bei den Gerichten gemäß der juristischen Methodenlehre nach dem „Willen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers“ Ausschau halten. Mit den angeblich nicht bindenden Mitteilungen der Kommission wird sich dann guten Gewissens Konformität begründen lassen.
Der DSA gibt Anlass zu weiterer vertiefter Analyse, zu der im Rahmen der begrenzten Zeitvorgabe hier keine Möglichkeit besteht. Z. B. wäre zu beleuchten. wie die Kommission ihre Ziele gegenüber den Digitalkonzernen durchsetzen wird. Wie die Konzerne durch enormen finanziellen Druck zu „Diskurswächtern“ aufgewertet werden und das bereits bekannte „Overblocking“ geradezu vorprogrammiert ist.
Die gegenüber den Plattformen eingebauten Überwachungsmechanismen machen einem totalitären Staat alle Ehre. Das bestätigt sich, wenn genauer betrachtet wird, wie sich die Kommission letztentscheidend die mit weiteren Rechten verbundene Ausrufung einer „Krise“ vorbehält. Eine „Krise“ soll dann vorliegen, wenn „außergewöhnliche Umstände eintreten, die zu einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit in der Union oder wesentlichen Teilen der Union führen können. Nach den Erwägungsgründen kann eine „Bedrohung“ alles Mögliche sein: Konflikte, Terrorismus, Naturkatastrophen, Pandemien und sogar „neu entstehende Konflikte“. Was die Frage aufwirft, wann ein noch in der Entstehung befindlicher Konflikt zur „Krise“ mutiert. Aus Zeitgründen ist eine weitere vertiefte Betrachtung des DSA hier nicht möglich. Deshalb muss leider auch der Blick darauf, wie der deutsche Föderalismus durch die VO teilweise ausgehebelt wird, unterbleiben.
Zu dem zum Endspiel gehörenden, in Vorbereitung befindlichen Media Freedom Act der EU-Kommission auszuführen, haben wir vielleicht bei der nächsten Zusammenkunft Gelegenheit. Nach alledem klingt es wie Hohn, wenn dasselbe politische Personal uns bei Festtagsreden zur Verteidigung des GG aufruft (Bundeskanzler Scholz), weil es eine „Daseinsgewissheit“ (Ex-Bundespräsident Gauck) sei, für zukünftige Entwicklungen geschaffen (Bundestagspräsidentin Bas) und gleichzeitig dessen teilweise Außerkraftsetzung durch die EU-Kommission aktiv unterstützt. Die europapolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner, fordert in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ganz offen, „den Vorrang europäischen Rechts bei uns stärker zu verankern“. Sie nimmt damit in Kauf, dass EU-Recht – mit kreativer Unterstützung deutscher Verfassungsorgane – Art. 5 GG in einem wesentlichen Bereich außer Kraft setzt. Das liegt auf gleicher Ebene, auf der die deutschen Verfassungsorgane – sekundiert von einem Großteil der Presse – während der Corona-Pandemie sich darin gegenseitig übertrafen, nicht nur Art. 5 GG, sondern auch weitere Grundrechte zu „entkernen“.
7 Kommentare
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https://philosophia-perennis.com/2023/10/26/nach-tv-zwangsabgabe-nun-auch-zwangsfinanzierte-presse-geplant/
Damit wären wir endgültig im Totalitarismus angelangt. Juristische Möglichkeiten? Politische Möglichkeiten? Bürgerkrieg? Selbstaufgabe? Man kann es zwar nicht glauben, aber man konnte so manches vorher auch schon nicht für möglich halten. Dieses Land und Abendland im Steilflug nach unten? Alle anschnallen, der Aufprall steht bevor!
Mit Abstand betrachtet, ist es bizarr, dass wo man nur hinschaut, ein Meinungs-Journalismus entstanden ist und die Leute sich gegenseitig vorwerfen, die falsche Ansicht zu vertreten bzw. noch schlimmer: es wie ein Sog wirkt, dass man zu bestimmten „Nachrichten“ nicht etwa „nichts sagen darf“. Das sich Enthalten bzw. Abwarten nicht auch als weise Geste verstanden wird, sondern als Feigheit.
Keine Haltung zu äußern oder indifferent zu sein, scheint mittlerweile den Status eines Verbrechens zu haben, um es übertrieben auszudrücken. Seit der Jahrtausendwende habe ich den Eindruck, dass die Parole gilt „wer nicht für mich ist, ist gegen mich (uns)“.
Wo aber Situationen entstehen (wie in 2020 ff), wo es unmöglich gemacht wurde, zu einer Thematik nach außen hin lieber indifferent zu bleiben, führte dieser Entscheidungszwang dazu, sich nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch beruflich und vor allem im öffentlichen Raum positionieren zu müssen.
Der öffentliche Raum aber soll gerade eben nicht einer sein, wo für alle jederzeit einsehbar sein soll, wofür oder wogegen ich bin, außer ich selbst entscheide es. Wenn aber zwischen „Ja“ und „Nein“ keine Alternative mehr besteht (ich enthalte mich, ich warte ab), erzeugt man einen Konflikt im Einzelnen, da alle seine Lebensbereiche betroffen sind. Mein Eindruck war und ist, dass wir es mit einem gewaltigen Konflikt-Sog zu tun haben, wir uns in einer Art Dauer-Konflikt-Schleife gefangen nehmen lassen.
Für mich liegt das Recht auf freie Meinung eben nicht nur darin, sie zu äußern, sondern eben auch darin, sie NICHT zu äußern. Wenn die Konsequenz aber dergestalt ist, dass alles und jeder von mir ein eindeutiges Bild zu erhalten wünscht (sogar fordert), macht mir das Angst und Sorge. Mir scheint dieses ein viel zu wenig beachteter Punkt zu sein.
Mir fällt auf, dass der Einzelne einer Belästigung und dem Eindringen der vielen anderen (dem so genannten Mob sowie einer „kalten unpersönlichen Bürokratie“) hilflos ausgeliefert sein wird, wenn künstliche Intelligenzen nicht nur das, was man im Internet von sich Preis gibt, löschen, sondern im Hintergrund sogar speichern und bewerten. Die intime Sphäre, wie Gesundheit, Reisen, Verbrauch, Beziehungen, scheinen als „das wird freigegeben zur Beurteilung“ zu politisch geworden zu sein. Dabei soll gerade das nicht politisch sein, weil es zu privat ist.
Mir kommt dabei manchmal der Gedanke, dass ich nicht etwa „zu wenig“ sagte, sondern womöglich „zu viel“. Ich verstehe, wie auch hier im Forum oft betont wurde, das Grundgesetz als Abwehrrecht gegen Eingriffe in die intime Sphäre. Die Frage des „wie ich das tun kann“ stellt sich mir dabei und auch nach dem „wie eine Zensur zu umgehen“. Die einzige Möglichkeit dazu ist das Brücken bauen und weder der einen populären sowie der anderen unpopulären Meinung weder leichtfertig zuzustimmen noch emotional den Kampf anzusagen, sondern mich so zu äußern, dass im Leser meines Kommentars so etwas wie Nachdenken oder Friedfertigkeit entsteht. Wenn ich das nicht hinkriege, wäre es aus meiner Sicht besser, gar nichts zu sagen, bis ich mich wieder in der Lage sehe, etwas zu sagen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund ziemlich flexiblem Charakter meines Exmannes habe ich als liebende Mutter mein Sorgerecht verloren und darf meine kleinere Tochter nicht einmal mehr sehen. Kann mir jemand helten? Ich kann mir nichts mehr leisten, im wahrsten Sinne des Wortes. Benötige dringend einen Anwalt und etwas Geld zum Überleben.
Mit freundlichen Grüßen
Ylja Christiane M. Brieger, Unterammergau
08822/9492627
Sehr geehrte Frau Brieger, haben Sie bitte Verständnis, aber Krista gibt weder einen Rechtsrat noch vermitteln wir Rechtsanwälte.
Ihr Kristateam
Liebe Frau Brieger, wenn Sie jetzt bei mir in der Nähe wohnen würden, würde ich sagen wir könnten uns treffen und reden, aber das ist leider nicht der Fall.
Deswegen würde ich sagen, dass Sie sich vielleicht an den Familienstützpunkt Oberammergau im Ammertal oder ähnliches wenden.
Telefonieren möchte ich nicht. Alles Liebe.
Diese Phrasen auf die angebliche Verfassung sind an sich schon eine Zumutung. Früher war es Usus in diesem Land, dass man seine freie Meinung kundtun konnte, ohne der Gefahr einer Anklage, Ausnahme DDR und Drittes Reich. Ausgenommen direkte Beleidigung, Verleumdung etc., aber heute ist das wesentlich restriktiver und somit nicht verfassungskonform (Artikel 5 GG). Wer ein Gesetz erlässt, um die freie Meinungsäußerung einzudämmen und zu sanktionieren, muss ein sehr schlechtes Gewissen haben oder seine Unfähigkeit kaschieren. Unter Absatz 1 Artikel 5 finden wir schon den Übergang von Freiheit der Presse und Berichterstattung durch Funk und Film. Zum Glück habe ich die Tageszeitung schon vor vielen Jahren abgeschafft, nicht nur Geld gespart, auch viel Nerven und Nahrung, welche ich u.U. rückabgewickelt hätte. Anlass war die zunehmende Zensierung von Leserbriefen, welche nicht dem gewollten Narrativ entsprachen. TV bezüglich Information absolut unerträglich, dafür Zwangsbeiträge abzuverlangen ist schon grenzwertig. Beispiel „Wildgehege TV-Talkshow“: Drei bis fünf „Wölfe“ gegen ein „Lamm“, welches im öffentlichen „Tribunal zerfleischt“ werden soll und leider zu oft funktioniert, aber eben nicht immer, je nach wehrhaftem „Lamm“. Wenn man dann mitbekommt, was für Gehälter da bezahlt werden, vermutlich der Löwenanteil der Gebühren und somit kein Geld für neue und gute Beiträge, Filme, Dokus etc. Unerträglich ist human ausgedrückt. Wenn ich mir Menschen vorstelle, die eine Wertschöpfung vollbringen und dafür Peanuts bekommen, weil der Chef über keine Zwangsbeiträge verfügen kann… Wenn man dann noch über die „Zuwendungen“ von Libra/juris liest wird einem übel, nicht aus Neid, wegen Verschwendung von Steuergeldern, welches von vielen Millionen z.T. prekär Beschäftigten erarbeitet wird. Langjährige Zeitschriften von BpB und LpB habe ich schon länger gekündigt, als ich mitbekommen habe wie einseitig man dort zu suggerieren versucht. Eine staatliche Presseförderung wäre in meinem Sinne absolut unzulässig, da die freien und alternativen Medien sich auch selbst finanzieren müssen, viele davon Opfer dieses Milieus. Unstrittig ist, dass Geldleistungen immer die Meinungsbildung beeinflussen, da muss man nicht studiert haben, das kapiert jeder. Wes´ Brot ich ess… kommt hier voll zum Einsatz. 1968 war ein Meilenstein für den derzeitigen Zustand, windige Zeitgenossen haben den Flugsamen dieser Bewegung verstreut, allerdings stelle ich fest, dass in diesen „Unkrautgärten“ zunehmend ansehnliche und resistente Pflänzchen sprießen und mir scheint, immer mehr. So, wie noch nie in der Geschichte dieser Republik mehr Blogs und alternative/freie Medien entstanden sind, wie in den letzten Jahren, Tendenz steigend. Verstand scheint sich Platz zu schaffen. Inwieweit die 68er-Nachkommen fähig und willens sind, die europäischen Oktroyierungen in Form von DAS, KI u.a. mitzutragen bleibt abzuwarten. Eines der dümmsten Argumente der Gegenwart, die AfD als antisemitisch zu diskreditieren, die einzige Partei welche eine eigene Gruppe Juden in eigenen Reihen hat! Da man ja auf einem Auge blind zu sein scheint und auf dem anderen nichts sieht, erkennt man natürlich den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Danke für die treffende Analyse. Sprechen wir es in einem Satz aus: Das NetzDG diente (neben der Migrationsfrage) der Zensur in der Coronazeit, um alternative Fakten aus dem Diskurs zu entfernen, der Digital Service Act wird dazu dienen, die Klimafrage und Kriegsausbrüche zu bewältigen und der bereits abzusehende Bereich des Media Freedom Act wird die letzten offenen Felder des freien Sprechaktes okkupieren. Es erfolgt von staatlicher Seite eine Flucht ins unternehmerische Privatrecht, um Kritiker zu zensieren und Regierungspolitik durchzusetzen. – Gut, das waren jetzt zwei Sätze. Aber wir haben auch zwei handelnde Parteien, die scheinbar am gleichen Seilende ziehen, um die freie Rede und Art. 5 GG zu strangulieren.