„Die Menschen dieses Landes sind keine Untertanen.“ – Hans-Jürgen Papier

Kommentar zum Bericht der Evaluationskommission vom 30.6.2022 nach § 5 Abs. 9 IfSG (Teil 2)

Dr. Manfred Kölsch

I.

Herr Lauterbach hat verlautbaren lassen, der Bericht vom 30.06.2022 werde bei der Planung der für den Herbst dieses Jahres zu ergreifenden Maßnahmen eine bedeutende Rolle spielen. Um seine Missachtung für die Arbeit der Kommission und deren gesetzlichen Auftrag kundzutun, hat er hinzugefügt, der Bericht dürfe jedoch kein zu großer Hemmschuh sein.

Ging es in Teil 1 schwerpunktmäßig um die leider kläglich unwissenschaftlichen und widersprüchlichen Ausführungen der Kommission zur Impfung, wird in diesem zweiten, abschließenden Teil das Evaluationsergebnis zu den NPI (nicht-pharmazeutische Interventionen) untersucht. Auch hier wird nach dem von der Kommission selbstgesteckten Ziel vorgegangen: „Wie erfolgreich waren diese Maßnahmen?“ und „Was können wir lernen für zukünftige Pandemien?“ (11)

(Die Zahlen in Klammern verweisen auf die Seiten des Evaluationsberichtes.)

II.

Valide Informationen, um ihrem Auftrag nachkommen zu können, gibt es nicht. Die Kommission stellt fest: „Ferner fehlte eine ausreichende und stringente begleitende Datenerhebung, die notwendig gewesen wäre, um die Evaluierung einzelner Maßnahmen oder Maßnahmenpakete zu ermöglichen.“ (11)

Die Kommission hält eine „begleitende und retrospektive Beurteilung der Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung von Pandemien…“ für eine „zentrale Aufgabe“. Es handelt sich um die „Kernaufgabe des Krisenmanagements“.Die Begleitforschung gehört zu den unverzichtbaren Kernelementen …“ (25) (Hervorhebungen durch den Autor). Angesichts dieser selbstgewählten Kriterien und der fehlenden Daten wäre es konsequent gewesen, den gesetzlichen Auftrag als undurchführbar abzulehnen. Zumal nach Ansicht der Kommission nicht ausreichend Zeit für die Evaluierung zur Verfügung stand und sie sich kein einziges Mal in Person zusammengefunden hat; ganz abgesehen von der beklagten personellen Unterbesetzung und der fehlenden Expertise.

Um dem Datenmangel abzuhelfen, versteigt sich die Kommission bis zu der Empfehlung „ein flächendeckendes Surveillance-System … wäre eine Option für die Zukunft“. Daten aus diesem „Surveillance-System“ könnten „… infolge definierter Vorgaben“ (47) erlangt werden, ohne festzulegen, welche Vorgaben ein Abgleiten in den totalen Überwachungsstaat verhindern sollen. Fruchtbar wäre anstelle der zahllosen Hinweise auf ausländische Studien durch die Kommission eine Bezugnahme auf das finnische System Kanta gewesen. Es wäre diskussionswürdig gewesen, unter welchen dort „definierten Vorgaben“ Daten zentral gespeichert werden können, wer unter welchen Bedingungen Nutzer sein kann und wer die Einhaltung der Regeln überwacht. Für ein Funktionieren einer solchen zentralen Datenerfassung gehört unabdingbar Vertrauen in die Politiker, das zurzeit mehrheitlich in Deutschland nicht vorhanden ist.

Obwohl die Kommission meint, ihr fehlten die unabdingbar erforderlichen Informationen, stellt sie unverdrossen fest: „Mit dieser Einschränkung musste die Evaluationskommission und müssen wir als Gesellschaft umgehen.“ (11) Es bleibt wohl das Geheimnis der übereinstimmenden Ansicht der Kommissionsmitglieder, warum sie und vor allem „wir als Gesellschaft“ damit „umgehen“ müssen?

Dass in Wirklichkeit fundierte, wohlrecherchierte Daten und Abhandlungen vorliegen, kann hier nicht weiter ausgeführt werden. Beispielhaft soll nur auf Thomas Wagner et al., Körperverletzung durch Masken?, verwiesen werden. Auch die Motive der Kommissionsmitglieder, weshalb sie eine Datenselektion vorgenommen haben und sich ausdrücklich auf die Daten der WHO und des RKI beziehen, sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Nachfolgend soll bewertet werden, was die Kommission zur Wirksamkeit und eventuellen Reformbedürftigkeit der einzelnen NPI „evaluiert“ hat.

III.

1.

Im Zusammenhang mit dem Lockdown wird betont, es sei physikalisch und biologisch plausibel, dass die Reduktion von physischen Kontakten zu einer Reduktion von Infektionen führe. (14, 74)

Die Lockdowns im Frühjahr 2020 und während der 2. Welle Ende 2020/Anfang 2021 umfassten die Schließung oder Beschränkungen des Betriebs von Gewerben, Unternehmen, Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen, von Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten; Verbote oder Beschränkungen von Veranstaltungen, Versammlungen und anderen Zusammenkünften sowie Beschränkungen des Reiseverkehrs. (67)

Eine „Kosten-Nutzen-Analyse“ dieser Lockdowns will die Kommission nicht vornehmen. (62) Dies sei nicht durchführbar, weil „den Wirkungen kein klarer monetärer Wert zugeordnet werden“ könne. (62) Einzelbereichen wäre jedoch ohne größeren Aufwand ein eindeutiger Geldwert zuzuordnen gewesen. Beispielhaft sei darauf hingewiesen, dass in Deutschland bis Ende Juni 2022 mindestens 3,9 Millionen Impfstoffeinheiten verfallen und weitere 123 Millionen Einheiten an andere Staaten „gespendet“ worden sind.

Die Werbeausgaben des BMG sind coronabedingt von 3 Millionen im Jahr 2019 auf ca. 70 Millionen im Jahr 2020 angewachsen.

Die Kommission stellt fest: „Insgesamt ist festzuhalten, dass alle bislang vorliegenden Studien eine eingeschränkte Aussagekraft haben …“. „Die vorliegenden Studien lassen somit kein abschließendes Urteil darüber zu, ob und welche Maßnahmen (-pakete) wie stark und zuverlässig wirken.“ (71)

Der Kommission entgeht nicht, dass die Lockdown-Maßnahmen (auch im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen) „… viele unerwünschte Nebenwirkungen“ nach sich ziehen, von denen aufgezählt werden:

Verschlechterung der Grundgesundheit durch verschobene medizinische Behandlungen,

nicht erkannte Erkrankungen und damit Einschränkung der Behandlungsoptionen,

Einbußen an Bildungsqualität und -angeboten insbesondere für sozial Benachteiligte,

Steigerung der häuslichen Gewalt gegenüber Frauen und Kindern

Verschiebungen von Geschlechterrollen,

Zunahme von psychischen Erkrankungen und Verlusterlebnissen durch Tod bis hin zu existentiellen Nöten.“ (72, 73)

Ergänzend weist sie auch auf gesamtgesellschaftlich große ökonomische und soziale Folgen hin. (73)

Diese Gründe sind zu vervollständigen durch wirtschaftliche Schäden von in Friedenszeiten unbekanntem Ausmaß, herbeigeführt durch politische Entscheidungen; das Ruinieren ungezählter mittelständischer Unternehmen; der kaum nachholbare Bildungsverlust hunderttausender Kinder.

Nach alledem ist einerseits nach Ansicht der Kommission davon auszugehen, dass durch Lockdowns der individuelle Schutz von Leben und Gesundheit und die kollektive Gesundheit (Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems) nicht nachweislich gefördert worden sind. Andererseits steht fest, dass sowohl die individuelle Gesundheit durch Lockdowns massiv beeinträchtigt und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems nachweislich weder vor noch nach den Lockdowns überlastet war. Die Kommission führt selbst aus, dass nicht festgestellt werden kann, wie stark und zuverlässig Lockdowns wirken. (71, 72) Unter diesen Umständen kann ein Lockdown nicht verfassungsgemäß (verhältnismäßig) sein. Die Juristen in der Kommission halten sich jedoch vornehm zurück. Sie erklären: „Die Frage, in welchem Maß der Schutz der individuellen Gesundheit und des Lebens auch flächendeckend Schutzmaßnahmen zulässt, kann allerdings nicht auf der abstrakt-generellen Ebene des Gesetzes beantwortet werden. Sie hängt vielmehr von der konkreten Gefährdungssituation ab, in der die zuständigen Behörden beim Erlass von Rechtsverordnungen (§ 32 IfSG) zwischen dem individuellen Gesundheits- und Lebensschutz auf der einen und gegenläufigen Freiheitsrechten auf der anderen Seite abwägen müssen“. (110) Was zahlreiche Gerichte aus dieser „Gebrauchsanweisung“ bei der Beurteilung von konkreten Lebenssituationen gemacht haben, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

2.

Die Kontaktpersonennachverfolgung (KPN) ist nach Auffassung der Kommission ineffektiv.

Die schnellstmögliche Information von engen Kontaktpersonen durch die infizierte Person ist nicht gewährleistet. Die Dunkelziffer der nicht erfassten Personen ist zu groß. Die Gesundheitsämter sind personell unterbesetzt. Sie können neben ihren übrigen Aufgaben nicht auch noch eine effektive KPN ausführen. Die Kooperation der Infizierten ist sowohl bei der analogen wie auch der digitalen KPN nicht gewährleistet. Eine Wirkung der KPN auf das Infektionsgeschehen ist, auch weil sie nicht gut von anderen gleichzeitigen Interventionen unterschieden werden kann, nicht feststellbar. (79)

3.

Einige Bereiche des öffentlichen Lebens waren für ungeimpfte Personen unzugänglich (2G) bzw. nur zugänglich mit dem Nachweis eines tagesaktuellen negativen Antigenschnelltests oder PCR-Tests (3G).

Es kann nach Ansicht der Kommission nicht bewertet werden, welche Wirkung diese Maßnahmen auf das erklärte Ziel, die Anzahl der Neuinfektionen mit SARS‑CoV‑2 zu senken und schwere Verläufe unter nicht geimpften Personen zu vermeiden, gehabt haben. Dies liegt einmal an „… der defizitären Datenlage zur Wirksamkeit der 2G/3G-Regeln hinsichtlich der Reduktion der Infektionszahlen und der Hospitalisierungsrate …“. Als Einzelmaßnahme kann sie auch deshalb nicht bewertet werden, weil sie in Kombination mit Masken und Abstandsregeln genutzt wurde. (78)

Die Kommission weist darauf hin, dass die 2G/3G-Regeln nicht nur angeordnet worden seien, um Neuinfektionen durch Minderung von Nahkontakten mit ungeimpften Personen zu verringern. Sie sollten den Ungeimpften auch einen Anreiz zur Impfung geben. (77) Wieweit dieses Ziel erreicht wurde, ist nicht messbar, da insgesamt die „… so wichtige Unterstützung der ungeimpften Menschen für diese Maßnahme sehr spärlich war“. (75)

Nach den Feststellungen der Kommission ist die Wirkung einer Impfung, insbesondere in Zusammenhang mit der leichten Übertragbarkeit der Omikron-Variante, „… nach drei Monaten nicht mehr vorhanden …“ (78). Sie empfiehlt deshalb unabhängig vom Impfstatus (3-fach oder 4-fach geimpft) „bei einem hohen Infektionsgeschehen eine Testung unabhängig vom Impfstatus als Zugangsbedingung für Veranstaltungen, Einzelhandel etc. …“ (Hervorhebung durch den Autor).

Als konkrete Handlungsanweisung für den zukünftigen Umgang mit Corona ist dies ungeeignet, sagt die Kommission doch nicht, was sie unter „hohem Infektionsgeschehen“ versteht. Will sie das an durch Schnelltests und (oder) PCR-Tests herbeigetesteten Infektionszahlen messen? Im Zeitraum von März 2020 bis März 2022 schwankte die Inzidenz zwischen etwas über 400 und knapp 1800, Schwankungen, die in keinen Zusammenhang mit der Maßnahmenstärke zu bringen sind (70,  Grafik). Zurzeit (02.08.2022) liegt die bundesweite Inzidenz bei 516, und niemand hält das heute für ein hohes Infektionsgeschehen. Anders war das Anfang 2021, als ein Inzidenzwert von 50 ein hohes Infektionsgeschehen darstellte. Die erforderliche wertende Entscheidung für die Annahme eines die Testpflicht auslösenden hohen Infektionsgeschehens wird durch den Inzidenzfetischismus folglich nicht gefördert. Die Kommission eröffnet der Exekutive durch ihre Empfehlung vielmehr die Möglichkeit, in den unbestimmten Begriff ihre Absichten hineinzulesen.

Selbstredend ist auch die Überlastung des Gesundheitssystems kein hinreichendes Kriterium, war doch stets eine ausreichende Zahl von Intensivbetten vorhanden. Eine Überlastung der in Intensivstationen tätigen Menschen war offensichtlich schon vor Corona gegeben. Wenn die Exekutive meint, eine noch größere Absicherung sei erforderlich, dann hat sie das durch Schaffung einer höheren Intensivbettenkapazität und Personaleinstellungen zu bewerkstelligen. Dies zu unterlassen und stattdessen den Bürger mit Freiheitsbeschränkungen zu überziehen, ist verfassungswidrig.

Unabhängig von der Anzahl der Impfungen eine Testpflicht vorzuschlagen, disqualifiziert zugleich die von der Kommission als „zentraler Baustein für eine nachhaltige Pandemiebewältigung“ (57) bezeichnete Impfung.

Die Testempfehlung hat doch für die Geimpften nur Sinn, weil eine Wirkung der Impfung „… nach drei Monaten nicht mehr vorhanden …“ ist. Die Kommission befürwortet entsprechend der Empfehlung der WHO: „… die schnellstmögliche Impfung großer Anteile der Weltbevölkerung ist nun für die Geschwindigkeit und den Erfolg der weiteren Bekämpfung der Pandemie entscheidend“. (21) Die Kommission erweckt dadurch – zur Freude der Impfstoffproduzenten – den Eindruck, ein lebenslanges Impfen mit einem zeitlichen Abstand von drei Monaten sei erforderlich. Dementsprechend fallen diejenigen, die vor mehr als drei Monaten die letzte Impfung erhalten haben, in den Status der Nichtgeimpften zurück.

Wir dürften auf keinen Fall den Eindruck erwecken, ein lebenslanges Impfen sei erforderlich, meint der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl. Er hält schon eine vierte Impfung für Menschen unter 70 Jahren für unnötig. Mit seiner Empfehlung für eine vierte Impfung für alle, sekundiert Andreas Radbruch, Vizepräsident der Europäischen Föderation der immunologischen Fachgesellschaften, verabschiede sich Herr Lauterbach von der Wissenschaft. Die vierte Impfung habe Herrn Lauterbach auch nicht gegen seine aktuelle Corona-Infektion geschützt, ergänzt er.

Was ist die Konsequenz dieser Äußerungen der beiden Funktionäre? Warten wir auf einen neuen Impfstoff? Ist die neue Virus-Variante die Lösung? Oder hören wir einfach mit dem Impfen auf und lernen, mit dem Virus zu leben?

Auch die von der Kommission empfohlene Testung gewährleistet keine hinreichend sichere Erkennbarkeit einer Infektion oder gar Erkrankung.

Durch den Antigenschnelltest ist auch nach Auffassung der Kommission der Ausschluss einer Infektion nicht ausreichend gewährleistet. (77)

Den PCR-Test hält die Kommission leichtfertig für ein ausreichend sicheres Mittel, mit SARS-CoV-2 Infizierte bzw. an Corona Erkrankte zu erkennen.

Dem ist die seit Jahren wissenschaftlich anerkannte Ansicht entgegenzuhalten:

Ein positiver PCR-Test kann nicht nachweisen, ob in einer Probe lebendiges, vermehrungsfähiges Virusmaterial vorliegt.

Ein positiver PCR-Test kann nicht den Nachweis erbringen, ob ein Mensch krank war, krank ist oder krank werden wird.

Ein positiver PCR-Test kann nicht die Infektiosität des positiv getesteten Menschen beweisen, ermöglicht also keine Aussage über die Ansteckungsrisiken durch die getestete Person.

Die von der Kommission hochgehaltenen Inzidenzwerte können deshalb über die reale Gefahrenlage nichts aussagen. Sie können von der Exekutive durch Steigerung oder Senkung der Anzahl von Tests beeinflusst werden. Sie sind deshalb ungeeignet, das Betreten von Innenräumen durch Coronainfizierte mit Krankheitswert zu verhindern.

4.

Schulen sind für die Kommission nur unter der Frage relevant, ob deren Schließung für sich alleine einen Einfluss auf die Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus hatte. Das kann, wie es heißt, nicht evaluiert werden, weil im schulischen Bereich eine Reihe von Maßnahmen gleichzeitig eingesetzt worden seien. (15 und 83)

Grundlegend „… für die Beurteilung von Schulschließungen ist die Frage, ob Kinder sich weniger häufig infizieren und auch weniger infektiös sind.“ (81) Dabei äußert die Kommission die banale Vermutung: „Hierbei scheint die Physiologie entscheidend zu sein, etwa Unterschiede im Lungenvolumen.“ (81) Sonst sieht sich die mit den verschiedenen Fachrichtungen besetzte Kommission nicht in der Lage „… die Fülle von Stellungnahmen, wissenschaftlichen Publikationen, Literatur und Einschätzungen … abschließend … zu bearbeiten. …“. Sie stiehlt sich aus der Verantwortung mit der Empfehlung: „Es wird daher dringend geraten, dieses Thema einer weiteren evidenzbasierten, externen Evaluation … zu unterziehen und daraus Handlungsleitlinien für zukünftige Ausbrüche und Pandemien zu erarbeiten.“ (81)

Die Wirksamkeit und eventuell die Stärke des Effekts von Schulschließungen auf das Infektionsgeschehen ist nicht gesichert. „Gut belegt“ sind jedoch zahlreiche gravierende, nicht intendierte, die Kinder durch Schulschließungen treffende Folgen. (15, 86)

Die psychischen und somatischen Folgen sind „immens“. (83) Genannt werden: Auswirkungen auf die Lernkompetenz; sich erst in den folgenden Jahren zeigende Defizite in Wissen und Leistungsfähigkeit; gravierende Folgen für sozial benachteiligte Kinder; fehlendes Gemeinschaftsgefühl; mangelnde körperliche Aktivitäten und damit zusammenhängende Gewichtszunahmen mit Übergewicht oder Adipositas usw.

Auch was die eindeutigen, Kinder treffenden, gravierend nachteiligen physischen und psychischen Folgen angeht, empfiehlt die Kommission, obwohl diese nach ihrer eigenen Ansicht bereits „empirisch gut belegt“ sind, die Einsetzung einer „Expertenkommission“. Diese sollte die Nachteile „genauer evaluieren. Zudem sollten klare und wissenschaftlich fundierte Handlungsrichtlinien zum zukünftigen Umgang bei Pandemien erarbeitet werden, in deren Zentrum die prioritäre Berücksichtigung des Kinderwohls liegen sollte.“ (86) Die Kommission dankt wiederum ab, indem sie ihre eigene, gesetzlich zugewiesene Aufgabe an eine andere Kommission weiterreicht. Diejenigen, die mit konkreten Kindschaftsverfahren außergerichtlich und gerichtlich zu tun haben, können ermessen, auf welches „Sumpfgebiet“ die Kommission hinlenkt (mit allen Gefahren für das wirkliche Wohl der Kinder), wenn sie die „prioritäre Berücksichtigung des Kinderwohls“ als Arbeitsrichtlinie vorgibt.

Schulschließungen halten wegen auch darauf beruhenden gesicherten gravierenden physischen und psychischen Folgen und ihrer nicht nachweisbaren Wirksamkeit auf das Infektionsgeschehen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der in Art. 7 GG anerkannte staatliche Erziehungsauftrag, der schon vor Corona vernachlässigt worden war, wurde durch die in den letzten zwei Jahren vorgenommenen Schulschließungen zusätzlich in verantwortungsloser Weise verletzt.

Sucht man nach einer rechtswissenschaftlichen Stellungnahme zu den Schulschließungen, dann findet man den keines Kommentars würdigen, verwirrenden Satz: „Bei der Schließung von Schulen und Kitas müsste das Ziel dieser Maßnahmen präzisiert werden. So sind Maßnahmen zum Schutz der restlichen Bevölkerung schwieriger zu rechtfertigen als Schließungen, die unmittelbar dem Schutz der Kinder bzw. Beschäftigten selbst gelten. § 28a IfSG differenziert in dieser Hinsicht nicht.“ (112)

5.

Masken und Maskenpflicht

Die Kommission zitiert (88) eine US-amerikanische Studie des Center of Disease Control (CDC), bei der infizierte und nicht-infizierte Personen gefragt wurden, ob sie Maske tragen oder nicht. Das Tragen einer Maske soll danach das Risiko, infiziert zu werden, vermindert haben. Sie weist bei dem Ergebnis dieser Studie jedoch selbst darauf hin, dass dieses „mit Vorsicht interpretiert“ werden muss, weil sie auf selbstberichteter Maskenverwendung basiert. Es gibt, wie angemerkt wird, auch keine klassisch randomisierten klinischen Studien zum Direktvergleich chirurgischer und FFP2‑Masken. Die Studien gehen alle davon aus, dass die Masken korrekt getragen werden, was auch nach Ansicht der Kommission nicht der Fall ist.

Die Kommission zitiert im Hinblick auf das Maskentragen auch eine großangelegte Studie an spanischen Schulkindern (89). Danach weisen maskenpflichtige sechsjährige Kinder eine höhere Inzidenz auf als fünfjährige, bei denen keine Maskenpflicht besteht. Es wird festgehalten: Sämtliche zitierten Studien zur Maskenpflicht in Schulen „sind rein deskriptiver Natur und erreichen nicht den Evidenzgrad, der nötig wäre, um eine abschließende Aussage zu diesem Sachverhalt treffen zu können“ (89). Die Maskenpflicht in Schulen wird nicht ausdrücklich abgelehnt. Offensichtlich spricht nach Auffassung der Kommission gegen eine Maskenpflicht in Schulen, dass der richtige Sitz von Masken nicht kontrollierbar ist und in den Pausen ohne Masken der Kontakt untereinander sehr viel enger ist als bei Erwachsenen.

Wie bei diesen Erkenntnissen die Kommission behaupten kann, „die grundsätzliche Wirksamkeit von medizinischen Gesichts- und partikelfiltrierender Halbmasken zur Verhütung und Bekämpfung der SARS‑CoV‑2 Infektion kann als weitgehend gesichert gelten“ (87), ist nicht nachvollziehbar. Zumal sie einen Absatz weiter ausführen lässt: „Neben der allgemeinen und im Labor bestätigten Wirksamkeit von Masken ist nicht abschließend geklärt, wie groß der Schutzeffekt von Masken in der täglichen Praxis ist, denn randomisierte klinische Studien zur Wirksamkeit von Masken fehlen.“

Thomas Wagner et al. weisen, hervorragend dokumentiert, in der bei KRiStA veröffentlichten Abhandlung über die Pflicht zum Maskentragen u. a. darauf hin, dass Masken (gängige Masken und FFP2‑Masken) als Schutz vor Weitergabe von Viren ungeeignet sind. Sie haben kein signifikantes Rückhaltevermögen für Viren und Aerosole, weil diese durch sie hindurchgehen. Für den Träger sind Masken gesundheitsschädlich, was im Einzelnen nachgewiesen wird.

Zu den von Masken verursachten gesundheitlichen Schäden positioniert sich die Kommission nicht eindeutig. Beeinträchtigungen der physischen und kognitiven Leistungsfähigkeit durch erhöhte CO2-Rückatmung hätten sich in zahlreichen Studien nicht bestätigt. (89) Andere negative Effekte „seien nicht gänzlich auszuschließen“. (89) Genannt werden erhöhte Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Lernschwierigkeiten. Ob diese negativen Effekte zuträfen, sei noch nicht abschließend zu bewerten.

Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass sich die Kommission Sorgen um mögliche Umweltbelastungen durch Massenproduktion und -nutzung von Masken macht. (90) Sie findet es für bedeutsam, auf eine „aktuelle Simulationsstudie“ (90) hinzuweisen, die nahelege, dass „die Weiternutzung von Masken bis zum Erreichen der gesetzten Impfziele erheblichen Produktivitätsverlusten und medizinischen Kosten entgegenwirkt“. (90) Welches die „gesetzten Impfziele“ sind und wie lange folglich Masken weiter zu tragen sein würden, bleibt offen.

IV.

Bei der notwendig werdenden Neufassung der am 23.9.2022 auslaufenden Regelungen des IfSG sollte nach Äußerungen von Herrn Lauterbach der Kommissionsbericht eine bedeutende Rolle spielen. Die Ausführungen der Kommission sind bei einer notwendigen Gesamtbetrachtung auch in Bezug auf die Maskenpflicht jedoch widersprüchlich und deshalb als Handlungsanweisung unbrauchbar. Bei entsprechendem politischem Willen können einzelne Sätze, aus dem Zusammenhang gerissen, jedoch durchaus dafür herhalten. Dazu ist bei entsprechender politischer Absicht der Satz geeignet: „Die grundsätzliche Wirksamkeit von medizinischen Gesichts- und partikelfiltrierenden Halbmasken zur Verhütung und Bekämpfung der SARS‑CoV‑2-Infektion kann als weitgehend gesichert gelten.“ (87) Ein Satz, der durch die Ausführung in dem Kommissionsbericht keinesfalls gestützt wird.

Die Kommission hat mit ihrem Evaluationsbericht die Auffassung der für die Coronapolitik maßgeblichen Politiker gestärkt, wonach Nichtwissen ausreichend sei, um umfassende Freiheitsbeschränkungen zu begründen. Es fehlt ein klares Wort dazu, dass der Staat die Voraussetzung für die Einschränkung von Grundrechten beweisen muss. Freiheit steht dem Bürger prinzipiell uneingeschränkt zu. Der Duktus des Evaluationsberichts deckt die verfassungswidrige Ansicht, Freiheiten seien den Bürgern erst wieder zuzuteilen, wenn nach dem Ermessen der Regierung keine Gefahr mehr von dem Virus ausgeht.

12 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

  1. Das Bericht der Evaluationskommission vom 30.6.2022 nach § 5 Abs. 9 IfSG kurz dargestellt:
    „“ Obwohl nicht makellos, war das Antwort auf die Covid-19-Epidemie hervorragend. Es müssen kräftiger und zugeschnittener Werkzeugen herbei für zukünftige Antworten.““
    Die mutmaßliche umfassendste Verletzung von Artikel 3 der EU-Grundrechtencharta wird nicht betrachtet.
    Auch wird die Vermehrfachung der Epidemioligische Problemen durch die pauschale Einspritzungen der Bevölkerung nicht betrachtet.
    Die fürchterliche Vernachlässigung des gravierenden Vitamine-D3-Mangels bei der Bevölkerung als Wegbereiter der epidemiologischen Problemen, wird nicht betrachtet.
    Also werden weder die fürchterregende Rechtenverletzungen betrachtet, noch das Agieren der Sender und Presse als Spritzmobberorganen noch das Kalt-Stellen der Lösungen.
    Somit ist den Weg für Schlimmeres bereitet worden.
    Wie der Niederländische WKII-Jugendpartisan und Genetikafachbereichleiter Prof. Dr. Ir. J.H. van der Veen vor 46 Jahren warnte:
    Die Transatlantische Fa. . .festigen schrittweise aber gewiss ihre Macht, die zahlreiche Verb . .msmaulen dienen denen fleißig und die RDNA-Technologie wird missbraucht werden um die Bevölkerung heimtückisch mit verzögerter Wirkung kaputt zu spritzen.

  2. Da der Eiertanz mit Maskenball bald wieder beginnt, hier eine gute Ausarbeitung von Egon W. Kreutzer. Sie zeigt die „Sinnhaftigkeit“ der Maskennutzung.

    https://egon-w-kreutzer.de/ffp2-und-erloese-uns-von-dem-uebel

  3. Heute bei E.W. Kreutzer gelesen und für absolut gut und stimmig empfunden:

    https://egon-w-kreutzer.de/ffp2-und-erloese-uns-von-dem-uebel

    Das Übel wird uns wieder einholen, wenn wir es zulassen. Es liegt an uns, über jedes hingehaltene Stöckchen zu springen oder zu verweigern, wie jeder kluge „Hund“.

  4. https://uncutnews.ch/holocaust-ueberlebende-vera-sharav-wenn-wir-nicht-alle-widerstand-leisten-wird-es-nie-wieder-so-sein-vollstaendige-rede-nuernberg-20-august-2022/

    Dem ist nicht viel hinzuzufügen, außer:
    Im Schnitt studieren in D im Jahr 100.000 (!) Jura und das seit 2000 . Wozu? Bei uns werden Recht und Gesetz ignoriert, Justiz ist heute der verlängerte Arm der Regierung. Wie kann ein Umbruch erfolgen, zum Nutzen der Bürger und der Gerechtigkeit? Gemäß dem Motto nach 1945: Nie wieder!

    • Dietmar ME auf 18. August 2022 bei 16:50
    • Antworten

    Sehr geehrter Herr Dr. Kölsch, vielen Dank für die aufschlussreiche Analyse, die klar zeigt, worum es hier geht: eine überwiegend von Daten und sonstigen Evidenzen befreite Alibiveranstaltung, auch gerne Geschwurbel genannt.
    Machen Sie und das Team von KRiStA bitte weiter so….

  5. Ich schließe mich Herrn Dr. Wodarg an! Ihre Arbeit und Aufsätze machen wirklich Hoffnung! Vielen Danke dafür!

    MfG

  6. Lieber Dr. Kölsch,
    mit großem Interesse lese ich die Berichte zur Aufarbeitung politischer Entscheidungen. Vielen lieben Dank für Ihre unermüdliche Arbeit. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich als Hebamme plötzlich Interesse an Rechtswissenschaft entwickle:-)

    Liebe Grüße aus der Oberpfalz

  7. „Krisenmanagement“? Welche Krise denn? Des Kaisers neue Krankheit war immer nur hohle Luft, immer nur Lüge. Zu keiner Zeit gab es irgendeine Bedrohung, geschweige denn ein Massensterben. Jede Aussage ist also als false flag zu verurteilen, wenn sie – von einer Pandemie ausgeht, – generell irgendeine Schutzwirkung irgendeiner Impfung behauptet, – die Gebrechlichkeit des Menschen (Krankheit / Tod) leugnet.

    • MUUUFNE auf 16. August 2022 bei 13:03
    • Antworten

    Vielen Dank für die unermüdliche Aufarbeitung.
    Besser kann die ideologische Beschaffenheit des Viruses gar nicht auf den Punkt gebracht werden. Jeder Bürger kann die schlechten Wahlbeteiligungen in unserem Land nachschlagen. Die Legitimation dieser REGIERUNG ist also überschaubar gering. Demzufolge hat sich ein viel größerer Teil der Menschen nichts vorzuwerfen und wurde trotzdem in Sippenhaft genommen –> einem demokratischen Rechtsstaat unwürdig!!!
    „… viele unerwünschte Nebenwirkungen.“ sollten doch als das bezeichnet werden, was sie in der Tat sind:
    irreversible Schäden gepaart mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit!!!

    Bedienen wir diesen Gewaltakt nicht länger und bringen wir uns weiter für unsere Menschlichkeit und ein gesundes Miteinander ein.

  8. Sehr geehrter Herr Dr. Kölsch,
    Ihre Arbeit und das Engagement des KRiSTA stärkt meine Hoffnung auf das Überleben unseres Rechtsstaates.
    Dafür danke ich Ihnen und Ihren Kollegen sehr.
    Mit herzlichen Grüßen,
    Wolfgang Wodarg

  9. Also gemessen an der Zusammensetzung der Kommission hätte ich mehr, wesentich mehr Evidenz erwartet. Was muss ich mir nun darunter vorstellen, ein Gefälligkeitsgutachten? Cui bono? Angesichts derartiger „Erkenntnisse“ würde es mich nicht wundern, wenn das Spektakel bis zum Sanktnimmerleinstag dauert – oder immer mehr Menschen kapieren um was es geht – und der Druck sich entlädt. Hoffe, dass alles gut dokumentiert ist, belastende Stasiakten und auch im DR wurden ja viele Nachweise schnell und effizient großteils vernichtet. Wir bleiben am Ball!

    • Kristin A. aus F. auf 15. August 2022 bei 23:40
    • Antworten

    Liebe kristas, herzlichen Dank für euren Teil 1 und Teil 2 zum Bericht der Evaluationskommission vom 30.6.2022. Dieser Bericht hätte wohl keinen auch nur irgendein Bachelor Abschluss gewinnen lassen. Wenn soviel Ungereimtes produziert wird, heißt das soviel wie, denn sie wissen nicht was sie tun. Es gibt viele Interessen aber nicht den Einen Weg.
    Für mich bedeutet das weiterhin auf die Straße zu gehen. Meinen Ängsten anlässlich der Panikmache für Menschen aus dem Gesundheitssystem zu widerstehen. Ja, und weiterhin vorsichtig mit der Verbreitung meiner Daten umzugehen. Und bei aller Schwere hilft auch immer Humor.
    In diesem Sinne dranbleiben liebe Mitstreiter und Herzliche Grüße

Schreibe einen Kommentar zu Eddi Antworten abbrechen

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.