KRiStA – Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V.

Weiterhin Maske im Betrieb – muss das sein?

Einführung

Aufgrund der Änderung des § 28a IfSG vom 18. März 2022 besteht mindestens seit Ablauf der Übergangsfrist am 2. April 2022 in weiten Bereichen des öffentlichen Lebens keine Verpflichtung mehr zum Tragen einer Atemschutzmaske oder Mund-Nasen-Bedeckung (MNB oder MNS). Abgesehen von den äußerst zweifelhaften Versuchen vor allem öffentlicher Einrichtungen, die teilweise Wiederherstellung der Freiheitsrechte durch hausrechtliche Anordnungen zu umgehen, besteht auch in vielen Betrieben, zu denen auch die Dienststellen im Bereich des öffentlichen Dienstes gehören, die Tendenz, eine Maskenpflicht gegenüber den Mitarbeitern weiterhin verbindlich anzuordnen. Dies beruht nicht in allen Fällen nur auf (vermeintlicher) Fürsorge der Arbeitgeber für das gesundheitliche Wohlergehen der Mitarbeiter, sondern auch auf einer Unsicherheit über die vom Gesetz- und Verordnungsgeber nunmehr erwarteten Anforderungen. Mit nachfolgender Untersuchung sollen die Unsicherheiten beseitigt werden. Es wird aufgezeigt, dass eine Verpflichtung zum Tragen von Masken oder MNB als Schutz gegen eine SARS-CoV-2-Infektion außerhalb der in § 28a Abs. 7 Nr. 1 IfSG benannten Betriebe (z. B. Arztpraxen und Einrichtungen des Gesundheitswesens) nicht mehr Gegenstand betrieblicher Hygienekonzepte sein kann.

Regelungskonzept

Die Anordnungen der Maskenpflichten beruhen verkürzt auf folgendem Regelungskonzept: Gem. § 3 Abs. 1 ArbSchG gehört es zu den Grundpflichten des Arbeitgebers, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Gem. § 4 Nr. 3 ArbSchG sind bei den Maßnahmen der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Die erforderlichen Maßnahmen sind im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG zu ermitteln. Welche Maßnahmen der Arbeitgeber zu treffen hat und wie sich die Beschäftigten zu verhalten haben, um ihre Pflichten nach dem ArbSchG zu erfüllen, kann gem. § 18 Abs. 1 ArbSchG durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) geregelt werden. Den pandemiebedingten besonderen Anforderungen wurde durch eine ursprünglich auf die Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Tragweite beschränkte spezielle Verordnungsermächtigung Rechnung getragen, die nunmehr auch nach deren Ablauf gem. § 18 Abs. 3 Satz 2 ArbSchG verlängert wurde bis 23. September 2022. Von dieser Verordnungsermächtigung hat das BMAS Gebrauch gemacht mit den Corona-Arbeitsschutzverordnungen (Corona-ArbSchV). Außerdem gibt es noch sog. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln (CoVArbSchR). Hierbei handelt es sich um technische Regeln des auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 18 Abs. 2 Nr. 5 ArbSchG gebildeten Arbeitsschutzausschusses, dessen Aufgabe es ist, die Bundesregierung oder das zuständige Bundesministerium zur Anwendung der Rechtsverordnung (hier der Corona-ArbSchV) zu beraten, dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene entsprechende Regeln und sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse sowie Regeln zu ermitteln, wie die in den Rechtsverordnungen gestellten Anforderungen erfüllt werden können. Die Arbeitsschutzregelungen des Arbeitsschutzausschusses verfolgen also zwei Ziele. Sie sind zum einen Konkretisierung der Anforderungen der Verordnungen nach dem ArbSchG. Zum anderen beschreiben sie den Stand der Technik i. S. v. § 4 Nr. 3 ArbSchG. Der Arbeitgeber ist zwar nicht zwingend verpflichtet, sich an diese Regeln zu halten (Schlegel in Schlegel/Meßling/Bockholdt COVID 19-Corona-Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales 2. Aufl. § 18 Rn. 61). Es gilt jedoch eine Vermutungswirkung, dass bei Einhaltung der bekannt gemachten Regeln die in der Verordnung gestellten Anforderungen erfüllt sind (MünchHdbArbR/Kohte 5. Aufl. § 174 Rn. 35; Schlegel in Schlegel/Meßling/Bockholdt COVID 19-Corona-Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales 2. Aufl. § 18 Rn. 61).

Altregelung

Bis zum 19. März 2022 galt zuletzt die Corona-ArbSchV vom 22. November 2021. Diese regelte u. a. in § 1 Abs. 3 Satz 1, dass bei der Umsetzung der Verordnung die CoVArbschR vom 7. Mai 2021 in der jeweils geltenden Fassung zu berücksichtigen sei. In der letzten Fassung vom 24. November 2021 hieß es unter Nr. 4.1 Abs. 3 CoVArbSchR:

Soweit arbeitsbedingt die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann und technische Maßnahmen wie Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen oder geeignete organisatorische Maßnahmen nicht umsetzbar sind, müssen die Beschäftigten mindestens MNS zum gegenseitigen Schutz tragen. Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass ein Schutz der Beschäftigten durch MNS nicht ausreichend ist und Masken mit der Funktion des Eigenschutzes notwendig sind, sind die in Anhang 2 bezeichneten Atemschutzmasken bereitzustellen.

Ergänzend hierzu hieß es in Nr. 4.1 Abs. 4 CoVArbSchR:

Müssen MNS oder Atemschutzmasken getragen werden, sind diese vom Arbeitgeber in ausreichender Menge bereitzustellen. Die Beschäftigten haben diese zu tragen.

Damit korrespondierte wiederum § 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV vom 22.November 2021, in welchem es wie folgt hieß:

Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass ein Schutz der Beschäftigten durch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen nicht ausreichend ist und das Tragen medizinischer Gesichtsmasken (Mund-Nase-Schutz) oder der in der Anlage bezeichneten Atemschutzmasken durch die Beschäftigten erforderlich ist, sind diese vom Arbeitgeber bereitzustellen. Die Beschäftigten haben die vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Masken oder mindestens gleichwertige Masken zu tragen.

Kurz zusammengefasst: Ergab die Gefährdungsbeurteilung eine Erforderlichkeit zum Tragen von Masken oder MNB, hatte sie der Arbeitgeber zu stellen und der Arbeitnehmer zu tragen.

Neuregelung

Die Neuregelung der Corona-ArbSchV vom 17. März 2022 verweist interessanterweise in § 1 Abs. 3 darauf, dass bei der Umsetzung der Anforderungen dieser Verordnung nunmehr die frühere CoVArbSchR vom 10. August 2020 in der jeweils geltenden Fassung zu berücksichtigen sei. Die letzte aktuell geltende Fassung ist jedoch die Fassung vom 24. November 2021, aus der bereits oben zitiert wurde. Geändert hat sich jedoch v. a. § 2 der Verordnung. In § 2 Abs. 3 Corona-ArbSchV lautet es nunmehr:

Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung insbesondere zu prüfen, ob und welche der nachstehend aufgeführten Maßnahmen erforderlich sind, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Dabei sind insbesondere das regionale Infektionsgeschehen sowie besondere tätigkeitsspezifische Infektionsgefahren zu berücksichtigen:

3. die Bereitstellung medizinischer Gesichtsmasken (Mund-Nasen-Schutz) oder der in der Anlage bezeichneten Atemschutzmasken.

Auffallend ist, dass entgegen der gem. § 1 Abs. 3 Corona-ArbSchV zu berücksichtigenden CoVArbSchR in § 2 Abs. 3 Corona-ArbSchV gerade nicht geregelt ist, dass die gem. der Gefährdungsbeurteilung ggf. als erforderlich angesehenen Masken und MNS, die vom Arbeitgeber zu stellen sind, vom Arbeitnehmer auch getragen werden müssen.

Schlussfolgerung

Geht man davon aus, dass die von der Altregelung abweichende Nichterwähnung einer Verpflichtung zum Tragen von Masken oder MNS in der neuen Corona-ArbSchV nicht unbeabsichtigt ist und dass entsprechend der geänderten Überschrift der § 2 Corona-ArbSchV nur noch „Basisschutzmaßnahmen“ gewährleistet werden müssen, liegt nahe, dass der Verordnungsgeber – wie auch der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 28a IfSG – die Maske bzw. den MNS nicht mehr verpflichtend anordnen möchte. Der Hinweis in § 1 Abs. 3 Corona-ArbSchV wäre dann einschränkend zu verstehen, dass eine Konkretisierung durch die CoVArbSchR nur in dem Rahmen geboten ist, der bereits durch § 2 Corona-ArbSchV gezogen ist. Konsequenterweise sind dann auch Hygienekonzepte, die eine Verpflichtung zum Tragen von Masken und MSN anordnen, überschießend und nicht mehr verhältnismäßig i. S. v. § 5 Abs. 1 ArbSchG.

Das ändert jedoch nichts daran, dass der (erstmalige) Widerspruch zwischen § 2 Corona-ArbSchV, wonach eine Verpflichtung zum Tragen der zur Verfügung gestellten Masken und MNS nicht besteht, und der gem. § 1 Abs. 3 Corona-ArbSchV zu berücksichtigenden CoVArbSchR, die noch von einem Gleichlauf von Gestellungspflicht und Trageverpflichtung ausgeht, irritiert. Wünschenswert wäre, wenn der Verordnungsgeber die dargestellte und am gesetzgeberischen Willen orientierte Auslegung in der Corona-ArbSchV deutlicher zum Ausdruck brächte oder der Arbeitsschutzausschuss die CoV-ArbSchR, die schließlich nur der Konkretisierung der Verordnung dienen, entsprechend der Verordnungsänderung anpassen würde. Denn dass die Arbeitgeber angesichts der oben dargestellten Vermutungswirkung nicht ins Risiko gehen wollen, ist nachvollziehbar. Aktuell besteht der Verdacht, dass der Verordnungsgeber bewusst die Unklarheit und Verunsicherung gewählt hat, um die Arbeitgeber zum „Vollzugsorgan“ eines strengeren Infektionsschutzes zu machen, für den es parlamentarisch keine Mehrheit gab. Die Arbeitgeber in der Unklarheit zu lassen, ist angesichts der Bußgeldbewehrung bei einem Verstoß gegen die CoronaArbSchV gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG besonders perfide. Die Maske hat im Betrieb ausgedient.