Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob gesetzliche Betreuer (Berufs-, Vereins- oder ehrenamtliche Betreuer) der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterfallen. Die Auslegung des § 20a Infektionsschutzgesetz ergibt, dass dies nicht der Fall ist.
Einleitung
Am 10.12.2021 hat der Bundestag eine einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen, die nahezu alle betrifft, die im Gesundheitswesen oder im Bereich der Integration behinderter Menschen tätig sind. Diese Menschen sollen sich ohne jegliche arbeitsplatzbezogene Risikoeinschätzung einer Impfpflicht unterwerfen, anderenfalls droht ihnen der Entzug ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Trotz dieser Tragweite sind wesentliche Fragen in der Norm weder geregelt noch angemessen kommuniziert worden. Der neue § 20a Infektionsschutzgesetz wurde sowohl der Bevölkerung als auch den Behörden gleichsam „vor die Füße geworfen“. Die offenen Fragen betreffen sowohl den Inhalt der Norm als auch ihre Durch- und Umsetzbarkeit.
Die Rechte der „Bestandsbelegschaft“ sind darin stärker ausgestaltet, als die Rechte derjenigen, die ab dem 16. März 2022 ein neues Tätigkeitsverhältnis eingehen, was wir in zwei Beiträgen bereits besprochen haben (Ist die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers ohne Immunitätsnachweis im Gesundheitswesen ab dem 16. März 2022 für den Arbeitgeber eine Ordnungswidrigkeit, solange seitens des Gesundheitsamtes kein Betretungsverbot ausgesprochen wird und der Arbeitnehmer schon vor dem 16. März 2022 in der Einrichtung oder dem Unternehmen beschäftigt war? – KRiStA – Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (netzwerkkrista.de); Weiterarbeit im Gesundheitssektor trotz fehlender Impfung möglich? – „Kann-Regelung“ in § 20a Abs. 5 Infektionsschutzgesetz lässt Gesundheitsämtern Spielraum, Pflegekatastrophe abzuwenden – KRiStA – Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (netzwerkkrista.de)). Dies sollte nunmehr allen Gesundheitsämtern und Arbeitgebern bekannt sein. Leider lassen verschiedene Nachrichten darauf schließen, dass es wohl auch hier noch Ausnahmen gibt. Dabei antwortete auch die Bundesregierung am 25.01.2022 auf eine parlamentarische Anfrage, welche Maßnahmen die Bundesregierung ggf. gegen eine drohende Kündigungswelle im Gesundheitswesen ergreifen wolle, Folgendes (Bundestags-Drucksache 20/477, Seite 6 am Ende):
„Die in § 20a des Infektionsschutzgesetzes geregelte einrichtungsbezogene Impfpflicht für Bestandspersonal zieht kein automatisches Beschäftigungsverbot nach sich. Bei Nichtvorlage eines geeigneten Nachweises (Impf- oder Genesenennachweis oder Zeugnis über medizinische Kontraindikation) ist diese zunächst dem Gesundheitsamt zu melden. Bei Nichtvorlage des Nachweises trotz Aufforderung entscheidet das zuständige Gesundheitsamt nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall über die weiteren Maßnahmen (z. B. ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot) und wird dabei auch die Personalsituation in der Einrichtung berücksichtigen.“
Diese Antwort der Bundesregierung unterstreicht die gesetzliche Unterscheidung zwischen Bestandspersonal und bereits Tätigen und Neueinstellungen.
Unterfallen nun gesetzliche Betreuer (Berufs-, Vereins- oder ehrenamtliche Betreuer) der einrichtungsbezogenen Impfpflicht?
Nach der rechtsirrigen und für sich genommen nicht maßgeblichen Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums (https://www.zusammengegencorona.de/impfen/gesundheits-und-pflegeberufe-impfen/einrichtungsbezogene-impfpflicht/, abgerufen am 29.01.2022) soll das angeblich der Fall sein. Der Beitrag zeigt im Folgenden, dass diese Auffassung nicht zutrifft. Gesetzliche Betreuer (Berufs-, Vereins- oder ehrenamtliche Betreuer) unterfallen nicht der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.
1.
Betreuer sind Personen, welche durch das Gericht bestellt werden, um eine volljährige Person, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen kann, zu unterstützen und diese rechtlich zu vertreten. Hierbei kann das Gericht fremde Personen (Berufsbetreuer oder Vereinsbetreuer) bestellen, in den meisten Fällen werden jedoch Familienangehörige oder Bekannte als ehrenamtliche Betreuer bestellt. Häufig übernehmen die Kinder die Betreuung ihrer Eltern, wenn diese nicht mehr selbst ihre Angelegenheiten regeln können, oder die Eltern die Betreuung ihrer volljährig gewordenen geistig behinderten Kinder. Die Bestellung von ehrenamtlichen Betreuern sieht das Gesetz als vorrangig an, § 1897 BGB.
§ 20a IfSG schreibt in Abs. 1 Satz 1 vor, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht für die in den dort genannten Einrichtungen Tätigen ab dem 15.03.2022 gilt. Wer „tätig“ ist, wird allerdings nicht näher definiert. Der Begriff wird trotz der erheblichen Tragweite und Eingriffsintensität der Vorschrift unscharf und unbestimmt gelassen. Er bedarf daher einer Auslegung.
2.
Wenn man lediglich auf den Sinn und Zweck der Vorschrift, die Impfquote zum Schutz der vulnerablen Personengruppen zu erhöhen, abstellen würde, dann könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass diese so weit wie möglich auszulegen sei. Als Ziel der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wird der Schutz der vulnerablen Personen genannt. Personen, die einen engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Risiko für einen schweren, schwersten oder gar tödlichen COVID-19 Krankheitsverlauf haben, sollen der Impfpflicht unterliegen, um eine Eintragung und Weiterverbreitung des Virus in die in § 20 Abs. 1 IfSG genannten Settings zu vermeiden. Hierbei ging der Gesetzgeber bei der Beschlussfassung davon aus, dass hochwirksame Impfstoffe gegen COVID-19 zur Verfügung stehen, die nicht nur die geimpfte Person wirksam vor einer Erkrankung und schweren Krankheitsverläufen (Individualschutz) schützen, sondern die gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung (Bevölkerungsschutz) reduzieren. Er ging weiterhin davon aus, dass bei geimpften Personen sowohl das Risiko einer asymptomatischen Infektion als auch das Übertragungsrisiko in den Fällen sinkt, in denen es trotz Impfung zu einer Infektion kommt. Das Risiko, das von Geimpften oder Genesenen ausgeht, sei somit deutlich geringer als bei Personen, die über keine Immunisierung aufgrund eines vollständigen Impfschutzes oder einer durchgemachten Infektion verfügten (Bundestagsdrucksache 20/188, S. 2, 37). Bereits hier ist aber fraglich, ob der Zweck des Gesetzes überhaupt durch die eingeführte einrichtungsbezogene Impfpflicht erreicht werden kann, da die oben genannten ursprünglichen Annahmen mittlerweile überholt sind. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit Omikron wieder eine neue Variante des Virus zirkuliert, gibt es genügend wissenschaftliche Erkenntnisse, dass ein Fremdschutz durch die Impfung nicht mehr erreicht werden kann (u. a. Prof. Hendrik Streeck bei „ntv Corona Talk“ am 25.01.2022, ab Minute 25:37 „Es ist kein Fremdschutz. […] Herr Montgomery, dann verstehen Sie vielleicht nicht die letzten Studien, die wir zu Omikron sehr deutlich gehabt haben. Dass auch Geimpfte das Virus gleichermaßen weitergeben können, wie Ungeimpfte. Wir sehen hier keinen Unterschied […]“, https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Ist-Deutschland-gewappnet-fuer-die-Omikron-Welle-article23081877.html, abgerufen am 30.01.2022).
3.
Die Wortlautauslegung „Personen, die in den folgenden Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind“ spricht allerdings dafür, dass hier insbesondere Beschäftigte des Unternehmens oder auch Unternehmensinhaber gemeint sind. Tätig sein bedeutet in einem bestimmten Beruf arbeiten. Man assoziiert damit ein Tätigwerden im Rahmen seiner Arbeit, seines Berufs, ein Angestelltenverhältnis etc., wenn dies irgendwie mit einer entsprechenden Einrichtung zu tun hat. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch fallen Betreuer also nicht unter diese Vorschrift (vgl. https://www.wortbedeutung.info/t%C3%A4tig/,13.01.2022; https://www.openthesaurus.de/synonyme/t%C3%A4tig%20sein%20(in), 13.10.2022).
4.
Hierfür sprechen auch die Gesetzesmaterialien zu § 20a IfSG (Bundestagsdrucksache 20/188). Dort ist von „Personal“ in den Gesundheitsberufen (u. a. Seite 2) und von „Beschäftigten“ (u. a. Seite 4, 30 und 37) die Rede. Auf Seite 37 wird Art. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wie folgt erläutert: „Die Vorlagepflicht für Immunisierungsnachweise der Beschäftigten gegenüber den Einrichtungen bzw. dem Gesundheitsamt ist auf den 31. Dezember 2022 befristet (Artikel 2).“ Diese beiden Begriffe legen auch nahe, dass es sich nur um direkt in den Einrichtungen angestellte Personen handelt. Durch die weiteren Ausführungen in der Begründung wird der Begriff der „Tätigen“ allerdings wieder unklarer und unschärfer und wohl auch weiter gehalten als reine Beschäftigte, wobei immer wieder der enge Kontakt zur vulnerablen Personengruppe betont wird.
So wird auf Seite 37 und 38 Folgendes zur Reichweite des § 20a IfSG erläutert:
„Daher wird für solche Einrichtungen und Unternehmen, in denen sich typischerweise eine Vielzahl von besonders vulnerablen Personen aufhalten oder die von diesen Einrichtungen und Unternehmen versorgt werden, vorgeschrieben, dass dort tätige Personen geimpft oder genesen sein müssen oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Impfung gegen COVID-19 besitzen. Die Verpflichtung gilt ab dem 15. März 2022. Auf ein konkretes Vertragsverhältnis zwischen der jeweiligen Einrichtung und der dort tätigen Person kommt es für die Verpflichtung nicht an. […]
Erfasst werden nicht nur zeitlich ganz vorübergehend (nicht nur jeweils wenige Minuten, sondern über einen längeren Zeitraum) in den Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen. Die Art der Beschäftigung (Arbeitsvertrag, Leiharbeitsverhältnis, Praktikum, Beamtenverhältnis etc.) ist ohne Bedeutung. Bei den erfassten Personen handelt es sich beispielsweise um medizinisches bzw. Pflege- und Betreuungspersonal einschließlich zusätzlicher Betreuungskräfte nach § 53b SGB XI, aber auch andere dort tätige Personen wie zum Beispiel Hausmeister oder Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal. Erfasst sind auch Auszubildende, Personen, welche ihren Freiwilligendienst (nach dem BFDG oder JFDG) ableisten, ehrenamtlich Tätige, Praktikanten sowie Zeitarbeitskräfte.“
Allen diesen Personengruppen ist jedoch gemein, dass sie in einem bestimmten Vertragsverhältnis zu der Einrichtung stehen und dort regelmäßig und nicht nur ganz vorübergehend verkehren. Zwar wurde ausdrücklich hervorgehoben, dass es auf ein konkretes Vertragsverhältnis zwischen der jeweiligen Einrichtung bzw. des Unternehmens und der dort „tätigen“ Person nicht ankommt. Mit der anschließenden Aufzählung wird allerdings offenbar lediglich klargestellt, dass nicht nur Angestellte, Arbeitnehmer oder ähnliche Personen, die in einem Dienstverhältnis zu der Einrichtung stehen, sondern eben die ehrenamtlich Tätigen, Praktikanten etc. gemeint sind und diese auch erfasst werden sollen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen zwar Küchenpersonal und Reinigungspersonal usw. unter diese Regelung fallen. Diese Bereiche sind häufig outgesourct. Dann besteht aber wiederum zwischen der Reinigungsfirma etc. ein Vertragsverhältnis zu der Einrichtung.
Ausdrücklich ausgenommen sind die in den Einrichtungen oder von den Unternehmen behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen. Diese Ausnahme war nötig, da auch diese Personen in einem bestimmten (Vertrags-)Verhältnis zu den jeweiligen Einrichtungen stehen und dort sogar tätig sein können.
Erfasst sind demnach nach den Gesetzesmaterialien aber nicht Personen, die in keinerlei Beziehung – auch nicht über Drittfirmen – zu der Einrichtung stehen.
Betreuer stehen in keinerlei Vertragsverhältnis zu den Einrichtungen. Sie stehen lediglich in einem Verhältnis zu den in den Einrichtungen behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen. Es handelt sich bei der in § 20a IfSG geregelten Impfpflicht um eine einrichtungsbezogene Impfpflicht und eben nicht um eine personenbezogene Impfpflicht. Somit fallen auch nach dem Willen des Gesetzgebers Betreuer nicht unter die Impfpflicht.
5.
Auch im Rahmen eines systematischen Vergleichs dieser Norm mit den übrigen Normen des Infektionsschutzgesetzes sowie bei einem Vergleich der Regelungen innerhalb des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wird man darauf abstellen müssen, dass Betreuer nicht in den genannten Einrichtungen tätig sind.
Zunächst soll ein Vergleich mit der Regelung zur Masernschutzimpfung, die in § 20 IfSG verankert ist, erfolgen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht des § 20a IfSG selbst wurde in Anlehnung an die Regelungen zur Einführung einer Masernimpfpflicht durch das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (BGBl. I 2020, S. 148) in § 20 Abs. 8 bis 13 IfSG eingeführt (Bundestagsdrucksache 20/188, S. 37). § 20 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 IfSG sieht für bestimmte Personen, die in bestimmten Einrichtungen „tätig sind“ ebenfalls eine Immunisierungspflicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, wie diese ausgestaltet ist. Auffallend ist die Wortgleichheit des „Tätigwerdens“ sowohl in der Vorschrift als auch in der zu Grunde liegenden Bundestagsdrucksache 19/13452. Dort wird auf Seite 28 Folgendes ausgeführt:
„Nummer 3 erfasst die Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 Tätigkeiten ausüben. Bei Personen, die in den in § 23 Absatz 3 Satz 1 aufgelisteten medizinischen Einrichtungen tätig sind, handelt es sich insbesondere um medizinisches Personal, aber auch andere dort tätige Personen wie zum Beispiel Küchen oder Reinigungspersonal. Erfasst sind auch ehrenamtlich Tätige oder Praktikanten. […] Personal nach § 33 Nummer 1 bis 4 betrifft insbesondere Personal mit Lehr-, Erziehungs-, Pflege- oder Aufsichtstätigkeiten, aber auch Hausmeister oder Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal. Erfasst sind auch ehrenamtlich Tätige oder Praktikanten. […] Personal nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 betrifft insbesondere Personal mit Pflege- oder Aufsichtstätigkeiten, aber auch Hausmeister oder Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal. Erfasst sind auch ehrenamtlich Tätige oder Praktikanten.“
Ebenso wie bei den „Aktuellen Informationen zur COVID-19-Impfung“ zählt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Homepage unter häufigen Fragen zum Masernschutzgesetz https://www.masernschutz.de/beschaeftigte-in-einrichtungen/ auf, für wen der Nachweis des Impfschutzes verpflichtend ist. Unter anderem muss derjenige einen Impfschutz in der Regel nachweisen, der nach 1970 geboren ist und in Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen (Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1 IfSG) oder in Gemeinschaftseinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften (Einrichtungen nach Nummer 1 und 2) tätig ist. Klarstellend wird hierzu ausgeführt, dass auch ehrenamtlich Tätige und Personen während eines Praktikums von der Nachweispflicht erfasst sind. Ob in einer Einrichtung anwesende Personen unter die Masernimpfpflicht fallen, hängt davon ab, ob diese Personen in den vom Masernschutzgesetz betroffenen Einrichtungen betreut oder tätig werden. Dabei dürfte es erforderlich sein, dass die Personen regelmäßig (nicht nur für wenige Tage) und nicht nur zeitlich ganz vorübergehend (nicht nur jeweils wenige Minuten, sondern über einen längeren Zeitraum) in der Einrichtung tätig sind (https://www.masernschutz.de/beschaeftigte-in-einrichtungen/ abgerufen am 28.01.2022). Die Aufzählung ist bei Weitem nicht so weitgehend wie bei der zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht.
So wird dies auch in der Literatur gesehen. Die Tätigkeit setzt dabei eine regelmäßige körperliche Anwesenheit zum Zwecke der Verrichtung einer Aufgabe mit Wissen und Wollen der Einrichtungsleitung voraus (Gerhardt, 5. Aufl. 2021, IfSG § 20 Rn. 38a). Regelmäßig und nicht nur vorübergehend wird dabei als über einen Zeitraum von mindestens mehreren Tagen festgelegt (Kießling/Gebhard, 2. Aufl. 2021, IfSG § 20 Rn. 42). So sieht bisher auch die Lebenswirklichkeit aus. Bisher mussten weder Mitarbeiter der Heimaufsicht noch Betreuer noch Berater einen Nachweis der Immunisierung gegen Masern vorlegen.
Es erschließt sich nicht, warum dies trotz des identischen Wortlautes bei § 20a IfSG anders sein soll, zumal der vulnerable Personenkreis ausreichend über die Hygienevorschriften des § 28b IfSG geschützt werden soll.
Auch ein Vergleich mit dieser Regelung führt zu dem Ergebnis, dass nach der systematischen und, wie sogleich zu zeigen sein wird, auch nach einer verfassungskonformen Auslegung Betreuer nicht unter die einrichtungsbezogene Impfpflicht gem. § 20a IfSG fallen. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10.12.2021 wurde nicht nur § 20a IfSG neu eingeführt; es sind auch weitere Änderungen des Infektionsschutzgesetzes vorgenommen worden. So wurde unter anderem auch § 28b IfSG geändert. § 28b Abs. 2 IfSG regelt die Zugangsvoraussetzungen von Arbeitgebern, Beschäftigten und Besuchern zu bestimmten Einrichtungen. Diese dürfen solche Einrichtungen nur betreten oder darin nur tätig werden, wenn sie getestete Personen im Sinne des § 2 Nummer 6 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung sind und einen Testnachweis mit sich führen. In Satz 2 der bis zum 12.12.2021 geltenden Fassung wurde klargestellt, dass in den in Satz 1 genannten Einrichtungen und Unternehmen behandelte, betreute, gepflegte oder untergebrachte Personen keine Besucher im Sinne des Satz 1 sind. Seit der Neufassung der Vorschrift durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10.12.2021 (BGBl. I 5162) gelten nunmehr auch Begleitpersonen, die die Einrichtung oder das Unternehmen nur für einen unerheblichen Zeitraum betreten, nicht als Besucher. Zu den Begleitpersonen sollen insbesondere Erziehungsberechtigte bei Minderjährigen und Assistenzkräfte bei Menschen mit Behinderungen zählen. Damit werde, so der Gesetzgeber, dem Umstand Rechnung getragen, dass die behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen auf die Begleitpersonen im Rahmen ihrer Therapie, zur Förderung des Behandlungserfolges oder im Alltag angewiesen sind. Diese Personen seien daher ebenso wie die behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen zu behandeln (BT-Drs. 20/188, 45, BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel, 9. Ed. 20.12.2021, IfSG § 28b Rn. 29a).
Legte man nun § 20a IfSG so aus, dass auch sämtliche Betreuer unter die in den genannten Einrichtungen tätigen Personen fallen, so wird die Erleichterung, die Begleitpersonen von erwachsenen Menschen mit Behinderungen durch die Änderung des § 28b Abs. 2 S. 2 IfSG gegeben wird, sofort wieder aufgehoben, wenn man dann gem. § 20a IfSG einen Immunisierungsnachweis fordert oder wenn ein Fall des § 20a Abs. 3 Satz 5 IfSG vorliegt, gar ein Betätigungsverbot als Betreuer in der Einrichtung eintritt. Oftmals werden die Eltern von geistig oder seelisch behinderten Menschen als Betreuer bestellt. Diese dürften als solche als Begleitpersonen ihrer noch minderjährigen Kinder in die Einrichtung, z. B. ein Krankenhaus, und dort auch z. B. für eine anstehende Operation unterschreiben. Wird das geistig oder seelisch behinderte Kind 18 Jahre alt und werden die Eltern zu Betreuern bestellt, soll dies nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums und deren Auslegung nicht mehr ohne weiteres möglich sein und an die Voraussetzungen des § 20a IfSG geknüpft werden, insbesondere dann, wenn z. B. im Falle der Dialyse o. ä. der Patient regelmäßig in der Einrichtung behandelt wird. Sollte die Volljährigkeit erst nach dem 16.03.2022 eintreten und eine Immunisierung der Eltern nicht vorliegen, so würde dies im Ergebnis dazu führen, dass die Eltern nicht mehr als Betreuer ihres Kindes zumindest im Bereich der Gesundheitsfürsorge tätig werden können. Eine solche Auslegung dürfte Art. 3 und Art. 6 GG verletzen.
6.
Da das einfache Recht stets verfassungskonform auszulegen ist, müssen bei der Gesetzesauslegung stets die Wertungen des Grundgesetzes beachtet werden. Wie bereits oben erwähnt, nimmt selbst das Bundesgesundheitsministerium „normale“ Besucher aus dem Pflichtenkreis des § 20a IfSG aus, soweit sie nicht als Betreuer tätig werden. Ein Besucher ist auch per se nicht in einer Einrichtung tätig, sondern besucht nur die dort behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen. Insoweit ist die Auslegung des Bundesgesundheitsministeriums richtig. Allerdings steht einer Unterscheidung zwischen einem normalen Besucher und einem Besucher, der gleichzeitig Betreuer ist, Art. 3 GG entgegen. Es gibt keinen tragfähigen Grund, der eine Ungleichbehandlung zwischen diesen Personengruppen rechtfertigen könnte. Besucher können sich mit den Bewohnern der Einrichtung unterhalten und zeitlich unbeschränkt bei diesen sein. Richtig ist zwar, dass von Besuchern auch die gesetzlichen Hygieneregeln eingehalten werden müssen, eine „Impfpflicht“ gem. § 20a IfSG mit den damit einhergehenden Nachweispflichten für die Besucher und den u. U. eintretenden Meldepflichten durch die Leitung der Einrichtung usw. besteht hier jedoch nicht. Derzeit ist das Betreten der Einrichtungen jeder getesteten Person gem. § 28b Abs. 2 IfSG gestattet. Abweichende Regelungen des Hausrechts sollen hier außen vor bleiben. Sobald diese aber als Betreuer, und damit sind sowohl Berufsbetreuer als auch ehrenamtlich tätige Betreuer, die zumeist Angehörige oder Bekannte der Bewohner darstellen, gemeint, die Einrichtung betreten und als solche dort tätig werden, sollen diese nach Auslegung des Bundesgesundheitsministeriums unter den Personenkreis des § 20a IfSG fallen. Ob Besucher, welche als Bevollmächtigte für die Bewohner tätig werden, hierunter fallen, wird offengelassen. Es kann aber vor dem Hintergrund des Infektionsschutzes keinen Unterschied machen, ob eine Besuchsperson ihren noch geschäftsfähigen Angehörigen besucht oder ob diese, weil der Angehörige geschäftsunfähig geworden ist, auch als Betreuer die Person besucht und mit dieser deren Angelegenheiten bespricht. Dass auch die persönliche Kontaktaufnahme zu den Betreuten zu den Aufgabenkreisen des Betreuers gehört, ist allgemein bekannt und ergibt sich aus § 1901 BGB. Auf den Inhalt des Gesprächs abzustellen und hieran eine „Impfpflicht“ anzuknüpfen, ist absurd. Einen Unterschied zwischen Betreuern und Bevollmächtigten zu machen, ist es ebenfalls.
Ausblick
Auch der Bundesverband der Berufsbetreuer/Innen (https://www.berufsbetreuung.de/der-bdb/aktuelles/impf-und-nachweispflicht-fuer-rechtliche-betreuerinnen/, abgerufen am 29.01.2022) geht mittlerweile ebenso wie der Berufsverband freier Berufsbetreuer e.V. (https://bvfbev.de/dokumente/newsletter/2022/BVfB-Newsletter-01.2022.pdf, abgerufen am 29.01.2022) davon aus, dass Betreuer nicht unter die Regelung des § 20a IfSG fallen. Der Bundesverband der Berufsbetreuer/Innen hat sich deswegen auch an das Bundesgesundheitsministerium gewandt. Auf eine Antwort kann gespannt gewartet werden, wobei freilich zu bedenken ist, dass das Bundesgesundheitsministerium nicht der Gesetzgeber ist und seinerseits – wie alle anderen Rechtsunterworfenen – lediglich versucht, das Gesetz auszulegen.
14 Kommentare
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In den neuesten bzw. aktualisierten FAQs dazu aus dem BMI sind Betreuer nun wieder ausgenommen!
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/FAQs_zu_20a_IfSG.pdf
„Nicht unter die Nachweispflicht fallen z.B. Postboten oder Paketzusteller und andere Personen, die sich lediglich über einen ganz unerheblichen Zeitraum in der Einrichtung aufhalten. Von der Nachweispflicht ausgenommen sind auch Personen, die ausschließlich außerhalb der Einrichtung oder des Unternehmens am Gebäude Arbeiten durchführen (z.B. Bauarbeiter, Industriekletterer u.ä.). Auch Handwerker, die im Rahmen eines einmaligen/nicht regelmäßigen Einsatzes tätig sind, sind von der Impfpflicht ausgenommen Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen rechtliche Betreuer, Betreuungsrichter, Personen der Heimaufsicht und andere Personen, die ähnliche Funktionen ausüben.“
Danke! Dann hat die detaillierte Analyse wohl doch was geholfen bzw. ein paar Leute aufgeschreckt!
Der selbständige Arzt oder überhaupt jeder Soloselbständige ist natürlich in seinem Unternehmen tätig. In §2 des IfSG werden verschiedene Begriffe definiert – leider nicht der Begriff des Tätigwerdens. Allerdings werden in §2 Nr 15a und 15b IfSG die Begriffe der „Leitung der Einrichtung“ und der „Leitung des Unternehmens“ definiert. Aus dem jeweiligen Buchstaben c der jeweiligen Nummer ergibt sich:
Leiter der Einrichtung/ des Unternehmens ist :
sofern die Einrichtung / das Unternehmen von einer einzelnen natürlichen Person betrieben wird, diese selbst,
Somit wird festgelegt, das zB Soloselbständige tätig und gleichzeitig die Leitung sind. Genauso ist das für die Ärzte. Sie sind freilich in ihrer eigenen Praxis tätig und eben die Leiter. Auch da kann es Personenidentitöt geben.
Wie das Gesundheitsamt dies alles kontrollieren will, erschließt sich mir – und wohl auch den Gesundheitsämtern – allerdings auch nicht. Ob man das Bußgeld riskieren möchte, ist die Entscheidung jedes einzelnen. 2500€ ist im übrigen nur der Höchstsatz. Dieser wird bei unterlassener Meldung sicherlich nicht verhängt werden.
Diese Urteilsbegründung ist absolut schwachsinnig. Aktuelles Urteil vom 03. Februar 2022 weil die Sonnenbank-Kette California Sun wegen 2G plus und Ausschluss der Ungeimpften geklagt hat .
https://www.zeit.de/news/2022-02/03/gericht-kippt-2g-plus-regel-fuer-sonnenstudios-in-nrw
Es wurde folgendes verkündet.
Nach Überzeugung des 13. Senats komme es beim Liegen auf einer Sonnenbank eben nicht zu einem erhöhten Ausstoß der Atemluft, hieß es. Eine besonders hohe Infektionsgefahr, nur weil die Maske fehle, gibt es nach Ansicht der Richter nicht. Das Land habe damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Es bleibe aber bei der 2G-Regel für Sonnenstudios, so das Gericht.
So,so …Atmen die Ungeimpften andere Aerosole als die Geimpften aus?
Mittlere Weile weiss jeder, dass sich alle anstecken können. Es gibt sogar Studien die belegen, dass die doppelt Geimpften anfälliger sind als die Ungeimpften (britische Studie und siehe Bremen) . Auch in meinem privaten Umfeld hat es die doppelt Geimpften sehr schwer erwischt. Die Ungeimpften blieben entweder verschont oder hatten nur 1 Tag milde Symptome
So ein Urteil ist nicht gerechtfertigt.
Prof. Dr. Hendrik Streek sagt selbst, dass man das Virus bzw. die Pandemie nicht wegimpfen kann.
Warum diskutiert man überhaupt noch über die Impfpflicht, egal welcher Art?
https://youtu.be/XE_GYWKBrEs
Das Bewertungskriterium hinsichtlich der „Gefährlichkeit“ und somit der „Legitimation“ dieses zunehmenden Würgegriffes in Deutschland (andere Staaten lockern vielfach die Nötigungen), sind nach wie vor die Inzidenzwerte. Diese schnellten wieder nach oben, auffällig war kurz nach der „Spende“ durch Gates an das RKI. Mich wundert schon die ganze Zeit, dass es keine Einwände von exponierten Stellen gibt, welche dieses Szenario in Frage stellen, dann wäre bald Schluss mit der „Pandemie“. Wie treffsicher/ aussagefähig und verifiziert sind diese Tests, sowohl PCR wie Schnelltests? Was sagt ein Inzidenzwert aus, ohne Zusatzangaben über die Anzahl der Getesteten und ob die Getesteten geimpft oder ungeimpft sind? Die Anzahl der Getesteten ist immens (Millionen?), da sich ungeimpfte Arbeitnehmer ja täglich vor der Arbeit testen lassen müssen. Die RKI-Angaben sind leer, nutzlos, ohne Aussage und niemand geht dagegen vor, unfassbar. Von der Umstellung der Kriterien auf Belegung der Intensivbetten ist man wohl abgerückt und nutzt wieder die „gigantischen“ wie nichtssagenden Inzidenzwerte, die die Menschen wohl beeindrucken und ängstigen sollen?
Wenn die kritischen Richter und Staatsanwälte endlich mal damit beginnen würden, nicht über die von diesem Regime rechtswidrig vorgelegten Stöckchen zu lamentieren und somit auf den Zug des Unrechts mit aufspringen, statt dessen SÄMTLICHE unwissenschaftlichen Maßnahmen dieser Regierung mit dem Grundgesetz konfrontieren. dann wäre dieser Spuk womöglich schon lange vorbei. Was wir an Maßnahmen und Beschlüssen erleben, hat nichts, aber auch gar nichts mit einer rechtstaatlichen Ordnung zu tun. Sämtliche Delikte, die Politiker seit Frühjahr 2020 begehen, angefangen von der millionenfach unwissenschaftlich, angeordneten Körperverletzung durch das Maskentragen, bis hin zur Bdrohung von Leib und Leben von Millionen Bürgern mittels experimentellen und mittlerweile als untauglichen, sowie gefährlichen „Impfstoff“ bekannt, sind allesamt Offizialdelikte. Hier ist JEDER Staatsanwalt, JEDE Polizeidienstelle, usw. gehalten, Ermittlungen durchzuführen. Da dies nicht geschieht, wissen wir endgültig, das unser Rechtstaat einem Putsch erlegen ist, der mit Hochverrat und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einhergeht. Wer hier mitzieht, macht sich (mit) schuldig.
Ich habe hier mal eine Frage: betrifft die „einrichtungsbezogene Impfpflicht „ ab März 2022 in Deutschland eigentlich auch niedergelassene Ärzte?? Ich suche schon stunden- ja tagelang nach einer konkreten Erklärung der „Gesetzeslage“ und es bleibt mir unklar. Darf ein ungeimpfter Arzt dann seine eigene Praxi nicht mehr betreten? Wird ihm, wenn er es doch tut ggf. die Approbation entzogen?? Bitte, bitte schreiben Sie dazu die Rechtslage. Viele niedergelassene Ärzte (Hausärzte in eigener Praxis, nicht angestellt, nicht „med. Personal“????) sind in absoluter Verzweiflung. (… wer, wenn nicht die Ärzte WISSEN, was die COVID-19-Spritzen im menschlichen Körper bewirken).
Das ergibt sich aus §20a Abs. 2 S. 2 IfSG. Danach sind ungeimpfte Personen, die u.a in Arztpraxen tätig sind vom Leiter der Einrichtung (Arztpraxis) dem Gesundheitsamt zu melden. Faktisch bedeutet dies, dass der ungeimpfte Arzt eine in der Arztpraxis tätige Person darstellt, die von ihm selbst als Leiter der Arztpraxis am 16.03.2022 dem Gesundheitsamt zu melden ist – also eine Art Selbstanzeige. Tut er dies nicht, kann das Gesundheitsamt die mit einer Geldbuße von bis zu 2500 Euro ahnden – § 73 Abs. 2 IFSG. Da es allerdings kein Impfregister gibt, frage ich mich, wie das Gesundheitsamt herausfinden soll, welche Arztpraxis ihrer Meldepflicht nicht oder unvollständig nachgekommen ist. Ich fürchte jedoch ein gewisses Denunziantentum in unserer Gesellschaft. Auch könnte es schwierig werden, wenn ein Patient behauptet, er hätte sich bei seinem ungeimpfte Arzt infiziert, da dies haftungsrechtliche Konsequenzen haben könnte. Insofern würde ich der Meldepflicht nachkommen und bei Verwaltungsmaßnahmen des Gesundheitsamtes den Rechtsweg zu prüfen.
Leider ist das nicht ganz so eindeutig wie hier dargestellt. § 20a (1) 1h beschreibt die Zielgruppe als Personen, die in Arzt- und Zahnarztpraxen „tätig“ (= beschäftigt, angestellt?) sind.
§ 20a (2) besagt, dass diese Personen „der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens“ bis zum Ablauf des 15. März 2022 folgenden Nachweis vorzulegen haben…
Besagte „Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens“ sollen dann die entsprechenden Meldungen an die Gesundheitsämter vornehmen.
Dass die „Leitung“ eine Impf- oder Genesenennachweis nachweisen muss, würde ich nicht vorschnell hineininterpretieren wollen. Mein juristisches Bauchgefühl sagt mir eher, dass der Gesetzgeber mit einer für mich nicht nachvollziehbaren Selbstverständlichkeit davon ausgegangen ist, dass die „Leitung“ geimpft oder genesen ist zumal die „Leitung“ auch nicht explizit unter § 20a (1) benannt ist (Regelungslücke?).
Nehmen wir mal den theoretischen Fall an, dass alle Beschäftigten geimpft oder genesen sind, die „Leitung“ aber nicht. Was passiert dann? Die Beschäftigten betreten die Arztpraxis, die „Leitung“ darf das aber nicht? Das wäre so abartig und lebensfremd, dass es jeder Beschreibung spotten würde.
Hoffe, dass sich noch versierte Juristen zu dieser Fragestellung einbringen.
Ich kann spontan auch nicht sagen, ob es eine Legaldefinition des Begriffes Tätigkeit gibt oder ob dieser im vorliegenden Kontext einer Auslegung zugänglich ist. Ich würde allerdings von der Wortdefinitionen her schon sagen, dass auch ein Praxisinhaber in seiner Praxis tätig sein kann. Im Zweifelsfall einfach beim Gesundheitsamt anfragen, welches das Gesetz exekutieren soll. Generell würde ich empfehlen, gelassen auf die Maßnahmen des Gesundheitsamtes zu warten und sollte dies aktiv werden, es mit Widersprüchen zu überschütten und dann weiter mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht. Damit werden diese schon aufgrund der geringen Menge an Fachpersonal maßlos überfordert sein und die Politik zum Handeln zwingen. Bei personenbedingten Kündigungen wegen eines fehlenden Impfnachweise sollten die Arbeitsgerichte entsprechend mit Kündigungsschutzklagen überschüttet werden. Dann wird ein betroffenes Gericht sicherlich schnell ein konkretes Normenkontrollverfahren veranlassen, so dass zum Thema der Zulässigkeit einer Impfpflicht hoffentlich schnell Rechtssicherheit geschaffen wird. Nun werden sicherlich nicht ohne Grund einige an der Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaates Zweifel anmelden, doch sollte man die Hoffnung nicht aufgeben.
Im Zweifelsfall würde ich nicht „einfach“ beim Gesundheitsamt anfragen, die dürften mit der praktischen Anwendung des 20a dermaßen überfordert sein, dass am Ende noch eine Falschauskunft herauskommt (im Zweifel immer gegen die Ungeimpften). Wenn die Beschäftigten bis 15.03. die Nachweise vorlegen oder bis zu diesem Zeitpunkt sogar genesen sind, entfällt die Meldung an das Gesundheitsamt. Die Meldung muss nur dann erfolgen, wenn einer der drei Nachweise fehlt. Wenn dann das Gesundheitsamt nachfragt, ob auch die „Leitung“ einen Nachweis erbringen kann, würde ich reagieren. Da kommen hoffentlich noch Anregungen von versierten Juristen.
Das sind sehr interessante Ausführungen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Interessant wäre auch die Frage, inwieweit Gesundheitsämter einer Ermessensbindung im Rahmen des § 20 Abs. 5 S. 3 IfSG unterliegen. Hier wird im politischen Raum diskutiert, dass ein Tätigkeitsverbot in den Fällen nicht ausgesprochen werden soll, in denen der Ungeimpfte von der Einrichtung dringend benötigt wird (Nützlichkeitsprinzip). Eine derartige Ausrichtung der Ermessensentscheidung wäre m.E. ermessensfehlerhaft, da es dem Sinn und Zweck der Norm (Infektionsschutz) widerspräche. Das Gesetz müsste vielmehr Ausnahmetatbestände vorsehen, die dann allerdings wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) kritisch sein könnten. Dies würde natürlich auch für die ermessensfehlerhafte Entscheidung im Rahmen des Nützlichkeitsprinzips zutreffen. Eine Argumentation, dass das Gesundheitsamt bei seiner Entscheidung auch die Interessen Dritter zu berücksichtigen hat, hier die zu versorgenden Patienten, denen durch die Maßnahme des Gesundheitsamtes eine Unterversorgung drohen könnte, halte ich für nicht zulässig, da Adressat der Verwaltungsmaßnahme der ungeimpft Tätige ist und nur in seiner Person liegende Aspekte wie z.B. unbekannte Kontraindikationen berücksichtigt werden könnten. Leider werden, die ausgesperrten Fachkräfte sich nicht auf die ermessensfehlerhaften Entscheidungen zu Gunsten der “Nützlinge“ ( diese schauderhafte Differenzierung erinnert an finsterste Zeiten) berufen können, da es bekanntlich kein Recht im Unrecht gibt…
Aktuelles Zitat von Herrn Hans Jürgen Papier. .
„Wenn es um schwerwiegende Grundrechtseingriffe geht, dürfen Unklarheiten in der Bewertung von Tatsachen grundsätzlich nicht ohne Weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen “
https://www.focus.de/gesundheit/zweifel-an-verhaeltnismaessigkeit-ex-bundesrichter-zeigen-politik-stoppschild-impfpflicht-fuer-alle-juristisch-kaum-haltbar_id_41147788.html
Herr Papier würde allen Betroffenen vielleicht deutlich mehr helfen, wenn er sich seiner Mitwirkung zum Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 15.02.2006 erinnern würde: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2006/02/rs20060215_1bvr035705.html
Auszug (Randziffer 38): Der Staat dürfe eine Mehrheit seiner Bürger nicht dadurch schützen, dass er eine Minderheit – (…) – vorsätzlich töte. Eine Abwägung Leben gegen Leben nach dem Maßstab, wie viele Menschen möglicherweise auf der einen und wie viele auf der anderen Seite betroffen seien, sei unzulässig. Der Staat dürfe Menschen nicht deswegen töten, weil es weniger seien, als er durch ihre Tötung zu retten hoffe. … Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
Wo ist jetzt hier eigentlich der Unterschied zur einrichtungsbezogenen oder allgemeinen Impfpflicht?
Denn es sind bereits Menschen an den Impfnebenwirkungen gestorben und es werden weitere sterben, um andere vor dem COVID-19-Tod zu retten.
Habe gestern das 87-seitige Gutachten gegen die Impfpflicht gelesen und schmerzlich festgestellt, dass das o.g. Bundesverfassungsgerichtsurteil noch nicht einmal thematisiert wurde. Da ich von Karlsruhe NICHT erwarte, dass die von sich aus dieses heiße Eisen anfassen, muss es ihnen ein versierter Kläger in die Hand drücken.