KRiStA – Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V.

Vollziehende Gewalt und Rechtsstaatlichkeit: Auswirkungen einer sich verändernden Personalpolitik innerhalb der Exekutive – ein Gastbeitrag von Kerstin Maaß

Insbesondere in den vergangenen zwei Jahrzehnten ist eine zunehmend veränderte Personalpolitik im Bereich der vollziehenden Gewalt zu beobachten. Diese betrifft u.a. eine verstärkte unterschiedslose Verwendung der dort beschäftigten Statusgruppen (Beamte und Tarifbeschäftigte), aber auch Umfang und Qualität der Beamtenausbildung. Zudem erfolgt eine Deckung des Personalbedarfs an Beamten zunehmend durch sog. Direkteinstellungen, die keine „klassische“ mehrjährige Beamtenlaufbahnausbildung mit erfolgreich abgelegter Laufbahnprüfung durchlaufen haben, sondern denen vielmehr aufgrund einer inhaltlich den Anforderungen an die jeweilige Beamtenlaufbahn entsprechende abgeschlossene Berufsausbildung und einer hauptberuflichen Tätigkeit eine Laufbahnbefähigung zuerkannt wird.

Ein wesentlicher Grund für diese veränderte Personalpolitik stellt der inzwischen hohe Bedarf an Personal dar, was nicht nur eine Folge der demografischen Entwicklung ist, sondern auch jahrelangem Ausbildungs- und Einstellungsstopp und einer damit eingetretenen Überalterung des Personalkörpers geschuldet ist.

Aber inwiefern stellt diese Personalpolitik eine Gefahr für den Rechtsstaat dar?

Einer der tragenden verfassungsrechtlichen Grundsätze unserer Verfassung ist das in Art. 20 Abs. 3 GG geregelte Rechtsstaatsgebot. Art. 20 Abs. 3 GG bestimmt, dass die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind. Welche Bedeutung der Grundgesetzgeber diesem Grundprinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beigemessen hat, zeigt insbesondere, dass dieses Grundprinzip der in Art. 79 Abs. 3 GG geregelten sog. „Ewigkeitsklausel“ unterliegt: eine inhaltliche Änderung oder Abschaffung des Rechtsstaatsprinzips ist dementsprechend unzulässig.

Damit die vollziehende Gewalt diesem verfassungsrechtlichen Grundprinzip gerecht wird, benötigt sie Personal, das sowohl im Hinblick auf seinen Status als auch auf seine fachliche Qualifikation die Beachtung dieses Grundprinzips gewährleistet.

In diesem Zusammenhang beinhaltet das Grundgesetz mit Art. 33 Abs. 4 GG einen weiteren wichtigen Grundsatz, indem es alle Träger öffentlicher Gewalt verpflichtet, die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, sog. Funktionsvorbehalt. Das bedeutet, dass diese Aufgaben vorrangig durch Beamte, die aufgrund einer mehrjährigen Laufbahnausbildung mit abschließender Laufbahnprüfung entsprechend fachlich qualifiziert sind, erfüllt werden sollen.

Der dahinterstehende Gedanke ist der, dass im Berufsbeamtentum eine Institution gesehen wird, die, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichert und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen soll (v. Graevenitz/Kawik, Die Möglichmacher, NZWehrr 2021 S. 196 ff. (S. 200), unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 17.10.1957 – 1 BvL 1/57, BVerfGE 7, 155-171; so im Wesentlichen auch: Battis, Kommentar zum BBG, 5. Aufl. 2017, § 4 Rn. 26; Werres, Beamtenverfassungsrecht, 1. Aufl. 2011, S. 4 u.a. unter Verweis auf BVerfGE 117, 372 (380)). Die entscheidende Legitimation des Berufsbeamtentums wird vor diesem Hintergrund in seiner Funktion als Garant für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechtsschutz zu sehen sein (v. Graevenitz/Kawik, (Fn. 1), S. 200, unter Verweis auf Lindner, Zur politischen Legitimation des Berufsbeamtentums, 2014, S. 19 f.). Eine Funktion, die insbesondere in politisch unruhigen Zeiten und Krisen von existenzieller Bedeutung ist. Aufgabe des Berufsbeamtentums war und ist es somit dementsprechend, Verfassung und Gesetz im Interesse des Bürgers auch und gerade gegen die politische Führung zu behaupten (Werres (Fn. 1), S. 4, unter Verweis auf BVerfGE 119, 247 (260)).

Dem trägt der besondere Status des Berufsbeamten und seinen damit verbundenen beamtenrechtlichen Pflichten Rechnung. Dabei ist insbesondere seine volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit von dienstlichen Handlungen und seine Remonstrationspflicht, aber auch die parteipolitische Neutralitätspflicht des Beamten, die Pflicht, für die Verfassungsordnung einzutreten, auf die er seinen Amtseid geleistet hat, die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und das Streikverbot zu erwähnen.

Damit weicht dieser Status ganz erheblich von der zweiten großen Gruppe der im öffentlichen Dienst Beschäftigten, nämlich den Tarifbeschäftigten, ab, deren Rechte und Pflichten rein arbeits- bzw. tarifvertraglich geregelt sind. Ihre Pflichtenbindung gegenüber dem Staat unterscheidet sich erheblich von den gesetzlich geregelten Pflichten der Beamten. Außerdem können sie befristet beschäftigt, aber auch gekündigt werden. Folglich stellt dieser Status keine Garantie für eine stabile Verwaltung und Unabhängigkeit in Bezug auf politische Forderungen dar, wie sie dem Berufsbeamtentum zumindest statusrechtlich innewohnt.

Aus diesem Grund ist die ständige Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in der Regel Beamten und nicht Tarifbeschäftigten des Öffentlichen Dienstes oder Beliehenen zu überlassen (vgl. Schriftenreihe der Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Bd. 6, Beamte oder Arbeitnehmer, 1996, S. 30 ff.). Dabei ist hervorzuheben, dass der Status das entscheidende Kriterium dafür darstellt, und zwar losgelöst von einer im konkreten Fall bestehenden fachlichen Qualifikation des Tarifbeschäftigten.

Dementsprechend ist die inzwischen verstärkte Praxis, dass beide Statusgruppen unterschiedslos auch auf Dienstposten, auf denen hoheitsrechtliche Befugnisse ausgeübt werden, verwendet werden, bedenklich in Bezug auf die Gewährleistung des Rechtsstaatsprinzips.

Ein weiteres Problem besteht darin, wenn die Anforderungen, die an eine Tätigkeit innerhalb der jeweiligen Beamtenlaufbahn gestellt werden, und damit zugleich auch die Ausbildungsanforderungen, weiter herabgesetzt werden.

Gleiches gilt für die zunehmende direkte Einstellung von Bewerbern in eine Beamtenlaufbahn, ohne dass ein entsprechender Vorbereitungsdienst mit erfolgreich abgelegter Laufbahnprüfung absolviert wird, wenn dabei die diese ersetzenden sonstigen Berufsabschlüsse und hauptberufliche Tätigkeiten zu großzügig als mit dem Vorbereitungsdienst inhaltlich vergleichbar bewertet werden und ohne, dass dieses Personal zumindest nach seiner Einstellung ausreichend fachlich nachqualifiziert wird.

Denn wer das Verwaltungsrecht nicht beherrscht, kann auch nicht die Rechtmäßigkeit der Verwaltung garantieren, einer der Zwecke der Einrichtung des Berufsbeamtentums (so Dreist, Neue Unterstellungsverhältnisse in der Bundeswehr nach dem Dresdner Erlass?, NZWehrr 2012 S. 221 ff. (226) in Bezug auf in der Bundeswehrverwaltung verwendete Soldaten, unter Verweis auf BVerfGE 6, 132 (164), BVerfGE 7, 155 (162); BVerfG Az: 2 BvF 3/02, Beschluss vom 19. September 2007, Rn. 46)).

Diese personalpolitischen Entwicklungen bergen die Gefahr in sich, dass der Bürger sich möglicherweise verstärkt mit einer Verwaltung konfrontiert sieht, deren Vertreter entweder aufgrund ihres Status oder ihrer nicht ausreichenden fachlichen Qualifikation nicht mehr rechtmäßiges Handeln garantieren können. Besonders dramatisch wären die Folgen in Krisenzeiten. Denn gerade dann besteht die Gefahr, dass dem Rechtsstaatsgebot vor dem Hintergrund der bestehenden Notlage nicht ausreichend Rechnung getragen und politischen Forderungen auch außerhalb des verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmens durch die vollziehende Gewalt gefolgt wird. Damit einher geht die Gefahr, dass der Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung verlassen wird.

Dementsprechend hat auch die Personalpolitik für den Bereich der vollziehenden Gewalt der Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips Rechnung zu tragen.