„Die Menschen dieses Landes sind keine Untertanen.“ – Hans-Jürgen Papier

Eine Stellungnahme zur geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ (Art. 20 Abs. 1 GG)

Dem Netzwerk KRiStA wurde dieser Tage eine „Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD“ zum dort vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes zugeleitet. Da sich der Entwurf und dessen Inhalt mit den in der Tagespresse dargestellten wesentlichen Punkten deckt, gehen wir zum jetzigen Zeitpunkt von einem authentischen Dokument aus.

Unserem Selbstverständnis und eigenem Anspruch folgend, haben wir uns auferlegt, das juristische und politische Geschehen in Deutschland zunächst sorgfältig zu prüfen und erst in einem zweiten Schritt mit Stellungnahmen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Der vorgenannte Gesetzentwurf ist jedoch so weitreichend und soll in derart kurzer Zeit einer parlamentarischen Abstimmung zugeführt werden, dass wir uns gedrängt sehen, kurzfristig Stellung zu beziehen.

Um es mit den Worten von Jens Gnisa, dem ehemaligen Interessenvertreter von rund 17.000 Richtern in Deutschland, zu sagen:

„Der Bund schießt deutlich über alle Verhältnismäßigkeits-Grenzen hinaus.“

Nach seiner Ansicht

„…dürfte es sich wohl um das am tiefsten in die Grundrechte einschneidende Bundesgesetz der letzten Jahrzehnte handeln“.

Das Netzwerk KRiStA kann diese Auffassung nur unterstreichen. Der im Zentrum des Gesetzentwurfes stehende § 28b Infektionsschutzgesetz (IfSG) würde die alleinige Kompetenz für die sogenannte „Corona-Notbremse“, mithin die einschneidendsten Maßnahmen für rund 83 Mio. Menschen seit dem Zweiten Weltkrieg, in die Hand der Bundesregierung legen. Dieser würde ein Durchregieren bis in die Wohnzimmer der Menschen ermöglicht werden, in Abhängigkeit zudem von einem Messwert, der zunehmend in der Kritik von Juristen und Medizinern steht.

Zur Erinnerung: Der Föderalismus ist ein leidvoll errungenes Bekenntnis zur Machtbegrenzung und Machtverteilung sowie zum Vorrang der Regelung auf tiefstmöglicher Ebene. Dieses Prinzip hat sich seit 1949 bewährt und unser Land erfolgreich durch jede Krise geführt. Die Pandemiebekämpfung und die zur Erreichung dieses Ziels erforderlichen Maßnahmen haben am sinnvollsten vor Ort in den Ländern zu erfolgen.

Darüber hinaus droht durch das angestrebte Nebeneinander von Bundesgesetz sowie von Verordnungszuständigkeiten von Bund und Ländern sowohl für den Bürger als auch den Verordnungsgeber ein unüberschaubarer Flickenteppich von Regelungen.

Diese Regelungen können sich zudem „über Nacht“ durch einen Automatismus starrer Inzidenzwerte ohne Rücksicht auf die Besonderheiten der Region oder das Zustandekommen dieser Werte ändern. Hierin liegt der zweite grobe Fehler. Die geplante starre Regelung einer bundeseinheitlichen Notbremse ab einer 7-Tage-Inzidenz von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen ließe vollkommen außer Acht, dass der Inzidenzwert ein nahezu willkürliches Instrument zur Messung des Infektionsgeschehens ist. Die bisherigen Inzidenzzahlen basieren auf wöchentlichen Testungen in der Größenordnung von ca. 1,1 bis 1,6 Mio. Tests pro Woche. Der Positivanteil lag dabei laut RKI zuletzt (KW 13/2001) bei 11,1 Prozent aller Tests. Wenn – wie abzusehen – der Großteil der Arbeitgeber und Schulen eine oder mehrere Testungen der Arbeitnehmer oder Schüler einführt, wird die Anzahl der positiven Tests sprunghaft ansteigen. Zur Erinnerung: Es gibt derzeit allein ca. 10,9 Mio. Schüler in Deutschland. Der neue § 28b IfSG würde ein automatisiertes Durchregieren des Bundes auf unabsehbare Zeit manifestieren. Eine Betrachtung der konkreten Gesundheitsversorgung vor Ort und der verfügbaren Intensivbettenkapazitäten bliebe vollkommen ausgeblendet zu Gunsten eines Verfahrens, das sich zunehmender Kritik ausgesetzt sieht.

Nicht minder problematisch sind die einzelnen Eckpunkte der „Notbremse“. So sollen beispielsweise private Zusammenkünfte auch im privaten Raum mit höchstens einer(!) weiteren Person zulässig sein (§ 28b Abs. 1 Nr. 1 IfSG). Auch soll eine grundsätzliche nächtliche Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr, die zuletzt von mehreren Gerichten für unwirksam erklärt wurde, bundeseinheitlich eingeführt werden (§ 28b Abs. 1 Nr. 2 IfSG). Dies ist eine Nichtachtung der Judikative. Auch die bisher schon ergriffenen Schließungen weiter Teile der Tourismus-, Freizeit- und Gastronomiebranche würden auf unbestimmte Zeit fortbestehen, wodurch sich eine bereits bestehende finanzielle Not weiter Teile der Wirtschaft verschärfen würde.

In einer Art manipulierbarem Automatismus würde der Exekutive auf Bundesebene eine praktisch nur durch das Bundesverfassungsgericht überprüfbare Macht zur Einschränkung elementarer Grundrechte eingeräumt werden. Gleichzeitig würde durch unmittelbar geltendes Parlamentsgesetz, das keiner Umsetzung durch die Exekutive mehr bedarf, der instanzgerichtliche Rechtsschutz und damit der Grundsatz der Gewaltenteilung ausgeschaltet. All dies hat mit den über Jahrzehnte gewachsenen Institutionen unserer parlamentarischen Demokratie, dem Föderalismus und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht mehr viel gemein.

Knapp und treffend von CDU-Politiker Prof. Dr. Max Otte auf Twitter formuliert:

„Wenn das durchgeht, ist die Diktatur vollendet und die klassischen Bürgerrechte sind weg, das sollte jedem klar sein.“

Wir fordern die Abgeordneten des Bundestages nachdrücklich auf, dieser offensichtlichen Entrechtung der Länderparlamente, weiter Teile der Judikative und vor allem der Menschen in diesem Land entgegenzutreten! Springen Sie über den Schatten Ihrer Fraktionsdisziplin und nehmen Sie das Wohl der Menschen in den Blick!

Ansprechpartner:

Thomas Barisic | Thomas.Barisic@netzwerkkrista.de

1 Kommentar

    • Günther Oberbeck auf 6. Februar 2022 bei 15:48
    • Antworten

    In den letzten 2 Jahren ist mein Vertrauen in unseren Staat auf den Nullpunkt gesunken. Eine Zeitlang dachte ich, unsere Verfassung, die darauf aufbauenden Gesetze und die Anwälte sowie die Richter werden schon noch rechtzeitig eingreifen. Diese Einschätzung scheint aber mehr und mehr ebenfalls eine Ilusion. Als banaler Maschinenbauer möchte ich hier zwei Fragen an die juristischen Fachleute stellen, die meiner Ansicht nach viel zu wenig erörtert werden und am Anfang aller „Staats-Willkür“ währende der Corona-Krise stehen.
    1. Wie konnte es passieren, dass in Deutschland kein funktionierendes und transparentes System der Ermittlung/Erfassung von Impfschäden bzw. Nebenwirkungen etabliert wurde? Und wie konnten ohne ein solches System Millionen dieser neuartigen „Impfungen“ vorgenommen wurden? Und wie kann man auf der heutigen Datengrundlage eine Impfpflicht planen? Nebenbei gehört dazu auch die Nutzen-Ermittlung der Impfung.
    2. Und am Anfang der Pandemie: Wie konnte ein Ausnahmezustand erklärt werden, ohne dass der Staat verpflichtet ist, ein funktionierendes und transparentes Verfahren zu installierten, mit denen die „Gefahr“ der Covid-Erkrankungen korrekt ermittelt wurde.
    Transparent heißt hier für mich auch, dass die Bürger jederzeit die Funktionsweise überprüfen können ohne dazu Privatdetektive einzuschalten..
    Mal salopp gesagt: Das RKI sowie das PEI können ja zählen wie sie wollen. Oder auch nicht zählen. Oder „Äpfel zu Pfirsichen“ machen. Sie können die Ergebnisse ihrer Erfasserei zügig mitteilen oder auch später erst. Sie können auch sagen, geimpft ist man erst dann und dann, Impfschäden erfassen wir erst 2 Wochen nach der 2. Impfung. Was Impf-Risiken sind, dürfen die selbst festlegen. Alles ist erlaubt. Dem Recht ist wohl Genüge getan, wenn die Herren Wieler und Lauterbach verkünden, dass Impfnebenwirkungen vernachlässigbar gering sind.
    Wenn es nicht möglich ist, diese Grundvoraussetzungen einzuklagen (zu erzwingen), brauchen wir uns über den Rest (wie jetzt die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetztes, oder Verkürzung des Genesenstatus…) nicht zu wundern. Also Autos würden auf diese Weise nicht für den Straßenverkehr zugelassen, wage ich zu behaupten. Ist unser Justiz-System noch einen Heller wert?

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